I419 2301898-1/29E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Türkei, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 09.10.2024, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer beantragte internationalen Schutz. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend den Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie des subsidiäre Schutzberechtigten in Bezug auf die Türkei (Spruchpunkt II) als unbegründet ab, wobei es dem Beschwerdeführer keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ erteilte (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erließ (Spruchpunkt IV) sowie feststellte, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V), wobei die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, er befürchte, dass er in der Türkei aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit der Kurden diskriminiert, bedroht und verfolgt werden würde. Der Beschwerdeführer sei Mitglied der HDP und habe regelmäßig an Veranstaltungen der Partei teilgenommen. Bei Polizeikontrollen sei der Beschwerdeführer wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie seiner Parteimitgliedschaft immer wieder auf schikanöse Art und Weise kontrolliert worden. Darüber hinaus drohe dem Beschwerdeführer insbesondere aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht nur Verfolgung durch den türkischen Staat, sondern auch durch anti-kurdische Bevölkerungsgruppen, was asylrelevant sei, wenn der Staat nicht willens oder nicht in der Lage wäre, Schutz vor den Übergriffen dieser Akteure zu bieten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird festgestellt, wie eben in I. wiedergegeben. Ferner wird festgestellt:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Ende 20, Staatsangehöriger der Türkei, ledig, kinderlos, Kurde und schafiitischer Sunnit. Er beherrscht Türkisch in Wort und Schrift. Im Herkunftsstaat wurde er im Viertel XXXX im Stadtbezirk XXXX von XXXX in Südostanatolien geboren, wuchs dort auf, besuchte zwölf Jahre die Schule und studierte anschließend vier Jahre Bauingenieurwesen in XXXX . Zuletzt lebte er im Viertel XXXX von XXXX . Berufserfahrung sammelte er beim Praktikum im Straßenbau sowie als selbständiger Autohändler; schließlich leistete er sechs Monate lang seinen Wehrdienst.
Er gelangte im Frühjahr 2023 illegal nach Ungarn und ebenso Österreich, wo er am 14.04.2023 sogleich internationalen Schutz beantragte. Im folgenden Monat entzog er sich dem Verfahren, indem er das Quartier verließ, worauf er abgemeldet und das Verfahren eingestellt wurde. Nachdem er sich im August wieder im Quartier meldete und nach einer Unterkunft in der Landeshauptstadt erkundigte, wo er studieren wollte, setzte das BFA das Verfahren fort.
Der Beschwerdeführer ist gesund sowie arbeitsfähig und nimmt keine Medikamente. Ab 05.06.2024 betrieb er ein Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen bis 3,5 t. Am 07.11.2025 kehrte er mittels Unterstützung der BBU freiwillig per Flug nach XXXX zurück. Ein Ausreiseversuch am 28.05.2025 war gescheitert, da der Beschwerdeführer bei der Grenzkontrolle am Flughafen verhaftet worden war. Zwei Tage später wurde die Untersuchungshaft verhängt.
Das LG XXXX hat den Beschwerdeführer am 16.10.2025 zu 12 Monaten Freiheitsstrafe, acht davon bedingt nachgesehen, wegen des Vergehens der Veruntreuung verurteilt, weil dieser am 27.05.2025 zahlreiche Paketsendungen, die er abholte und liefern hätte sollen, im Wert von jedenfalls über € 5.000,-- an sich genommen und mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung behalten hatte, wobei die Unbescholtenheit und die Schadensgutmachung durch Sicherstellung und teils Rückstellung durch ihn mildernd wirkten, erschwerend dagegen kein Umstand. Den unbedingten Teil der Strafe hat er verbüßt.
Zuvor war er angezeigt worden, weil er als Speisenlieferant auffiel, ohne das genannte Gewerbe gemeldet oder eine Arbeitsbewilligung erhalten zu haben. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergehen der Nötigung und der gefährlichen Drohung nach einer Auseinandersetzung im Straßenverkehr am 05.07.2024 hatte die StA XXXX am 03.09.2024 eingestellt.
Seine Kernfamilie, der Vater ist Anfang 50 und Immobilienhändler, die vier Geschwister sind Mitte bis Ende 20, lebt weiter im Viertel XXXX in einer Mietwohnung. In der Südosttürkei leben ferner fünf Onkel und neun Tanten und zumindest ein Cousin, verteilt auf die Städte Diyarbakır XXXX und XXXX und XXXX , wobei die Männer berufstätig, einer davon Geschichtelehrer sowie zwei selbständig, und die Frauen Haufrauen sind.
Nach der Justizhaft hatte er noch bis 11.11.2025 eine Hauptwohnsitzbestätigung (Obdachlosenadresse), seither ist er hier nirgends mehr gemeldet. In Österreich sowie in anderen europäischen Ländern hat er weder Verwandte noch Bekannte, jedoch hat er in Österreich Freunde. Mit seiner Familie im Herkunftsstaat hatte er per Telefon täglichen Kontakt.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zur Türkei mit Stand 07.03.2024 zitiert. Derzeit steht ein am 06.08.2025 erschienenes zur Verfügung, das sich in den entscheidungswesentlichen Inhalten mit der im angefochtenen Bescheid zitierten Version deckt. Im gegebenen Zusammenhang sind davon die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Politische Lage:
Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist mit Präsident Erdoğan und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung - Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP) unzufrieden und nach deren erneutem Sieg bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai 2023 desillusioniert […]. Die Gesellschaft ist – maßgeblich aufgrund der von Präsident Erdoğan verfolgten spaltenden Identitätspolitik – stark polarisiert. (ÖB Ankara 4.2025, S. 4 f.; vgl. Migrationsverket 9.4.2024, S. 8f.).
