IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Marianne WEBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Indien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen – BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2025, Zl. 1419225201-241823449, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.11.2024 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.11.2024 gab der Beschwerdeführer an, an keinerlei Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden zu leiden und der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter und seine beiden Brüder lebten in Indien.
Befragt zu seinem Reiseweg, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er habe im Oktober 2023 den Entschluss gefasst, sein Herkunftsland zu verlassen. Sein Reiseziel (Zielland) sei England gewesen, weil seine Tante dort wohne. Er habe seinen Herkunftsstaat am 28.10.2024 unter Verwendung seines Reisepasses per Flugzeug nach Russland verlassen und sei über ihm unbekannte Länder nach Österreich gelangt.
Als Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer an, er habe an Bauernprotesten teilgenommen und sei Mitglied der „Punjab-Partei“ geworden. Als die Bauernproteste geendet hätten, habe ihn die Polizei überall gesucht und ihn grundlos inhaftiert. Es habe keine Anzeige gegen den Beschwerdeführer gegeben, dennoch habe ihn die Polizei immer wieder mitgenommen, geschlagen und Gewalt gegen ihn ausgeübt. Sie hätten ihn aufgefordert, die Partei zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe dies jedoch nicht gewollt, weil er ein Anhänger der „Khalistan“ sei. Als die Partei „BJP“ die Macht übernommen habe, habe ihm die Polizei das Leben noch weiter erschwert, in seinem Herkunftsstaat habe es keine Sicherheit für ihn mehr gegeben. Bei einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass er umgebracht werde.
2. Am 15.01.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Punjabi zunächst zu Protokoll, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen. In Indien lebten – abgesehen von seiner Mutter und seinen beiden Brüdern, die als Landarbeiter arbeiteten und eigenes sowie gepachtetes Land besäßen – noch zwei Onkel väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er gemeinsam mit anderen Personen gegen ein Gesetz der Regierungspartei „BJP“ protestiert habe. Er habe an vielen Versammlungen der Bauern teilgenommen. Er sei von der Polizei geschlagen und „auch“ am 07.10.2019 mitgenommen worden. Er sei Mitglied eines Bauernvereins gewesen. Die Polizei habe eine Liste gehabt, auf der gestanden sei, dass der Beschwerdeführer Mitglied des Vereins sei. Die gegnerischen Parteien hätten gewollt, dass „die Personen“ vorgeladen und vorstellig gemacht werden, deswegen sei die Polizei immer hinter dem Beschwerdeführer her gewesen. Im November 2023 habe die Polizei den Beschwerdeführer mitgenommen, der Dorfvorsitzende habe ihn dann freibekommen. Ende des Jahres 2023 habe er sich wieder an Protesten in Delhi beteiligt. Bei einer Rückkehr habe er Angst davor, dass ihn die Polizei neuerlich belästigen könnte.
Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, legte der Beschwerdeführer dar, er habe in Österreich keine Verwandten. Es bestehe auch kein Abhängigkeitsverhältnis und auch kein enges Verhältnis zu Personen in Österreich. Zu seiner Tante väterlicherseits, die in England lebe, habe er keinen Kontakt. Er wohne bei der Schwester eines Freundes seines Bruders.
3. Mit Verfahrensordnung vom 15.01.2025 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer darüber, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz im Zulassungsverfahren vollinhaltlich abzuweisen.
4. Am 29.01.2025 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Darin führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er zu den Länderinformationen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Indien (Version 8, Stand 28.11.2023), die ihm bereits in der letzten niederschriftlichen Einvernahme ausgefolgt worden seien, keine Stellungnahme abgeben wolle. Seine Angaben in der letzten Einvernahme seien richtig und habe er nichts hinzuzufügen.
5. Am 12.02.2025 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen indischen Personalausweis („ID-Card“). Auf diesem befindet sich ein Bild des Beschwerdeführers, sein Name „ XXXX “ und das Geburtsdatum „ XXXX “.
6. Mit Schreiben vom 16.04.2025 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abzuweisen. Dem Beschwerdeführer wurden die aktualisierten Länderinformationen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Indien (Version 9, Stand 14.04.2025) übermittelt und ihm die Möglichkeit gegeben, dazu binnen zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer wurde darüber informiert, dass er einer Meldeverpflichtung unterliege und eine Abwesenheit von mehr als 48 Stunden von der Betreuungseinrichtung als Verletzung dieser Meldeverpflichtung gelte.
Der Beschwerdeführer bestätigte am 20.04.2025 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Übernahme des Schreibens.
7. Mit Schreiben vom 05.05.2025 teilte eine Landespolizeidirektion dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Beschwerdeführer und ein weiterer indischer Staatsangehöriger mit einem Reisezug (Venedig-Wien) in das Bundesgebiet eingereist seien und sich gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit Verfahrenskarten gemäß § 50 AsylG 2005 ausgewiesen hätten.
8. Mit Bescheid vom 27.05.2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.)
Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen aufgrund seiner widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Schilderungen nicht glaubhaft machen habe können.
Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Indien in eine existenzbedrohende Lage geriete. Er sei gesund, arbeitsfähig und in der Lage, sich den notwendigen Lebensunterhalt zu sichern. In seinem Herkunftsland lebten noch seine Mutter und seine beiden Brüder, die ihn unterstützen könnten und bei denen er Unterkunft nehmen könne.
Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise ergebe sich aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 55 FPG.
9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 30.06.2025 binnen offener Frist die vorliegende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht vollständig erhoben habe, wesentliche Aspekte des Parteienvorbringens nicht berücksichtigt worden seien und eine Plausibilitätskontrolle des Vorbringens des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund aktueller und ausgewogener Länderberichte unterblieben sei. Aufgrund seiner politischen Überzeugung, als „von den politischen Maßnahmen des Staates betroffener Landwirt“ und als „von der hinduistischen Zentralregierung benachteiligter Angehöriger der Sikh-Volksgruppe“ könne die Regierung dem Beschwerdeführer leicht eine oppositionelle Gesinnung unterstellen. Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sikhs würden in Indien schwerwiegende Diskriminierung erfahren, insbesondere jene, die sich für eine Unabhängigkeit des Bundesstaats Punjab einsetzten und die „Khalistan-Bewegung“ unterstützten oder sich in sonstiger Form politisch betätigten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liege nicht vor, weil der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr vom indischen Staat verfolgt werde und die indische Regierung die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet Indiens habe. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. In der Beschwerde sei der Beweiswürdigung der belangten Behörde substantiiert entgegengetreten und die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens aufgezeigt worden.
10. Am 05.06.2025 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer ein.
11. Am 02.07.2025 wurde die Beschwerde inklusive des mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Indien. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Sikhismus. Seine Muttersprache ist Punjabi, er beherrscht diese in Wort und Schrift.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er stammt aus XXXX im Bundesstaat Punjab, besuchte in Indien zehn Jahre die Grundschule und arbeitete vor seiner Ausreise in der elterlichen Landwirtschaft. Mit seiner Tätigkeit konnte er seinen Lebensunterhalt bestreiten. In Indien leben die Mutter und die beiden Brüder des Beschwerdeführers, zu diesen hat er Kontakt. Der Beschwerdeführer hat noch weitere Verwandte in seinem Herkunftsstaat.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer war bei seiner Ausreise im Besitz eines indischen Reisepasses. Er reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.11.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er verfügt seit 04.08.2025 über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer hat im österreichischen Bundesgebiet oder in Europa keine Familienangehörigen; er verfügt auch sonst über keine intensiven sozialen Bindungen in Österreich. Es konnten insgesamt keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht (in Österreich) festgestellt werden.
1.2. Zu den Fluchtgründen und einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat weder aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikhs noch aufgrund einer Teilnahme an Bauernprotesten noch sonst eine (asylrelevante) Verfolgung.
Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.
Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Indien nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten und es wäre ihm auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen.
1.3. Zur für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Situation in Indien:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Indien (Version 9, Stand 14.04.2025):
POLITISCHE LAGE
Die 1950 (2 ½ Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit) in Kraft getretene Verfassung Indiens basiert auf der westlich-liberalen Staatstradition. Indien ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem (ÖB New Delhi 7.2023) und mit einer traditionell etablierten Demokratie (BS 19.3.2024). Andere Quellen stufen Indien dagegen als eine nur teilweise freie (FH 2025a) Wahlautokratie ein (UNIG-VDI 3.2025; vgl. Atlantic 26.4.2024). Neben den großen nationalen Parteien, dem Kongress (in ihren Wurzeln eine sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), der Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien, gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung akzeptiert den indischen Nationalstaat als legitim. Nur in einigen Gebieten, insbesondere in Zentralindien, im Nordosten und im Kaschmirtal, wird die Legitimität des Nationalstaates durch Rebellenorganisationen infrage gestellt. Der Staat behält in diesen Regionen die Kontrolle mithilfe von Gesetzen, die den Streitkräften in Konfliktgebieten besondere Befugnisse einräumen, sowie Gesetzen zur Eindämmung illegaler Aktivitäten und zum Verbot illegaler und terroristischer Organisationen (BS 19.3.2024). Die Wahlen und Auswahlverfahren der Exekutive gelten im Allgemeinen als frei und fair (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024). Selbst unter armen und analphabetischen Bevölkerungsgruppen ist die Wahlbeteiligung hoch (BS 19.3.2024). Gemäß der indischen Verfassung ist der Staat säkular. Formal sind weder die Rechtsordnung noch die politischen Institutionen durch religiöse Dogmen definiert oder abgeleitet. Eine Ausnahme bildet das Familienrecht, das hinduistische, muslimische und christliche Bestimmungen umfasst (BS 19.3.2024).
