Rückverweise
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Nigl, LL.M., und den Richter MMag. Klaus in der Firmenbuchsache der A* KG , FN **, **, über den Rekurs des Komplementärs B* , geboren am **, **, und der Kommanditistin C*, geboren am **, **, beide vertreten durch die Rosenauer Prankl Barrett Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 17.3.2025, **-6 und -7, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Die A* KG ( Gesellschaft ) mit Sitz in ** ist zu FN ** im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Ihr unbeschränkt haftender Gesellschafter ist B* ( Komplementär ). Kommanditistin mit einer Haftsumme von EUR 100 ist C* ( Kommanditistin ).
Der Magistrat der Stadt ** teilte dem Erstgericht am 29.10.2024 zu ** mit, dass hinsichtlich der Gesellschaft im Gewerberegister keine aufrechte Gewerbeberechtigung eingetragen sei.
Das Erstgericht forderte daraufhin die Gesellschafter mit Beschluss vom 29.10.2024 (ON 2) auf, binnen vier Wochen ab Zustellung entweder die Löschung der Gesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht besteht, widrigenfalls eine Zwangsstrafe von je EUR 700 verhängt werde.
Mit Beschlüssen vom 16.12.2024 (ON 3 und 4) verhängte das Erstgericht über beide Gesellschafter Zwangsstrafen von je EUR 700. Außerdem wiederholte das Erstgericht seine Aufforderung an die Gesellschafter, die Löschung der Gesellschaft zur Eintragung im Firmenbuch binnen zwei Monaten anzumelden und drohte bei Nichtbefolgung die Verhängung weiterer Zwangsstrafen von je EUR 1.000 an.
Mit den angefochtenen Beschlüssen ON 6 und 7 verhängte das Erstgericht die zuvor angedrohten Zwangsstrafen von je EUR 1.000 über beide Gesellschafter.
Dagegen richtet sich der Rekurs beider Gesellschafter aus den Rekursgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse ersatzlos zu beheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Rekurse sind nicht berechtigt .
I. Zur Nichtigkeit:
1. Nichtig seien die angefochtenen Beschlüsse, weil sie keine Begründung enthielten, aus welchem Grund das Erstgericht von einer Anmeldepflicht ausgehe. Mangels Begründung seien die Beschlüsse nicht überprüfbar. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass der Beschluss über die erstmalige Androhung der Zwangsstrafe den Rekurswerbern nicht zugegangen sei.
2.Zunächst ist darauf zu verweisen, dass dem – im Firmenbuchverfahren anzuwendenden (§ 15 Abs 1 FBG) – AußStrG der Begriff der Nichtigkeit fremd ist. Selbst das Fehlen einer Begründung bewirkt im außerstreitigen Verfahren keine Nichtigkeit, sondern (bloß) einen qualifizierten Begründungsmangel nach § 57 Z 1 AußStrG, der eine meritorische Entscheidung des Rekursgerichts nicht hindert ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I 2 § 57 Rz 13).
Ein Begründungsmangel nach § 57 Z 1 AußStrG liegt dann vor, wenn die Fassung des Beschlusses so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, der Beschluss mit sich selbst im Widerspruch ist oder keine Begründung enthält und diesen Mängeln durch eine Berichtigung des Beschlusses nicht abgeholfen werden kann.
§ 57 Z 1 AußStrG entspricht damit im Wesentlichen dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, weshalb die in Lehre und Judikatur dazu entwickelten Kriterien herangezogen werden können (RS0121710; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I 2 § 57 Rz 14). Demnach liegt aber Nichtigkeit nur bei völligem Fehlen einer Begründung oder bei einer bloßen Scheinbegründung vor ( Kodek in Rechberger/Klicka 5§ 477 ZPO Rz 40). Abgesehen davon führt ein Begründungsmangel nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, wenn auch aufgrund der Aktenlage die Erwägungen des Erstgerichts nicht nachvollzogen werden können und die Zurückweisung eine Verringerung des Verfahrensaufwandes mit sich bringen würde ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I 2§ 57 Rz 16; RS0120319).
3. Im vorliegenden Fall ist aus dem Gesamtverfahrenszusammenhang die vom Erstgericht angezogene Rechtsgrundlage für die Verhängung der Zwangsstrafen zweifelsfrei zu entnehmen. Das Erstgericht ging davon aus, dass die Gesellschafter den in den Beschlüssen ON 2 bis 4 erfolgten Aufforderungen nicht nachgekommen sind, weshalb es die angedrohten Zwangsstrafen verhängte.
Dass die Rekurswerber die Begründung der angefochtenen Beschlüsse ebenso verstanden, zeigt sich an den Ausführungen in der von ihnen erhobenen Rechtsrüge.
4. Soweit die Rekurswerber behaupten, dass ihnen die erstmalige Androhung einer Zwangsstrafe nicht zugegangen sei, sind ihnen die im Akt erliegenden Zustellnachweise entgegenzuhalten: Demnach wurde der Beschluss ON 2 dem Komplementär am 30.10.2024 gemäß § 35 ZuStG elektronisch zugestellt, an die Kommanditistin erfolgte die Zustellung am 4.11.2024.