1.2.2 Sicherheitslage:
Akteure der Sicherheitsbedrohung:
Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Gülen-Bewegung, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete [Anm.: nun aufgelöste] PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 20.5.2024, S. 4; vgl. USDOS 12.12.2024, Crisis 24 25.8.2023, EC 30.10.2024, S. 38) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, S. 16; vgl. USDOS 12.12.2024, Crisis 24 25.8.2023, EC 30.10.2024, S. 38). […]
Höhepunkt der Terroranschläge und bewaffneter Aufstände 2015-2017
Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtuluş Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SZ 29.6.2016; vgl. AJ 12.12.2016). […]
Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 2.2025, S. 323). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. - Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, S. 28). Im Frühjahr 2016 zeigte sich das Europäische Parlament „in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/ XXXX und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen [...] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind“ (EP 14.4.2016, S. 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz Şırnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022b). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). […]
Die Zahl der Todesopfer im PKK-Konflikt in der Türkei erreichte im Winter 2015-2016 ihren Höhepunkt. Zu dieser Zeit konzentrierte sich der Konflikt auf eine Reihe mehrheitlich kurdischer Stadtteile im Südosten der Türkei. In diesen Bezirken hatten PKK-nahe Jugendmilizen Barrikaden und Schützengräben errichtet, um die Kontrolle über das Gebiet zu erlangen. Die türkischen Sicherheitskräfte haben die Kontrolle über diese städtischen Zentren im Juni 2016 wiedererlangt. Seitdem ist die Zahl der Todesopfer allmählich zurückgegangen […]. (ICG 5.6.2025).
1.2.3 Sicherheitsbehörden:
Die Regierung (Exekutive) verfügt zwar weiterhin über weitreichende Befugnisse gegenüber den Sicherheitskräften, aber die zivile Aufsicht über die Sicherheitskräfte Sicherheitsorgane bleibt jedoch unvollständig. […] (EC 30.10.2024, S. 21). Bei der strafrechtlichen Verfolgung von Militärangehörigen und der obersten Kommandoebene werden weiterhin rechtliche Privilegien gewährt. Die Untersuchung mutmaßlicher militärischer Straftaten, die von Militärangehörigen begangen wurden, erfordert die vorherige Genehmigung entweder durch militärische oder zivile Vorgesetzte (EC 8.11.2023, S. 17). […]
Die Polizei und die Gendarmerie (türk.: Jandarma), die dem Innenministerium unterstellt sind, sind für die Sicherheit in städtischen Gebieten (Polizei) respektive in ländlichen und Grenzgebieten (Gendarmerie) zuständig (ÖB Ankara 4.2025, S. 21; vgl. USDOS 20.3.2023, S. 1). Die Gendarmerie ist für die öffentliche Ordnung in ländlichen Gebieten, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der Polizeikräfte fallen, sowie für die Gewährleistung der inneren Sicherheit und die allgemeine Grenzkontrolle zuständig. Die Verantwortung für die Gendarmerie wird jedoch in Kriegszeiten dem Verteidigungsministerium übergeben (BICC 2.2025, S. 18; vgl. ÖB Ankara 4.2025, S. 21, DFAT 16.5.2025, S. 39).
1.2.4 Opposition / Vorgehen gegen die DEM-Partei und ihre Vorgängerin HDP
Angesichts des Wiederaufflammens des Konflikts mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begannen 2016 Staatspräsident Erdoğan und seine Regierung der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) vermehrt die HDP zu bezichtigen, der verlängerte Arm der PKK zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt (NZZ 7.1.2016). Beispielsweise bezeichnete Erdoğan im November 2020 den inhaftierten Ex-Ko-Vorsitzenden, Selahattin Demirtaş, als Terroristen (TM 25.11.2020) und Anfang November 2021 als Marionette der PKK (Ahval 6.11.2021). Der damalige Innenminister Süleyman Soylu bezichtigte die HDP, dass sie ihre Parteibüros als Rekrutierungsstellen für die PKK nütze und mit dieser in stetem Kontakt stünde (DS 30.12.2019). Dazu beigetragen hat, dass sich Vertreter der HDP sowohl gegen das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte in den Kurdenregionen der Türkei als auch gegen die ersten militärischen Interventionen in Syrien geäußert hatten. Die Behörden leiteten infolgedessen Ermittlungen gegen HDP-Politiker ein und begannen, diese systematisch aus ihren politischen Ämtern zu entfernen (MEI/Koontz 3.2.2020). […]
Mehr als 15.000 HDP-Mitglieder wurden seit 2015 inhaftiert und etwa 5.000 befinden sich noch immer in Haft (Medya 3.7.2022; vgl. EC 8.11.2023, S. 14, AA 20.5.2024, S. 7), gemäß dem jüngsten Bericht der Europäischen Kommission sogar 8.000 (EC 30.10.2024, S. 19). […]
Vorgehen gegen einfache HDP- und DEM-Partei-Mitglieder und deren Familienmitglieder Familienangehörige
Eine Mitgliedschaft in der HDP allein ist kein Grund für die Einleitung strafrechtlicher Maßnahmen. Die Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen ist immer einzelfallabhängig (AA 20.5.2024, S. 7; vgl. MBZ 2.3.2022, S. 47). Faktoren, die zu negativer Aufmerksamkeit seitens der türkischen Behörden führen können, haben sich nicht geändert und gelten dementsprechend nach der Umbenennung der HDP auch für die DEM-Parteimitglieder und -Unterstützer: Posten, Teilen und Liken von DEM-freundlichen Beiträgen in sozialen Medien; Teilnahme an Demonstrationen (z. B. gegen die Einsetzung von Treuhändern); Abgabe von oder Teilnahme an Presseerklärungen; das Senden von Geld an inhaftierte Familienmitglieder (Letzteres kann als finanzielle Unterstützung der PKK angesehen werden). […] (MBZ 2.2025a, S. 64 f.)