Staatsstruktur (Exekutive und Legislative)
Die föderal strukturierte Republik besteht (nach der Abschaffung der Autonomie von Jammu, Kaschmir und Ladakh und deren Teilung in zwei Unionsterritorien im Jahr 2019) aus 28 Unionsstaaten (auch Bundes- oder Regionalstaaten genannt) und acht direkt von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien. Das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative (Parlament) und einer unabhängigen Justiz ist in der Verfassung verankert (ÖB New Delhi 7.2023) und folgt britischem Muster (AA 5.6.2023). Oberhaupt der Indischen Union ist der Staatspräsident, der von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt wird und großteils Repräsentativfunktionen wahrnimmt (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. FH 2025a). Zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee, wenngleich der Premierminister über die exekutive Gewalt verfügt (KAS 7.2022). Im Juli 2022 wählten die Gesetzgeber Draupadi Murmu, die von der BJP unterstützte Kandidatin und ehemalige Gouverneurin von Jharkhand, als zweite Frau und erstes Mitglied einer indigenen Minderheit Indiens, zur Präsidentin (FH 2025a, vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Zu seinen legislativen Befugnissen gehören, u. a. die Auflösung oder Einberufung des Parlaments, und zu seinen exekutiven Befugnissen, die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird (KAS 7.2022).
Die Exekutivgewalt wird durch den Premierminister ausgeübt, in der Regel dem Vorsitzenden der Mehrheitspartei in der Lok Sabha (Haus des Volkes [Anm.: Unterhaus]), und einem vom Premierminister nominierten Ministerkabinett. Sie werden vom Präsidenten ernannt und sind gegenüber der Lok Sabha verantwortlich (FH 2025a). Bei den nationalen Wahlen 2024 konnte die BJP nur mehr 240 Sitze für sich gewinnen und verlor damit die absolute Mehrheit (FH 2025a; vgl. Böll 12.6.2024) von zuvor 272 Sitzen (Wahl 2019) (Böll 12.6.2024). Die von der BJP geführte National Democratic Alliance (NDA) gewann jedoch mit 293 (FH 2025a) bis 294 Sitzen die Mehrheit (Böll 12.6.2024), so dass Modi im Juni eine dritte Amtszeit als Premierminister antreten konnte (FH 2025a). Die oppositionelle INDIA-Allianz, angeführt von der Kongresspartei der Gandhi-Dynastie, konnte ihr Ergebnis gegenüber den letzten Wahlen deutlich steigern und 232 Sitze erringen (BAMF 10.6.2024; vgl. Böll 12.6.2024, FH 2025a). Modis Koalitionsregierung hängt nun weitgehend von zwei wichtigen regionalen Verbündeten, der Telugu Desam Partei im südlichen Bundesstaat Andhra Pradesh und der Janata Dal (United) im östlichen Bundesstaat Bihar ab, um an der Macht zu bleiben (BAMF 10.6.2024).
Die nationale Legislative besteht aus zwei Kammern (EB 3.3.2025). Die Abgeordneten der 543 Sitze umfassenden Lok Sabha werden in Einpersonenwahlkreisen für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt. Die meisten Abgeordneten des weniger mächtigen Oberhauses, der Rajya Sabha (Council of States [Anm.: Staatenversammlung]), mit 245 Sitzen, werden von den Parlamenten der Bundesstaaten nach dem Verhältniswahlsystem für gestaffelte sechsjährige Amtszeiten gewählt. Bis zu zwölf Mitglieder werden vom Präsidenten ernannt (FH 2025a). Der Vizepräsident der Republik Indien ist zugleich Vorsitzender der Rajya Sabha (ÖB New Delhi 7.2023). Die Kontrolle der Legislative über die Exekutive wird insbesondere durch strukturelle Faktoren beeinträchtigt, wie die eingeschränkte Kompetenz vieler Abgeordneter und kurze Sitzungszeiten. Zudem wird die Arbeit des Parlaments durch häufige Unterbrechungen und Austritte der Oppositionsparteien behindert. Dies erschwert dem Parlament die Wahrnehmung seiner verfassungsmäßigen Rolle im System der gegenseitigen Kontrolle. Die Dominanz der Exekutive, insbesondere der persönliche Einfluss des Premierministers, hat das Parlament marginalisiert. Die eingeschränkte Rolle des Parlaments als beratendes Organ und ein untergrabenes Ausschusssystem schwächen die Gesetzgebungsverfahren (BS 19.3.2024).
In den Bundesstaaten liegt die Exekutive formal beim jeweiligen Gouverneur, der vom Staatspräsidenten ernannt wird, und dem Ministerrat, an dessen Spitze der Ministerpräsident (Chief Minister) steht. Der Gouverneur ernennt den Ministerpräsidenten und die von diesem vorgeschlagenen Minister, die kollektiv der gesetzgebenden Versammlung des Unionsstaates (Vidhan Sabha/Legislative Assembly) verantwortlich sind. Die Unionsterritorien werden direkt von der Zentralregierung verwaltet, wobei einige Unionsterritorien (Delhi, Puducherry) auch über eine eigene parlamentarische Versammlung und eine Regierung verfügen und somit de facto eine Zwischenstellung zwischen Regionalstaat und Unionsterritorium einnehmen (ÖB New Delhi 7.2023).
