JudikaturOLG Linz

10Bs216/25y – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
23. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Maßnahmenvollzugssache A* wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde des strafrechtlich Untergebrachten gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 28. August 2025, BE1*-24, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene A* wurde mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 20. Juli 2017, Hv1*, der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I.) und der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Unter einem wurde seine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

Dem Schuldspruch zufolge hat er in **

I./ an nachgenannten, zur Tatzeit unmündigen Personen in jeweils zwei Angriffen, je durch die Vornahme eines Oralverkehrs, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar

1./ an dem am ** geborenen B* zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Jahr 2017,

2./ an dem am ** geborenen C* im Jänner und Februar 2017,

II./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Jahr 2017 Nachgenannte durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung zu nötigen versucht, und zwar

1./ B* durch die ihm gegenüber getätigte Äußerung, er werde ihn schlagen, wenn er von den zu I./1./ des Schuldspruchs genannten Tathandlungen erzähle,

2. C* durch die ihm gegenüber getätigte Äußerung, er solle niemandem von den zu I./2./ des Schuldspruchs genannten Tathandlungen erzählen, wobei er mit seiner Hand über seine Kehle strich.

Mit Urteil des Landesgerichts Steyr vom 4. Dezember 2024, Hv2*, wurde A* außerdem wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt.

Die strafrechtliche Unterbringung begann am 20. Juli 2017 und findet aktuell im forensisch-therapeutischen Zentrum D* statt.

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Vollzugsgericht - nach Einholung einer forensischen Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* (ON 4) und eines Gutachtens der Univ.-Prof. Dr. med. E* F* vom 14. Juli 2025 (ON 19) sowie nach Beischaffung der beiden letzten Einweisungsentscheidungen (konkret vom 26. September 2023 [BE2* des Landesgerichts Steyr] und vom 6. August 2024 [BE3* des Landesgerichts Steyr]) samt den dazu gehörigen Akten, der psychiatrischen Gutachten von Dr. G* vom 2. August 2021 und von DDr. H* vom 28. Juni 2023, weiters nach Anhörung des Untergebrachten (ON 21) - die Notwendigkeit der weiteren strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum fest (ON 24).

Die dagegen unmittelbar nach Beschlussverkündung - sohin fristgerecht - angemeldete (AS 2 in ON 21) und auch schriftlich ausgeführte (ON 28) Beschwerde ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorbeugende Maßnahmen sind gemäß § 25 Abs 1 StGB auf unbestimmte Zeit anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erfordert. Der Vollzug der Maßnahme dient dazu, dass sich die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegende Gefährlichkeit nicht realisiert, die Prognose sich demnach nicht erfüllt. Zu diesem Zweck wird der Rechtsbrecher angehalten und bei dieser Gelegenheit behandelt ( Ratzin WK² StGB § 47 Rz 6). Das Vollzugsgericht hat die Frage, ob der Zweck des Maßnahmenvollzugs erreicht wurde, die Gefährlichkeit also noch besteht, gemäß § 47 Abs 2 StGB nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen zu beurteilen.

Das Erstgericht hat in seiner Entscheidung den bisherigen Verfahrensablauf aktenkonform dargestellt, sodass auf die zutreffende Begründung dieses Beschlusses identifizierend verwiesen wird (RIS-Justiz RS0115236 [T 1], RS0124017 [insb T2]). Insbesondere kam es rechtsrichtig zum Schluss, dass die Notwendigkeit der weiteren strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 2 StGB noch besteht.

Dem Gutachten der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. E* F* zufolge leidet der Untergebrachte an einer sexuellen Präferenzstörung (i.S. einer homosexuellen Pädophilie, ICD-10: F65.4), an einer Zwangsstörung (ICD-10: F42.1) und einer leicht- bis mittelgradigen Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung (ICD-10: F70. 1). Diese Diagnose erweist sich – weil sie mit den vorangegangenen Expertisen der Sachverständigen DDr. H* (Gutachten vom 28. Juni 2023, Seite 26) und Dr. G* (Gutachten vom 2. August 2021, Seite 17), weiters aber auch mit den Feststellungen im einweisungsrelevanten Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 20. Juli 2017, Hv1* (Urteilsseite 7), in Einklang steht, als unbedenklich. Anhaltspunkte für entgegengesetzte Annahmen liegen nach dem Akteninhalt nicht vor.