Aktuelle Beispiele für Verhaftungen und Verurteilungen von HDP-Funktionären und einfachen HDP-Mitgliedern
Am Vorabend der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wurden am 25.4.2023, je nach Quelle, bis zu 150 Personen, darunter Dutzende HDP-Mitglieder und hochrangige Funktionäre wie die stellvertretende Ko-Vorsitzende Özlem Gündüz, verhaftet. Doch gingen die Behörden auch gegen Anwälte und Zeitungs- sowie Agenturjournalisten vor. Nach HDP-Angaben wurden in 21 Provinzen Razzien im Rahmen einer Untersuchung der Staatsanwaltschaft XXXX durchgeführt. Die Verhafteten wurden verdächtigt, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu finanzieren, z. B. aus dem Gemeindebudget, oder neue Mitglieder für diese anzuwerben (DW 25.4.2023; vgl. WZ 25.4.2023, HDP 25.4.2023, FAZ 25.4.2023). In einer Aussendung vom 5.5.2023 sprach die HDP davon, dass es am Vorabend zu den Parlamentswahlen innerhalb eines Monats zu mindestens 295 Festnahmen bzw. 61 Verhaftungen von HDP-Mitgliedern kam, darunter auch Funktionäre, wie des stellvertretenden HDP- Vorsitzenden der Provinz Urfa (bereits am 4.3.2023) oder der des Ko-Vorsitzenden des Distrikts Gebze, inklusive vier seiner Parteimitarbeiter (HDP 5.5.2023).
1.2.5 Ethnische Minderheiten:
Rechtslage und Rechtswirklichkeit
Die türkische Verfassung sieht nur eine einzige Nationalität für alle Bürger und Bürgerinnen vor. Sie erkennt keine nationalen oder ethnischen Minderheiten an, mit Ausnahme der drei, primär über die Religion definierten, nicht-muslimischen Gruppen, nämlich der Armenisch-Apostolischen und Griechisch-Orthodoxen Christen sowie der Juden (USDOS 22.4.2024, S.67; vgl. ÖB Ankara 4.2025, S. 30, 39) […].Andere nationale oder ethnische Minderheiten wie Jafari [zumeist schiitische Aseris], Jesiden, Kurden, Araber, Roma, Tscherkessen und Lasen dürfen ihre sprachlichen, religiösen und kulturellen Rechte nicht vollständig ausüben USDOS 22.4.2024, S. 67; vgl. ÖB Ankara 4.2025, S. 39). Allerdings wurden in den letzten Jahren Minderheiten in beschränktem Ausmaß kulturelle Rechte eingeräumt (ÖB Ankara 4.2025, S. 39). […] Staatsangehörige nicht-türkischer Volksgruppenzugehörigkeit sind keinen staatlichen Repressionen aufgrund ihrer Abstammung unterworfen. Ausweispapiere enthalten keine Aussage zur ethnischen Zugehörigkeit (ÖB Ankara 4.2025, S. 39). […]
Trotz der Tatsache, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Bürgerrechte haben und obwohl jegliche Diskriminierung aufgrund kultureller, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit geächtet ist, herrschen weitverbreitete negative Einstellungen gegenüber Minderheitengruppen. (BS 19.3.2024, S. 7, 17). Bis heute gibt es im Nationenverständnis der Türkei keinen Platz für eigenständige Minderheiten. Der Begriff „Minderheit“ (im Türkischen „azınlık“) ist negativ konnotiert. Diese Minderheiten wie Kurden, Aleviten und Armenier werden auch heute noch als „Spalter“, „Vaterlandsverräter“ und als Gefahr für die türkische Nation betrachtet. Mittlerweile ist sogar die Geschäftsordnung des türkischen Parlaments dahin gehend angepasst worden, dass die Verwendung der Begriffe „Kurdistan“, „kurdische Gebiete“ und „Völkermord an den Armeniern“ im Parlament verboten ist, mit einer hohen Geldstrafe geahndet wird und Abgeordnete dafür aus Sitzungen ausgeschlossen werden können (BPB 17.2.2018). Im Juni 2022 verurteilte das Europäische Parlament „die Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten, wozu auch das Verbot der gemäß der Verfassung der Türkei nicht als ‚Muttersprache‘ eingestuften Sprachen von Gruppen wie der kurdischen Gemeinschaft in der Bildung und in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zählt“ (EP 7.6.2022, S. 18, Pt. 30). […]
Überdies hat er hinsichtlich seiner Religion sowie Volksgruppenzugehörigkeit gegenüber anderen Menschen Aufklärungsarbeit geleistet, indem er mit den Menschen geredet sowie Bücher verteilt hat. Den Militärdienst hat er bis dato noch nicht abgeleistet.