Hindu-Nationalismus
Das vorherrschende Konzept des indischen Staates als säkularer Staat wird zunehmend von hindu-nationalistischen Gruppen untergraben (BS 19.3.2024). Vom Staat wird erwartet, dass er grundsätzlich Distanz zu allen Religionen wahrt. De facto manifestiert sich jedoch im öffentlichen Raum und in der Politik ein unmissverständlicher Zuspruch zur hinduistischen Identität (Böll 12.7.2022). Es wird berichtet, dass die Regierung der BJP unter Premierminister Narendra Modi die demokratischen Institutionen kontinuierlich schwächt und die Transformation Indiens in einen Staat mit hinduistischer Mehrheit verfolgt (BS 19.3.2024). Zu diesem Zweck betreiben die Regierung Modi und die BJP eine zunehmend diskriminierende Politik. Muslime werden verstärkt verfolgt (FH 2025a) und die Diskriminierung ethnischer Minderheiten weitergeführt (HRW 16.1.2025). Die BJP verwendet Regierungsinstitutionen zunehmend zur Verfolgung politischer Gegner. Obwohl die Verfassung die bürgerlichen Freiheiten, wie Meinungs- und Religionsfreiheit garantiert, hat die Belästigung von Journalisten, NGOs und anderen Regierungskritikern unter Modi erheblich zugenommen (FH 2025a). Außerdem wird die Tätigkeit von NGOs in Indien stark eingeschränkt und erschwert (BS 19.3.2024; vgl. USDOS 23.4.2024).
Die Hindutva-Ideologie ist eine rechts stehende ethno-nationalistische politische Ideologie (EB 17.3.2025a), von der sich die regierende BJP leiten lässt. Sie befürwortet die Vorherrschaft der Hindus und sieht die Errichtung eines "Hindu-Staates" (einer "Hindu Rashtra") vor. Dabei sollen Nicht-Hindus nicht alle Rechte eingeräumt werden, die Hindus zustehen (Böll 12.7.2022). Hindu-nationalistische Organisationen besetzen wichtige Führungspositionen in relevanten Institutionen mit Mitgliedern und schränken so den Widerstand gegen abweichende Meinungen ein. Die Dominanz dieser Gruppen birgt ein zunehmendes Risiko der Polarisierung entlang politischer und religiöser Linien. Die Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), eine rechte paramilitärische hindu-nationalistische Organisation (BS 19.3.2024; vgl. EB 17.3.2025a), ursprünglich von den italienischen Faschisten der 1920er inspiriert (Böll 12.7.2022), übt einen großen Einfluss auf die BJP und ihre Politik aus und hat ihre Präsenz im ganzen Land ausgeweitet. Sie zählt schätzungsweise sieben Millionen Mitglieder und kontrolliert zahlreiche andere Organisationen, darunter Indiens größte Gewerkschaft, die Bharatiya Mazdoor Sangh mit über zehn Millionen Mitgliedern. Weitere von der RSS kontrollierte Institutionen sind 12.000 Schulen und fast 1.000 NGOs. Laut Bertelsmann Stiftung würden die Aktivitäten solcher Organisationen die Demokratie untergraben und zu einem zunehmenden Polarisierungsrisiko beitragen (BS 19.3.2024).
Im Rahmen des Wahlkampfs von Premierminister Modi 2024 kam es wiederholt zu Äußerungen gegen Muslime und andere Minderheiten, die zu Diskriminierung, Feindseligkeit und Gewalt gegen sie aufriefen. Zwischen Juni und August 2024 kam es zu einer Zunahme der Gewalt durch hinduistische Bürgerwehren. Laut Human Rights Watch (HRW) hätten die Behörden keine adäquaten Maßnahmen gegen die für die Angriffe verantwortlichen BJP-Anhänger unternommen. Stattdessen wurden die Opfer der Gewalt gezielt verfolgt, u. a. durch die unrechtmäßige Zerstörung muslimischer Häuser und Grundstücke. Regierungskritiker sahen sich politisch motivierten Strafverfolgungen ausgesetzt, die sich auf Steuer- und Auslandsfinanzierungsvorschriften sowie auf das drakonische Antiterrorgesetz stützten (HRW 16.1.2025).
SICHERHEITSLAGE
Hinduradikale Gruppen verursachen immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen mit Angehörigen religiöser Minderheiten, v. a. Muslime, gelegentlich aber auch mit nicht traditionell eingestellten Hindus (AA 5.6.2023). Der gegen Minderheiten wie Muslime und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird von offizieller Seite selten in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet. Das Innenministerium gibt jedoch seit 2017 keine entsprechenden Daten mehr weiter, und Zivilgesellschaften berichten, dass die Regierung nicht auf Auskunftsbegehren (nach dem Right to Information) reagiert (ÖB New Delhi 7.2023).