Auch die Erwägungen des Erstgerichts zur Gefährlichkeitsprognose sind nicht zu beanstanden:

Die vom Vollzugsgericht beigezogene Gutachterin kam zusammengefasst zum Schluss, dass nach der Person des strafrechtlich Untergebrachten, nach dessen Zustand und nach Art der die Unterbringung begründenden Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten steht, dass der Betroffene bei Wegfall des aktuell vorherrschenden Settings der strafrechtlichen Unterbringung, unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störungen, in absehbarer Zeit (konkretisiert mit einer Zeitspanne von wenigen Monaten), mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werde, wobei als Prognosetaten (erneut) sexuelle Delinquenz mit schweren Folgen (im konkreten Fall somit Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB) in Betracht zu ziehen sind. Diese Befürchtung stützte die Gutachterin unter anderem nachvollziehbar auf die beim Betroffenen vorliegende Intelligenzminderung, verbunden mit einer bestehenden Triebhaftigkeit, auf die mangelnde Vorbereitung auf eine Betreuung außerhalb der Unterbringung und auf den Umstand, dass der Betroffene zuletzt (konkret am 4. Dezember 2024) wegen einer erst am 21. März 2024 begangenen gefährlichen Drohung verurteilt wurde (AS 31 in ON 19 iVm ON 5).

Nach der forensischen Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 18. April 2025 (ON 4) könne dem Betroffenen – trotz deutlicher Stabilisierung im Vollzugsverhalten und trotz Abnahme der zwischenmenschlichen Aggression - kein tiefergehendes Verständnis über den Zusammenhang seiner psychischen Störung mit dem Indexdelikt attestiert werden, wobei unter Bedachtnahme auf dessen kognitive Ressourcen auch zukünftig nur eine basale Krankheits- und Deliktseinsicht zu erwarten sei. Wegen dieser mangelnden Einsicht in das Indexdelikt haben therapeutische Maßnahmen im engeren Sinne bislang nicht durchgeführt werden können und fände aktuell „bloß“ eine Auseinandersetzung im Rahmen des „Case-Managements“ statt. Dementsprechend seien die Risikofaktoren zur Prävention neuerlicher Delikte nur durch engstrukturierte äußere Rahmenbedingungen zukünftig zu kompensieren. Laut der Einschätzung des forensisch-therapeutischen Zentrums sei im Falle einer bedingten Entlassung mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem relativ raschen Rückfall (innerhalb eines halben Jahres) in gewalttätiges oder sexuell-missbräuchliches Verhalten (analog den Einweisungsdelikten) zu rechnen.

In Anbetracht der erstellten Diagnosen, der Beurteilung der Sachverständigen Dr. F* zur Gefährlichkeit und der unbedenklichen forensischen Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 18. April 2025 (ON 4), ist die Einschätzung des Erstgerichts (dieses konnte sich zudem einen persönlichen Eindruck vom Untergebrachten [insbesondere über dessen aufbrausendes Verhalten während der Anhörung verschaffen, AS 2 in ON 21]), wonach mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten steht, dass der Betroffene - außerhalb von forensisch-therapeutischen Institutionen - unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung in absehbarer Zeit (vgl zur konkreten Ausgestaltung dieses Erfordernisses Haslwanter in Höpfel/Ratz,WK2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 4/1) Taten mit schweren Folgen (darunter auch neuerliche Sexualdelinquenz, analog den Anlasstaten) begehen werde, nicht zu beanstanden. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass (wie die Beschwerde ausführt) vereinzelte Werte aus den standardisierten Verfahren zur Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose ein mittleres Risiko abbilden und – insbesondere was den Bereich Deliktseinsicht sowie Therapie- und Kontaktbereitschaft betrifft – zuletzt eine Verbesserung im Gesamtverhalten des Untergebrachten beobachtet werden konnte (vgl dazu die Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* AS 11 ff in ON 4).

Mangels hinreichendem Therapieerfolgs und Erprobung des Empfangsraums kann die Gefährlichkeit aktuell nur intramural hintangehalten werden; eine Substituierbarkeit durch Wohnmöglichkeit in einer betreuten Einrichtung, Weisungen und bedingte Nachsicht der Maßnahme ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich (vgl AS 31 in ON 19).

Zu Recht hat das Erstgericht somit festgestellt, dass im vorliegenden Fall nach der Person des Beschwerdeführers, seiner Entwicklung und seinem Gesundheitszustand die Voraussetzungen für eine (weitere) strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.