Er bezieht zum Entscheidungszeitpunkt Leistungen von der Grundversorgung. Seit dem 06.03.2025 bis dato arbeitet der Beschwerdeführer bei der HK Gastronomie GmbH. Einen Deutschkurs sowie eine entsprechende Prüfung dazu hat er nicht besucht bzw. auch nicht abgelegt. In Österreich gestaltet er seinen Alltag dergestalt, dass er über die Geschichte sowie Kultur. In Österreich hat er einen Freund. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
Mit E-Mail vom 22.04.2025 teilte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf freiwillige Rückkehr in die Türkei zurückzieht.
Kurden
Demografie und Selbstdefinition
Die kurdische Volksgruppe hat laut Schätzungen zwischen 15 und 20 % Anteil an der Gesamtbevölkerung und lebt zum Großteil im Südosten des Landes sowie in den südlich und westlich gelegenen Großstädten Adana, Antalya, Gaziantep, Mersin, XXXX und Izmir (ÖB Ankara 4.2025, S. 39; vgl. MRG 2.2024, MBZ 31.8.2023, S. 47, UKHO 10.2023b, S. 6, DFAT 16.5.2025, S. 12). Traditionell konzentriert sich die kurdische Bevölkerung auf den Südosten Anatoliens, wo sie die größte ethnische Gruppe bilden, und auf den Nordosten Anatoliens, wo sie eine bedeutende Minderheit darstellen. […] (DFAT 16.5.2025, S. 12). […]
Die Kurden sind die größte ethnische Minderheit in der Türkei, jedoch liegen keine Angaben über deren genaue Größe vor. Dies ist auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen. - Erstens wird bei den türkischen Volkszählungen die ethnische Zugehörigkeit der Menschen nicht erfasst. Zweitens verheimlichen einige Kurden ihre ethnische Zugehörigkeit, da sie eine Diskriminierung aufgrund ihrer kurdischen Herkunft befürchten. Und drittens ist es nicht immer einfach zu bestimmen, wer zum kurdischen Teil der Bevölkerung gehört. So identifizieren sich Sprecher des Zazaki - einer Sprachvariante, die mit Kurmancî („Kurdisch“) verwandt ist - teils als Kurden und teils eben als eine völlig separate Bevölkerungsgruppe (MBZ 31.8.2023, S. 47).
Allgemeine Situation, politische Orientierung und Vertretung
Es gibt Hinweise auf anhaltende gesellschaftliche Diskriminierung von Kurden und zahlreiche Berichte über rassistische Übergriffe gegen Kurden. In einigen Fällen wurden diese Angriffe möglicherweise nicht ordnungsgemäß untersucht oder nicht als rassistisch anerkannt. (UKHO 10.2023b, S. 8f.; vgl. DFAT 16.5.2025, S. 12f.) […]
Unter den nicht im Südosten der Türkei lebenden Kurden, insbesondere den religiösen sunnitischen Kurden, gibt es viele […], welche die AKP […] wählen. Umgekehrt wählen vor allem in den Großstädten Ankara, XXXX und Izmir auch viele liberal bis links orientierte ethnische Türken die pro-kurdische DEM-Partei [Anm.: früher HDP] ÖB Ankara 4.2025, S. 39; vgl. MBZ 31.8.2023, S. 48). Im kurdisch geprägten Südosten besteht nach wie vor eine erhebliche Spaltung der Gesellschaft zwischen den religiösen konservativen und den säkularen linken Elementen der Bevölkerung. Als, wenn auch beschränkte, inner-kurdische Konkurrenz zur linken HDP besteht die islamistisch-konservative Partei der Freien Sache (Hür Dava Partisi - kurz: Hüda-Par), die für die Einführung der Scharia eintritt. Zwar tritt sie wie die HDP für die kurdische Autonomie und die Stärkung des Kurdischen im Bildungssystem ein, unterstützt jedoch politisch Staatspräsident Erdoğan, wie beispielsweise bei den Präsidentschaftswahlen 2018 (MBZ 31.10.2019). Die Unterstützung wiederholte sich auch angesichts der Präsidenten- und Parlamentswahlen im Frühjahr 2023. - Bei den Parlamentswahlen 2023 zogen vier Abgeordnete der Hüda-Par über die Liste der AKP ins türkische Parlament ein. Möglich war das durch einen umfangreichen Deal mit Präsident Erdoğan. Für die vier sicheren Listenplätze erhielt dieser die Unterstützung der Hüda-Par bei den gleichzeitig stattfindenden Präsidentschaftswahlen (FR 19.5.2023; vgl. Duvar 9.6.2023). Die Hüda-Par gilt beispielsweise nicht nur als Gegnerin der XXXX er Konvention, sondern generell der Frauenemanzipation. Die Frau ist für Hüda-Par in erster Linie Mutter. Die Partei möchte zudem außereheliche Beziehungen verbieten (FR 19.5.2023). Mit dem Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober 2023 stellte sich die Hüda-Par als Unterstützerin der HAMAS heraus, die in der EU, den USA und anderen Ländern, nicht jedoch in der Türkei, als Terrororganisation gilt. So empfing die Parlamentsfraktion der Hüda-Par bereits am 11.10.2023 eine Delegation der HAMAS im türkischen Parlament. Şehzade Demir, Abgeordneter der Hüda-Par, warf bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, Israel nicht nur Kriegsverbrechen vor, sondern erklärte, dass „das zionistische Regime der gesamten islamischen Gemeinschaft und unseren heiligen Werten den Krieg erklärt“ hätte (Duvar 12.10.2023). Zudem begrüßte Demir den HAMAS-Angriff vom 7.10.2023 und nannte Israel eine Terrororganisation, zu der alle diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen beendet werden sollten (FR 12.10.2023).