Insgesamt sind die meisten Inder tagtäglich keinen nennenswerten Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt, mit einigen Ausnahmen in bestimmten, abgelegenen Gebieten. Diejenigen, die in Städten leben, können zivilen Unruhen ausgesetzt sein, einschließlich gewalttätiger Ausschreitungen, die von Zeit zu Zeit im ganzen Land auftreten. Die Ursachen für zivile Unruhen sind komplex und vielfältig und können ethnische und religiöse Spannungen, Aufstände und Terrorismus sowie politische und ideologische Gewalt umfassen. In den meisten Fällen werden die meisten Inder solche Situationen vermeiden. Über soziale Medien verbreitete Fehlinformationen führen gelegentlich zu Gewalt. Über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Snapchat, Twitter, WhatsApp und YouTube werden Gerüchte über angebliche Straftaten verbreitet, die zu gelegentlichem Vigilantismus führen. Diese Ereignisse sind unvorhersehbar, bleiben aber meist lokal begrenzt (DFAT 29.9.2023).
Sicherheitslage in einzelnen Bundesstaaten
Die Streitkräfte des Landes, die Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten und paramilitärische Kräfte lieferten sich Gefechte mit aufständischen Gruppen in mehreren nordöstlichen Bundesstaaten und Jammu Kaschmir (J K) sowie mit maoistischen Rebellen im Norden, im Zentrum und im Osten des Landes (USDOS 23.4.2024). Über 40 aufständische Gruppen sind an den Angriffen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten beteiligt. Darüber hinaus kommt es zu Gewalthandlungen zwischen den Stämmen. Die Rebellengruppen verfolgen das Ziel, mehr Autonomie oder sogar völlige Unabhängigkeit für ihre ethnischen oder Stammesgruppen zu erlangen, und sind in eine Vielzahl von kriminellen Aktivitäten verwickelt, einschließlich Bombenanschlägen, Mord, Entführung und Vergewaltigung von Zivilisten. Zudem betreiben sie ein ausgedehntes Erpressungsnetzwerk (FH 2025a). Auch Sicherheitskräfte, die gegen regionale Aufstände kämpfen, sind in außergerichtliche Tötungen (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024), Vergewaltigungen, Folter, Entführungen und die Zerstörung von Häusern verwickelt (FH 2025a).
Das Innenministerium reduzierte im April 2024 den Geltungsbereich des AFSPA (Armed Forces Special Powers Act) in den Distrikten Assam, Manipur und Nagaland. In anderen Teilen Nagalands, in Teilen von Arunachal Pradesh, Manipur und Assam blieb die Einstufung als Unruhegebiet unter dem AFSPA bestehen, und in J K war eine Version des Gesetzes in Kraft (USDOS 23.4.2024) [Anm.: weitere Informationen zum AFSPA finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden].
RECHTSSCHUTZ / JUSTIZWESEN
Die Justiz ist in Indien von der Legislative und der Exekutive getrennt (DFAT 29.9.2023) und agiert formell unabhängig von der Politik (FH 2025a). Es gibt eine verfassungsmäßig garantierte unabhängige Gerichtsbarkeit (AA 5.6.2023; vgl. USDOS 23.4.2024) mit dreistufigem Instanzenzug (AA 5.6.2023). Die Regierung respektiert im Allgemeinen die Unabhängigkeit der Justiz, doch kommt es im Justizsystem zu Verzögerungen, Kapazitätsproblemen (USDOS 23.4.2024) und Korruptionsvorwürfen auf den unteren Ebenen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2025a). Richter, insbesondere am Obersten Gerichtshof, sind traditionell autonom, allerdings zeigen die Gerichte Anzeichen einer zunehmenden Politisierung. Die Regierung hat zudem Richterernennungen vorgenommen, die Beobachter als politisch motiviert einstufen (FH 2025a). Die Zentralregierung und die Regierungen der Bundesstaaten halten sich im Allgemeinen an die Urteile des Obersten Gerichtshofs und der bundesstaatlichen Obergerichte, selbst wenn die Gerichte gegen die Positionen der Regierung entscheiden (USDOS 23.4.2024).
Das Justizsystem gliedert sich in den (a) Supreme Court, der als Oberster Gerichtshof der Union mit Sitz in Delhi, als Verfassungsgericht Streitigkeiten zwischen dem Zentralstaat und den Unionsstaaten regelt. Er fungiert auch als Berufungsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen untergeordneter Gerichte, insbesondere für Urteile, welche eine Interpretation der Verfassung beinhalten oder bei Todesurteilen; den (b) High Court, ein Obergericht in jedem Unionsstaat, das als Kollegialgericht als Berufungsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen fungiert. Es übt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die untergeordneten Gerichte des Bundesstaates aus, um so die Justiz vor Einflüssen der Exekutive abzuschirmen; sowie (c) Subordinate Civil and Criminal Courts, die als untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt sind. In diesen werden die Fälle von Einzelrichtern entschieden. Richter am District and Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl Zivil- als auch Strafsachen (als District Judge in Zivilsachen, als Sessions Judge in Strafsachen). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge steht der 1st Class Judicial Magistrate, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für leichtere Strafsachen. (ÖB New Delhi 7.2023).
Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis ist nicht festzustellen, unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden nicht verhängt. Die Strafzumessung bewegt sich regelmäßig im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens. Allerdings sind insbesondere die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Zudem sind sie oft politisch besetzt bzw. agieren in vorauseilendem Gehorsam gegenüber lokalen Amtsträgern, wie beispielsweise Abgeordneten (ÖB New Delhi 7.2023). Die Kapazität der Gerichte behinderte das Recht auf ein rechtzeitiges Verfahren. Das Justizsystem weißt eine beträchtliche Anzahl unbesetzter Richterstellen auf, ist nach wie vor stark überlastet und verfügte über keine modernen Fallbearbeitungssysteme, was häufig zu Verzögerungen oder Verweigerung von Gerichtsverfahren führt (USDOS 23.4.2024). Die Überlastung und Unterbesetzung führt wiederum zu einer langen Untersuchungshaft für Verdächtige, von denen viele länger in Haft bleiben als die Dauer der Strafe, die sie im Falle einer Verurteilung erhalten könnten (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Regeldauer (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Ca. 77 % aller Gefangenen sind Untersuchungshäftlinge. Fast 71 % der Untersuchungshäftlinge sind zwischen drei Monaten und mehr als fünf Jahren in Haft (AA 5.6.2023). Von der Untersuchungshaft sind unverhältnismäßig viele arme und marginalisierte Gruppen betroffen, die oft am wenigsten in der Lage sind, eine Kaution zu hinterlegen. Im April 2023 erklärte die Zentralregierung, sie werde Personen finanziell unterstützen, die sich keinen Rechtsbeistand, keine Strafe und keine Kaution leisten können (USDOS 23.4.2024). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023), was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung vor Gericht häufig nicht frei aussagen. Auch Zeugen können für ihre Vernehmung gemäß Strafprozessordnung über mehrere Tage inhaftiert werden, sofern Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sollen nicht vorkommen (AA 5.6.2023).
Rechtsschutz
Zahlreiche Sicherheitsgesetze erlauben die Inhaftierung ohne Anklageerhebung oder auf der Grundlage vage definierter Straftaten (FH 2025a). Präventivhaft ist bei Fällen von Gefährdung der öffentlichen Ordnung gesetzlich vorgesehen (ÖB New Delhi 7.2023). Das Gesetz zur Verhinderung rechtswidriger Aktivitäten (Unlawful Activities Prevention Act, UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen von Aufständen und Terrorismus bis zu 180 Tage lang ohne Anklage in Haft zu nehmen. Das UAPA enthält strenge Kautionsbestimmungen, insbesondere für Personen, die des Terrorismus verdächtigt werden (USDOS 23.4.2024). Das Nationale Sicherheitsgesetz (National Security Act, NSA) von 1980 erlaubt Vorbeugehaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu einem Jahr, wenn eine Person als Sicherheitsrisiko eingestuft wird (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 23.4.2024), ohne dass das Gesetz die Sicherheitsgründe näher definiert (ÖB New Delhi 7.2023). Das NSA erlaubt es Familienangehörigen und Anwälten, aus Gründen der nationalen Sicherheit inhaftierte Personen zu besuchen (USDOS 23.4.2024). Verhaftete Personen müssen innerhalb von 15 Tagen über die Haftgründe informiert werden. Spätestens nach sieben Wochen muss ein Beratungsausschuss über die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung befinden (ÖB New Delhi 7.2023).
Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, mit Ausnahme derer, gegen die ein UAPA-Strafverfahren läuft. Angeklagte können ihren Rechtsbeistand frei wählen. Die Verfassung sieht vor, dass der Staat Angeklagten, die sich keinen Anwalt leisten können, einen kostenlosen Rechtsbeistand zur Verfügung stellt, aber Kapazitätsengpässe führen manchmal dazu, dass der Zugang zu einem kompetenten Rechtsbeistand eingeschränkt ist. Angeklagte haben das Recht, ihre Ankläger zu konfrontieren und ihre eigenen Zeugen und Beweise zu präsentieren, aber Angeklagte nehmen dieses Recht manchmal nicht wahr, weil sie keine angemessene rechtliche Vertretung haben (USDOS 23.4.2024). Generell ist festzuhalten, dass das indische Rechtssystem in vielen Bereichen rechtsstaatlich bedenkliche Verfahrensvorschriften zur Beweislastumkehr kennt (ÖB New Delhi 7.2023). Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist gesetzlich verankert, außer in Verfahren, in denen es um Staatsgeheimnisse oder die Sicherheit des Staates geht (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Das Gesetz verbietet willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sieht vor, dass jede Person das Recht hat, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Die Regierung hält sich im Allgemeinen an diese Bestimmungen, aber es gibt zahlreiche Berichte über willkürliche Verhaftungen und mehrere Fälle, in denen die Polizei Sondergesetze anwendet, um die gerichtliche Überprüfung von Verhaftungen aufzuschieben (USDOS 23.4.2024). Laut Freedom House werden die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht konsequent eingehalten. Die Bürger stoßen bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit auf erhebliche Hindernisse. Dazu gehören Bestechungsgelder und die Schwierigkeit, die Polizei dazu zu bewegen, einen ersten Bericht aufzunehmen, der erforderlich ist, um eine Untersuchung eines mutmaßlichen Verbrechens einzuleiten (FH 2025a).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischem Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse (AA 5.6.2023). Das Heranziehen von erzwungenen Geständnissen (z. B.: durch Gewalt oder Folter) in die Beweislage ist rechtswidrig, kommt aber dennoch vor (ÖB New Delhi 7.2023). In Fällen des Terrorismusverdachts erlaubt das UAPA auch die Verwendung von Beweisen, die aus abgehörter Kommunikation gewonnen wurden (USDOS 23.4.2024).