Die vom Zustellorgan erstellten Zustellnachweise nach § 22 ZustG sind öffentliche Urkunden, die zunächst vollen Beweis darüber erbringen, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge auch eingehalten wurden. Der Zustellnachweis begründet somit die Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung und es ist Sache desjenigen, der die Unwirksamkeit einer Zustellung behauptet, den Gegenbeweis der Vorschriftswidrigkeit der Zustellung zu führen (RS0040471, RS0040473; Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 22 ZustG Rz 2). Wer diesen Gegenbeweis führen will, darf sich nicht bloß auf die Behauptung der Unrichtigkeit der Urkunde beschränken, sondern muss konkrete Tatsachen anführen, aus denen sich diese Unrichtigkeit ergibt, und sie auch beweisen (RS0040507). Die Zustellmängel müssen vom Adressaten zumindest glaubhaft gemacht werden (6 Ob 93/09h). Es bedarf somit konkreter Darlegungen über den Zustellmangel und eines entsprechenden Bescheinigungsanbots.
Derartiges enthält das vorliegende Rechtsmittel, in dem bloß behauptet wird, dass die Gesellschafter den Beschluss ON 2 nicht erhalten hätten, nicht. Es ist daher von einer wirksamen Zustellung auszugehen.
II. Zur Verfahrensrüge:
1. Die Rekurswerber erblicken einen Stoffsammlungsmangel darin, dass das Erstgericht trotz des im Firmenbuchverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes keine Abfrage im Gewerbeinformationssystem Austria durchgeführt habe. Mittels einer solchen Abfrage hätte es festgestellt, dass eine aufrechte Gewerbeberechtigung vorliege und hätte daher kein Zwangsstrafverfahren eingeleitet.
2. Das Erstgericht war jedoch nicht gehalten, jeden denkbaren, aber überhaupt nicht behaupteten Sachverhalt zu erforschen. Die im Verfahren außer Streitsachen geltende Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung endet also dort, wo kein Vorbringen der Parteien vorliegt, Parteibehauptungen trotz richterlicher Anleitung nicht so weit konkretisiert werden, dass sie einer (weitergehenden) Überprüfung zugänglich sind, und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit bestehen ( Höllwerth in Gitschthaler / Höllwerth, AußStrG I 2 § 16 Rz 37).
3. Die Gesellschafter reagierten auf die mit Beschluss ON 2 erfolgte Aufforderung, darzutun, dass keine Löschungsverpflichtung bestehe, nicht. Daher hatte das Erstgericht keinen Grund, die Richtigkeit der vom Magistrat erfolgten Mitteilung, wonach keine aufrechte Gewerbeberechtigung vorliege, in Zweifel zu ziehen. Es bestand daher kein Anlass, weitere Erhebungen in Form einer Abfrage durchzuführen.
III. Zur Rechtsrüge:
1. Darin machen die Rekurswerber geltend, dass das Erstgericht von einer inhaltlich falschen Verständigung seitens des Magistrats der Stadt ** ausgegangen sei. Tatsächlich bestehe eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe, weshalb kein Grund für eine Löschung der Gesellschaft bestehe und die Zwangsstrafen zu Unrecht verhängt worden seien.
2.Gemäß § 30 Abs 2 UGB ist bei Beendigung des Unternehmens das Erlöschen der Firma zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Diese Bestimmung ist auf Personengesellschaften anzuwenden, bei denen eine Abwicklung - etwa wegen Vermögenslosigkeit und Einstellung des Geschäftsbetriebs - unterbleibt ( Herda in Artmann, UGB³ § 30 Rz 27; Enzinger in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 30 Rz 31; 6 Ob 88/10z). Der Zweck der Eintragung des Erlöschens der Firma ergibt sich aus der Publizitätsfunktion des Firmenbuchs, die es im Interesse der Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit Unternehmern erfordert, dass die wesentlichen Rechtsverhältnisse der Unternehmer und der eingetragenen Personengesellschaften vollständig und richtig im Firmenbuch wiedergegeben werden.
3.Alle Gesellschafter sind gemäß § 30 Abs 2 UGB zur Anmeldung der Löschung der Firma verpflichtet ( Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB³ § 107 Rz 9).
4.Die Einhaltung von Anmeldepflichten ist durch die Androhung und Verhängung von Zwangsstrafen gemäß § 24 FBG erzwingbar ( Herda in Artmann, UGB³ § 30 Rz 22). Nach dessen Abs 1 ist derjenige, der verpflichtet ist, eine Anmeldung zum Firmenbuch vorzunehmen, vom Gericht durch Zwangsstrafen bis zu EUR 3.600 anzuhalten, seine Verpflichtung zu erfüllen. Kommt die betroffene Person einer gerichtlichen Anordnung innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Verhängung der Zwangsstrafe nicht nach, so ist eine weitere Zwangsstrafe bis zu EUR 3.600 zu verhängen und – bei neuerlicher Säumnis – der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe zu veröffentlichen (Abs 2).