Das Verhältnis zwischen der HDP bzw. der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Hüda-Par ist feindselig. Im Oktober 2014 kam es während der Kobanê-Proteste letztmalig zu Gewalttätigkeiten zwischen PKK-Sympathisanten und Anhängern der Hüda-Par, wobei Dutzende von Menschen getötet wurden (MBZ 31.10.2019; vgl. AI 7.7.2015, S. 5).
Religiöse und weltanschauliche Orientierung
In religiöser Hinsicht sind die Kurden in der Türkei nicht einheitlich. Nach einer Schätzung sind siebzig Prozent der Kurden Sunniten, die restlichen dreißig Prozent sind Aleviten und Jesiden [eine verschwindend geringe Zahl] (MBZ 31.8.2023, S. 48; vgl. MRG 6.2018c MRG 2.2024). Die sunnitische Mehrheit unter den Kurden gehört allerdings in der Regel der Shafi'i-Schule an und nicht der Hanafi-Schule wie die meisten ethnischen Türken. Die türkischen Religionsbehörden betrachten beide Schulen als gleichwertig, und Anhänger der Shafi'i-Schule werden aus religiösen Gründen nicht unterschiedlich behandelt. (DFAT 16.5.2025, S. 12)
1.2.6 Behandlung nach Rückkehr
Die türkischen Behörden unterhalten eine Reihe von Datenbanken, die Informationen für Einwanderungs- und Strafverfolgungsbeamte bereitstellen. Das „Allgemeine Informationssammlungssystem“, das Informationen über Haftbefehle, frühere Verhaftungen, Reisebeschränkungen, Wehrdienstaufzeichnungen und den Steuerstatus liefert, ist in den meisten Flug- und Seehäfen des Landes verfügbar. Ein separates Grenzkontroll-Informationssystem, das von der Polizei genutzt wird, sammelt Informationen über frühere Ankünfte und Abreisen. Das Direktorat, zuständig für die Registrierung von Justizakten, führt Aufzeichnungen über bereits verbüßte Strafen. Das „Zentrale Melderegistersystem“ (MERNIS) verwaltet Informationen über den Personenstand (DFAT 16.5.2025, S. 41).
Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht oder ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Im anschließenden Verhör durch einen Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten wird der Festgenommene mit den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen konfrontiert. In der Regel wird ein Anwalt hinzugezogen. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter. Bei der Befragung durch den Richter ist der Anwalt ebenfalls anwesend. Wenn aufgrund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise ebenfalls festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt (AA 24.8.2020, S. 27; vgl. UKHO 10.2019a, S. 49). […]
Abgeschobene türkische Staatsangehörige werden von der Türkei rückübernommen. Das Verfahren ist jedoch oft langwierig (ÖB Ankara 4.2025, S. 55). Probleme von Rückkehrern infolge einer Asylantragstellung im Ausland sind nicht bekannt (DFAT 16.5.2025, S. 42; vgl. ÖB Ankara 4.2025, S. 55). Eine Abfrage im Zentralen Personenstandsregister ist verpflichtend vorgeschrieben, insbesondere bei Rückübernahmen von türkischen Staatsangehörigen. Nach Artikel 23 der türkischen Verfassung bzw. § 3 des türkischen Passgesetzes ist die Türkei zur Rückübernahme türkischer Staatsangehöriger verpflichtet, wenn zweifelsfrei der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit vorliegt. Drittstaatenangehörige werden gemäß ICAO-[International Civil Aviation Organization] Praktiken rückübernommen. […] (ÖB Ankara 4.2025, S.62). Die ausgefeilten Informationsdatenbanken der Türkei bedeuten, dass abgelehnte Asylbewerber wahrscheinlich die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich ziehen, wenn sie eine Vorstrafe haben oder Mitglied einer Gruppe von besonderem Interesse sind, einschließlich der Gülen-Bewegung, kurdischer oder oppositioneller politischer Aktivisten, oder sie Menschenrechtsaktivisten, Wehrdienstverweigerer oder Deserteure sind (DFAT 16.5.2025, S. 42; vgl. MBZ 18.3.2021, S. 71). Anzumerken ist, dass die Türkei keine gesetzlichen Bestimmungen hat, die es zu einem Straftatbestand machen, im Ausland Asyl zu beantragen (MBZ 18.3.2021, S. 71). […]
Eine Reihe von Vereinen (oft von Rückkehrern selbst gegründet) bieten spezielle Programme an, die Rückkehrern bei diversen Fragen wie etwa der Wohnungssuche, Versorgung etc. unterstützen sollen. Zu diesen Vereinen gehören unter anderem:
Rückkehrer Stammtisch XXXX , Frau Çiğdem Akkaya, LinkTurkey, E-Mail: info@link-turkey.com
Die Brücke, Frau Christine Senol, Email: http://bruecke- XXXX .com/
TAKID, Deutsch-Türkischer Verein für kulturelle Zusammenarbeit, ÇUKUROVA/ADANA, E-Mail: almankulturadana@yahoo.de, www.takid.org (ÖB Ankara 4.2025, S. 56). […]
1.3 Zum Fluchtvorbringen:
1.3.1 Erstbefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe das Land verlassen, weil er HDP-Mitglied sei. Weil er Kurde sei, habe er Probleme bekommen. Nationalisten hätten sein Auto beschädigt. Die Polizei helfe ihm nicht, weil er Kurde sei. Sie hätte ihn auch geschlagen, weil er beim Newroz-Fest gewesen sei. Bei einer Rückkehr hätte er Angst um sein Leben.