Informelle und alternative Systeme der Rechtssprechung
In einigen ländlichen Gemeinden gibt es Dorfgerichte (Nyaya Panchayat genannt), die manche Inder dem formellen Rechtssystem vorziehen. Die Entscheidungen fallen schneller, sind gemeinschaftsbezogen und oft weniger anfällig für Korruption (DFAT 29.9.2023). Ein Panchayat ("Zusammenkunft von fünf Personen") ist eine Versammlung, ein Rat oder ein Gericht von fünf oder mehr Mitgliedern einer Kaste oder eines Dorfes, die zusammenkommen, um Konflikte zu lösen oder Gruppenrichtlinien festzulegen. Obwohl es in mehreren Bundesstaaten Gesetze gibt, in denen Nyaya Panchayats erwähnt werden, scheint es in der Praxis nur in Himachal Pradesh kontinuierliche und funktionierende Nyaya Panchayats zu geben. Das Panchayat wurde von der lokalen Bevölkerung selbst gegründet, um den Bewohnern ländlicher Gebiete eine dezentralisierte, zugängliche und bis zu einem gewissen Grad individualisierte Möglichkeit der Streitbeilegung zu bieten. Obwohl die Nyaya Panchayats seit den 1970er Jahren zunehmend an Bedeutung verloren haben (GAP-G 1.2024), versucht der indische Staat mit dem Gram Nyayalayas Act von 2008, Streitparteien auf dem Land den Zugang zu dörflichen Rechtsinstitutionen zu ermöglichen (GAP-G 1.2024; vgl. DoJ-IND 2021). Allerdings unterscheiden sich die neuen Gram Nyayalayas, die mehr mit dem formellen Gerichtssystem gemeinsam haben, stark von den Nyaya Panchayats und deren Vorstellung einer indigenen Streitbeilegung, weshalb einige Menschen eine Rückkehr zu den "traditionellen" Praktiken unterstützen (GAP-G 1.2024).
Darüber hinaus gibt es in Teilen des Landes, vor allem in ländlichen Gebieten, informelle Gemeinderäte, die Verordnungen zu sozialen Bräuchen erlassen. Ihre Beschlüsse führen manchmal zu Gewalt oder Verfolgung von Personen, die gegen die sozialen Normen verstoßen, insbesondere Frauen und Angehörige der unteren Kasten (FH 2025a). In Indien gibt es zudem die Möglichkeit der Alternative Dispute Resolution (ADR / Alternative Streitbeilegung). ADR bietet die Möglichkeit, alle Arten von Angelegenheiten zu lösen, einschließlich zivilrechtlicher, kommerzieller, industrieller und familiärer Angelegenheiten usw., bei denen die Menschen nicht in der Lage sind, eine Verhandlung zu beginnen und eine Einigung zu erzielen. Im Allgemeinen wird bei ADR eine neutrale dritte Partei eingesetzt, die den Parteien hilft, miteinander zu kommunizieren, die Differenzen zu erörtern und den Streit zu lösen. Das Verfahren verläuft ohne Einschaltung gerichtlicher Institutionen (LSI o.D.).
Schnellgerichte bei Vergewaltigungen und Sexualstraftaten gegen Kinder
Das Programm zur Einrichtung von Schnellgerichten (Fast Track Special Courts, FTSCs) zur schnellen Verhandlung von Vergewaltigungsfällen und Fällen, die unter das Gesetz zum Schutz von Kindern vor Sexualstraftaten (POCSO) fallen, wurde bis 31.3.2026 verlängert. Da es sich um eine befristete Maßnahme handelt, ist die Schaffung einer dauerhaften Infrastruktur nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Programmlaufzeit werden die verbleibenden Fälle, sofern vorhanden, von den ordentlichen Gerichten oder anderen Sondergerichten nach Entscheidung der Regierungen und Obergerichte der Bundesstaaten/Unionsterritorien behandelt. Zum 30.11.2023 waren insgesamt 201.805 Fälle von Vergewaltigung und dem POCSO-Gesetz vor 758 Schnellgerichten, davon 411 ausschließlich POCSO-Gerichten, anhängig (DoJ-IND 2023).