Vor Verhängung der ersten Zwangsstrafe ist die betroffene Person aufzufordern, die Verpflichtung zu erfüllen oder darzutun, dass die Verpflichtung nicht besteht, und eine konkrete Zwangsstrafe für den Fall der Nichtbefolgung anzudrohen. Diese Aufforderung ist wie eine Klage zuzustellen (Abs 3).
Zwar ist auch Verschulden des Anmeldungspflichtigen Voraussetzung für die Verhängung einer Zwangsstrafe ( Zib in Zib/Dellinger,GroßKomm UGB § 24 FBG Rz 24; Kodek in Kodek/Nowotny/UmfahrerFBG § 24 Rz 34). Für die Verhängung von Zwangsstrafen reicht aber bloße - auch leichte - Fahrlässigkeit aus (RS0123571). Im Regelfall ist davon auszugehen, dass die Erfüllung der firmenbuchrechtlichen Anmeldungspflichten, soweit nicht im Einzelfall Hinweise auf besondere Umstände vorliegen, objektiv und subjektiv möglich ist, sodass sich das Firmenbuchgericht auf die Prüfung der objektiven Verletzung der Anmeldungspflicht beschränken kann ( Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer,FBG § 24 Rz 35).
5.Nach § 24 Abs 5 letzter Satz FBG ist eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn die bestrafte Person ihrer Pflicht bzw der gerichtlichen Anordnung nachgekommen ist oder deren Erfüllung unmöglich wurde. Dies gilt auch dann, wenn die nachträgliche Erfüllung des aufgetragenen Verhaltens im Verfahren über ein Rechtsmittel gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe erfolgt. Andernfalls würde das Rekursverfahren im Ergebnis eine Art „Nachfrist“ für die Erfüllung der aufgetragenen Verpflichtung bedeuten. Daran kann auch die Neuerungserlaubnis des § 49 Abs 3 AußStrG nichts ändern, bezieht sich doch diese Bestimmung nur auf rechtlich relevante Umstände. Maßgeblich ist dabei die Verhängung der Zwangsstrafe in erster Instanz, nicht deren Rechtskraft (RS0123335; 6 Ob 60/17t; Burgstaller/Pilgerstorfer in Artmann,UGB³ § 24 FBG Rz 66 ff).
Nach § 49 AußStrG sind im Rekursverfahren Neuerungen grundsätzlich zulässig (Abs 1), doch enthält Abs 2 auch eine Einschränkung hinsichtlich jener Tatsachen und Beweismittel, die zur Zeit des Beschlusses erster Instanz schon vorhanden waren (nova reperta). Diese sind nicht zu berücksichtigen, wenn sie von der Partei schon vor Erlassung des Beschlusses hätten vorgebracht werden können, es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung gehandelt hat. Diesen Umstand hat die Partei zu behaupten und zu bescheinigen. Die Vorschriften über die Neuerungserlaubnis des § 49 AußStrG sind gemäß § 15 Abs 1 FBG auch im Firmenbuchverfahren anzuwenden (OLG Wien 6 R 15/18x).
6. Selbst wenn keine Verpflichtung zur Anmeldung der Löschung bestünde, lastet auf den Gesellschaftern die Äußerungspflicht, entgegenstehende Hindernisse bekanntzugeben.
Die Gesellschafter hätten das nun im Rekurs erstattete Vorbringen schon vor der Verhängung der angefochtenen Zwangsstrafe dem Erstgericht schriftlich mitteilen können. Sie haben die mit Beschluss ON 2 erfolgte Aufforderung des Erstgerichtes zur Löschung nicht befolgt und auch keine entgegenstehenden Hindernisse dargetan. Diese Verletzung der Äußerungspflicht steht einer Berücksichtigung der nun im Rekurs vorgebrachten Neuerungen entgegen.
Dass der Äußerungspflicht im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens nachgekommen wurde, ist nach § 24 Abs 5 letzter Satz FBG unbeachtlich. Da innerhalb der vom Erstgericht gesetzten Frist weder dem Auftrag noch der Äußerungspflicht entsprochen worden war, erfolgte die Verhängung der Zwangsstrafen zu Recht.
7.Zur Strafhöhe enthält der Rekurs kein Vorbringen. Gegen die Höhe der Zwangsstrafen bestehen angesichts des in § 24 FBG vorgesehenen Strafrahmens von bis EUR 3.600 keine Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung wird bereits bei der erstmaligen Verhängung einer Zwangsstrafe im Regelfall ein Betrag von EUR 730 als angemessen angesehen ( Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 49 ff mwN).
Mit dem angefochtenen Beschluss musste bereits die zweite Zwangsstrafe verhängt werden, weil die Gesellschafter trotz wiederholter Aufforderungen samt Strafdrohungen des Erstgerichts und der Verhängung der ersten Zwangsstrafe ihrer Äußerungspflicht beharrlich nicht nachgekommen sind. Selbst wenn keine Löschungsverpflichtung bestanden hat, besteht unter diesen Umständen kein Anlass, die Zwangsstrafe herabzusetzen.
8. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
9.Der ordentliche Revisionsrekurs ist gemäß § 15 FBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne der letzteren Bestimmung zu lösen war.
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