1.3.2 Gut 15 Monate darauf vom BFA einvernommen, erklärte er, schon als Kind sei er von 2010 bis 2015 mit dem Großvater zum Haus der HDP gegangen, dann habe er dies nach dem Studium ab Mitte 2022 wieder getan, etwa ein- bis zweimal monatlich, um zuzuhören, was dort besprochen werde, und um anwesend zu sein, sowie nach seinem Beitritt im ersten Halbjahr 2023 auch deshalb, um monatlich seinen Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Er sei nur einfaches Mitglied gewesen und habe keine Aufgaben gehabt.
Die Polizei habe ihn gefragt, warum er Mitglied geworden sei, und unter Druck gesetzt, es nicht mehr zu sein, die Verbindung zur HDP zu beenden und sie nicht mehr zu unterstützen. Bei Verkehrskontrollen hätten sie immer stundenlang ihn und sein Auto durchsucht. Seine Sprache sei verboten und er könne nicht frei Kurdisch sprechen. Bei Newroz Veranstaltungen habe die Polizei Pfefferspray, Wasserwerfer und Schlagstöcke eingesetzt sowie Gewalt angewendet. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Die Polizei hätte ihn „ständig mit dem Tode bedroht“
Es gäbe in der Türkei kein anhängiges Verfahren gegen ihn, wenn man ihn aber töte, würde keiner zur Verantwortung gezogen werden. Die Bedrohungen könnten in die Tat umgesetzt werden, und im schlimmsten Fall würde er wie die anderen Kurden ins Gefängnis kommen.
1.3.3 In der Beschwerde wird vorgebracht, er befürchte, dass er in der Türkei aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit diskriminiert, bedroht und verfolgt würde. Der Beschwerdeführer habe die Türkei daher aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch die türkischen Behörden aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit zu den Kurden verlassen. Er sei Mitglied der HDP und habe regelmäßig an Veranstaltungen teilgenommen. Darüber hinaus drohe dem Beschwerdeführer insbesondere aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht nur Verfolgung durch den türkischen Staat und seine Behörden, sondern auch durch anti-kurdische Bevölkerungsgruppen.
1.3.4 Der Beschwerdeführer war ein einfaches Mitglied der HDP. Er hat den Herkunftsstaat aus nicht asylrelevanten Gründen verlassen und hielt sich aus nicht asylrelevanten Gründen außerhalb des Herkunftsstaates auf. Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er aufgrund seiner HDP-Mitgliedschaft vom türkischen Staat oder von Privatpersonen verfolgt wurde oder wird.
1.3.5 Ihm drohte im Herkunftsstaat keine Verfolgung durch den türkischen Staat aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder – auch nur unterstellten – politischen Gesinnung. Es ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine solche Verfolgung zu fürchten hätte.
1.3.6 Der Beschwerdeführer erstattet auch in der Beschwerde kein substantiiertes Vorbringen über eine ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.
1.3.7 Eine in die Türkei zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es besteht keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des Gerichtsaktes, ebenso die Feststellungen, soweit nicht unten eigens darauf eingegangen wird. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-Web wurden ergänzend eingeholt.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Herkunft, seiner Volkszugehörigkeit, seine Ableistung des Militärdienstes, seinen Familienverhältnissen, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Schulausbildung, seiner Berufserfahrung, sein Kontakt zu seiner in der Türkei lebenden Familie sowie seine Ausreise gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers. Seine Identität kann dem Personalausweis entnommen werden, dessen Echtheit in Österreich geprüft und bestätigt wurde.
2.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat entstammen dem Länderinformationsblatt samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Bericht stützt sich auf Angaben verschiedener ausländischer Behörden, etwa die Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, und auch von internationalen Organisationen, wie z.B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesicht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Das BFA räumte dem Beschwerdeführer eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen ein (AS 151). Dieser verzichtete darauf und gab an, dass er die Lage gut kenne.
Die Beschwerde zitiert aus einem Bericht von Amnesty International vom Oktober 2016, einem „Standard“-Artikel von 15.02.2021 (www.derstandard.at/story/2000124178508/tuerkische-menschenrechtsanwaeltin-eren-keskin-zu-langer-haft-verurteilt), Berichten der SFH von 2016 bis 2018 sowie weiteren Quellen, die vor dem vom BFA verwendeten Länderinformationsblatt erschienen waren. Damit tritt sie den Feststellungen des BFA nicht substantiiert entgegen.
2.3 Zum Fluchtvorbringen:
2.3.1 Dem Beschwerdeführer ist es, wie das BFA bereits aufzeigte (S. 142 ff / AS 461 ff), nicht gelungen, ein substantiiertes und glaubhaftes Vorbringen hinsichtlich einer individuellen Verfolgung oder Bedrohung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder der HDP-Mitgliedschaft darzulegen.
Wie das BFA richtig aufzeigt, stammt der Beschwerdeführer aus einem mehrheitlich kurdischen Umfeld, konnte die Reifeprüfung ablegen, ein Studium abschließen und erfolgreich als Autohändler arbeiten. Es liegen (auch weiterhin) keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Kurden in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Überdies wurde festgehalten, dass seine Kernfamilie nach wie vor in der Heimatregion unbehelligt lebt.
2.3.2 Dem BFA ist auch zuzustimmen (S. 144 / AS. 465), dass beim Beschwerdeführer keine staatliche Verfolgung aufgrund einer politischen Tätigkeit für die HDP vorliegt. Dieser gab selbst an, keine Funktion innegehabt zu haben; er sei ein einfaches Mitglied gewesen und habe jeden Monat nur den Mitgliedsbeitrag gezahlt. Zutreffend ist daher, dass sich aus den Schilderungen keine exponierte politische Funktion innerhalb der HDP ergibt. Zutreffend ist demnach auch, dass – wie die Länderfeststellungen ergeben – auch die alleinige Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der HDP kein Grund für Maßnahmen ist.
2.3.3 Damit sind die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch das BFA nicht zu beanstanden, sodass sich das Gericht der Beweiswürdigung anschließt. Der Beschwerdeführer hat somit auch im Beschwerdeverfahren kein glaubhaftes Vorbringen von Asylrelevanz erstattet. Naturgemäß erschüttert auch die freiwillige Ausreise nicht die Beweiswürdigung des BFA.
Es liegen somit keine Hinweise auf eine Verfolgung vor, die er dort deswegen oder sonst aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung von staatlichen Behörden oder von einer Privatperson erlitten oder zu befürchten hätte.
2.3.6 Die Feststellungen in 1.3.7 ergeben sich aus den Länderfeststellungen in Zusammenschau mit denen zur Person des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):
3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
3.1.2 Im Sinne des Art. 1 Abs. A Z. 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Einem Antragsteller muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH 03.10.2023, Ra 2023/14/0071)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der laut GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074, mwN)
3.1.3 Als Verfolgung gilt nach § 2 Abs. 1 Z. 11 AsylG 2005 jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Status-RL. Nach Art. 9 Abs. 1 lit. b Status-RL kann eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise wie der in Art. 9 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie beschriebenen betroffen ist („aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend [...] dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der [...], von denen [...] keine Abweichung zulässig ist“). Ein solcher Schweregrad ist insbesondere dann als erreicht anzusehen, wenn mehrere Verletzungen von Rechten in ihrer Gesamtheit, die nicht zwangsläufig Rechte darstellen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden darf, die uneingeschränkte Wahrung der in Art. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verankerten Menschenwürde beeinträchtigen (Art. 1 GRC lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“), die die Status-RL, wie sich aus ihrem 16. Erwägungsgrund ergibt, ausdrücklich gewährleisten soll. (VwGH 23.10.2024, Ra 2021/20/0425, Rz. 27 f, mwN)
3.1.4 In den vorliegend behaupteten Reaktionen staatlicher Organe auf die kurdische Volksgruppenzugehörigkeit und die Parteimitgliedschaft kann ein derart gravierendes Einwirken nicht erkannt werden. Insbesondere sind den gegenüber dem Beschwerdeführer behauptetermaßen erfolgten Befragungen und Aufforderungen zum Parteiaustritt keine weiteren Handlungen gefolgt. Er konnte auch außer den behaupteten Übergriffen der Polizei bei den Kundgebungen wie der Newroz-Feier nichts berichten, was als konkret gegen ihn gerichtete Repressalie zu verstehen wäre.
3.1.5 Insofern ist die vorgebrachte Furcht, er werde künftig bedroht und verfolgt werden, auch nicht als wohlbegründete anzusehen.
3.1.6 Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, sind ebenso wie persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der GFK. Da im Verfahren auch sonst keine Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers hervorgekommen sind, ist davon auszugehen, dass ihm keine Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen droht.
3.1.7 Den Feststellungen zufolge ist es also nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):
3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.
3.2.2 Angesichts der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Gesundheit und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hegt das Gericht betreffend die Rückkehrsituation keine derartigen Bedenken. Der Beschwerdeführer arbeitete in seinem Herkunftsstaat zuletzt als Autohändler und seine Arbeitskraft als Basis der damit erzielten Einnahmen sowie seine Orts-, Branchen- und Sprachkenntnisse sind nach wie vor intakt. Daraus folgt, dass es ihm möglich ist, im Herkunftsstaat eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Verdacht auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
3.2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 24.09.2024, Ra 2024/20/0469, Rz 21, mwN). Nach den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten wird, insbesondere vor dem Hintergrund seiner jahrelangen Sozialisierung und Erwerbstätigkeit und der familiären Kontakte.
3.2.4 Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.
3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III):
3.3.1 Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht erteilt werde.
Nach § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz in drei Fallkonstellationen zu erteilen, nämlich (jeweils unter weiteren Voraussetzungen) nach mindestens einem Jahr der Duldung (Z. 1), zur Sicherung der Strafverfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen und zur Geltendmachung oder Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit solchen Handlungen (Z. 2) sowie bei Gewaltopfern, die glaubhaft machen, dass die Erteilung dieser Aufenthaltsberechtigung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z. 3).
3.3.2 Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
3.3.3 Der Spruchpunkt III war demnach ebenfalls als zu Recht ergangen zu bestätigen und die Beschwerde dagegen als unbegründet abzuweisen.
3.4 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV):
3.4.1 Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch dessen eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.
Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten privaten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- und Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, sowie die Bindungen zum Heimatstaat. (VwGH 22.06.2020, Ra 2019/19/0539, mwN)
3.4.2 Eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.
Der Beschwerdeführer hatte kein Familienleben und von seinem Asylverfahren abgesehen kaum weitere, nach der kurzen vergangenen Zeit auch nur wenig gewichtige Interessen am Verbleib im Bundesgebiet. Zu diesen gehörte die Pflege seines Freundeskreises sowie die berufliche Tätigkeit.
Stark relativiert wird allerdings die Bedeutung der privaten Anknüpfungen im Bundesgebiet durch die Delinquenz des Beschwerdeführers, die ihm durch das Ausnutzen seiner beruflichen Tätigkeit möglich wurde und einen gravierenden Grund für die Anordnung seiner Rückkehr bildet.
Auch das Gewicht der Aufenthaltsdauer relativiert sich, da der Beschwerdeführer zunächst illegal einreiste, dann einen unbegründeten Asylantrag stellte und sich schließlich auch noch – wenngleich nur temporär – dem Verfahren entzog. Mit einem Fortdauern des vorübergehenden Aufenthaltsrechtes durfte er zu keiner Zeit rechnen; dieses ist auch seit der Verhängung der Untersuchungshaft erloschen, sodass der Aufenthalt seither auch unrechtmäßig war.
3.4.3 Im Herkunftsstaat, wo er aufwuchs und bisher fast sein ganzes Leben verbrachte, rund 25 Jahre, hat der Beschwerdeführer zudem den Feststellungen zufolge familiäre, kulturelle und andere soziale Anknüpfungspunkte, z. B. in der Autobranche als Autohändler, beherrscht die Landessprache und hielt sich jedenfalls noch Anfang 2023 dort auf. Er kann aufgrund seines Alters sowie seiner Arbeitsfähigkeit und -erfahrung legale Erwerbsmöglichkeiten ergreifen und hat dort Familienangehörige. Ferner hat er einen Schulabschluss und die Berufserfahrung im Herkunftsstaat erworben. Somit wird er im Falle seiner Rückkehr, selbst wenn es sich nicht immer um die gewünschte Branche handeln sollte, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten können.
Diese Umstände sprechen für eine Rückkehrentscheidung, dazu das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten und daran, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind, auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
3.4.4 Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, welche die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf ein Privat- oder Familienleben berufen könnte. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen zudem das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung des Melde- und des Fremdenwesens und des geregelten Arbeitsmarktes gegenüber. Diesen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Im Fall des Beschwerdeführers ist nämlich – auch wenn keine Bestrafung ersichtlich ist – die Missachtung des Meldegesetzes ebenso zu berücksichtigen wie die zunächst illegale Erwerbstätigkeit.
3.4.5 Es liegen keine sonstigen Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt daher, dass ein Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.
3.4.6 Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht als im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG unzulässig angesehen werden. Die Beschwerde dagegen erweist sich somit als unbegründet.
3.5 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V):
3.5.1 Mit dem angefochtenen Bescheid wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig ist. Dabei entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Prüfungsmaßstab nach § 50 Abs. 1 FPG mit jenem nach § 8 Abs 1 AsylG2005 übereinstimmt und ein inhaltliches „Auseinanderfallen“ der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG andererseits - jedenfalls auf Basis des nationalen Rechts - ausgeschlossen ist. (VwGH 26.01.2024, 2023/18/0493, Rz. 13, mwN)
3.5.2 Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
3.5.3 Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
3.5.4 Der Beschwerdeführer wird nach den Feststellungen aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in der Türkei zumindest notdürftig leben zu können. Er ist dort aufgewachsen und hat lange Zeit zumindest auch mit seinen Angehörigen und anderen Landsleuten verbracht. Er spricht Kurdisch und Türkisch, hat sowohl die Schulausbildung als auch sein Bauingenieur-Studium im Herkunftsstaat absolviert und dort Arbeitserfahrung gesammelt. So kann er vorhandene Sozialkontakte auffrischen und neue knüpfen, selbst wenn sich seine Verwandten wider Erwarten nicht um ihn kümmern sollten.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
3.5.5 Zudem besteht in der Türkei nach den Feststellungen keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in der Türkei das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet.
Eine der Abschiebung in die Türkei entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet. Die Beschwerde war daher auch betreffend den Spruchpunkt V abzuweisen.
3.6 Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI):
3.6.1 Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Die Frist für die freiwillige Ausreise nach einer Rückkehrentscheidung beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
3.6.2 Derartige Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Das BFA hat damit zu Recht in Spruchpunkt VI die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.
Die Beschwerde dagegen erweist sich demnach auch zu diesem Spruchpunkt als unbegründet und deshalb abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Fluchtgründen, zu asylrelevantem Vorbringen und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) vor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.
Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass im Beschwerdeverfahren bis zur kürzlich erfolgten freiwilligen Rückkehr des Beschwerdeführers keine Änderungen vorgebracht wurden - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.
Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist. (Vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0001; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422, mwN)
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
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