Neue Strafgesetze
Am 1.7.2024 traten drei neue Strafgesetze in Kraft: das Bharatiya Nyaya Sanhita (BNS) [Anm.: Indian Judicial Code / Indisches Gerichtsgesetzbuch], das Bharatiya Nagrik Suraksha Sanhita (BNSS) [Anm.: Indian Civil Defence Code / Indisches Zivilschutzgesetzbuch], das Bharatiya Sakshya Adhiniyam (BSA) [Anm.: Indian Evidence Act / Indisches Beweisgesetz], welche im Dezember 2023 im Parlament verabschiedet wurden. Diese Gesetze ersetzen das Indische Strafgesetzbuch (Indian Penal Code, IPC) von 1860, die Strafprozessordnung (Criminal Procedure Code, CrPC) von 1973 und das Indische Beweisgesetz (India Evidence Act) von 1872 (BAMF 1.7.2024).
SICHERHEITSBEHÖRDEN
Das Militär und die Sicherheitsbehörden teilen sich auf drei Ministerien auf: dem Verteidigungsministerium unterstehen die indischen Streitkräfte, bestehend aus Armee, Marine, Luftwaffe und Küstenwache, das Defense Security Corps, das für die Sicherheit der Einrichtungen des Verteidigungsministeriums verantwortlich ist, und die Territorialarmee (TA), eine militärische Reservetruppe, die sich aus freiwilligen Teilzeitkräften zusammensetzt, die die indische Armee unterstützen. Sie ist Teil der regulären Armee und hat die Aufgabe, die reguläre Armee von statischen Aufgaben zu entlasten, die zivilen Behörden bei Naturkatastrophen zu unterstützen und die wesentlichen Dienste in Notfällen aufrechtzuerhalten, sowie bei Bedarf Einheiten für die reguläre Armee bereitzustellen. Dem Innenministerium (Ministry of Home Affairs) unterstehen die Border Security Force (BSF), zuständig für die indisch-pakistanische und indisch-bangladeschische Grenze; die Sashastra Seema Bal (SSB) bewacht die indisch-nepalesische und indisch-bhutanische Grenze; die Central Industrial Security Force; die Indo-Tibetan Border Police; die National Security Guards; die National Disaster Response Force (NDRF); die Central Reserve Police Force (CRPF) umfasst eine Rapid Reaction Force (RAF) zur Bekämpfung von Unruhen und das Commando Battalion for Resolute Action (COBRA) zur Aufstandsbekämpfung. Die Assam Rifles unterstehen der administrativen Kontrolle des Ministeriums für innere Angelegenheiten, während die operative Kontrolle dem Verteidigungsministerium (insbesondere der indischen Armee) untersteht. Als letztes Ministerium verfügt das Eisenbahnministerium mit der Railway Protection Force ebenfalls über eigene Sicherheitskräfte (CIA 16.1.2025).
Das Central Intelligence Bureau (IB) ist Indiens zentraler Geheimdienst. Offiziell ist das IB dem Innenministerium unterstellt, der Direktor des Geheimdienstes ist jedoch Teil eines gemeinsamen Geheimdienstkomitees und berichtet in bestimmten Situationen direkt dem Premierminister. Hauptaufgaben des Geheimdienstes sind die Spionageabwehr und die Terrorismusbekämpfung/-abwehr. Ebenso gehören Aufklärung und Informationsgewinnung in den Grenzregionen zu den Aufgaben (BICC 7.2024). Die Nachrichtendienste Indiens, im Inland (Intelligence Bureau) sowie im Ausland (Research and Analysis Wing), handeln auf gesetzlicher Grundlage (AA 5.6.2023).
Die Indische Polizei (Indian Police Service - IPS) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert (BICC 7.2024; vgl. OSAC 4.10.2024). Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der oben beschrieben zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department: CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiven Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (BICC 7.2024).
Die rechtsstaatliche Kontrolle der Polizei ist defizitär. Es zeigt sich vor allem ein den Anforderungen an einen modernen Rechtsstaat nicht adäquater Ausbildungs- und Ausrüstungsstand der Polizei (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023). Übergriffe (AA 5.6.2023) und Korruption innerhalb der Polizei sind nach wie vor ein Problem (FH 2025a; vgl. AA 5.6.2023). Darüber hinaus wird von Folter, Misshandlung und Vergewaltigung durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsbeamte berichtet (FH 2025a). Dies schlägt sich in einem mangelhaften Vertrauen der Bevölkerung nieder und hat damit auch mittelbar Auswirkungen auf andere Menschenrechtsbereiche, z. B. die Bereitschaft zu Strafanzeigen bei Menschenrechtsverstößen. Besonders in sogenannten Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 5.6.2023).
Die Polizeikräfte können bei Bedarf durch Einheiten des Militärs oder paramilitärische Kräfte verstärkt werden. Paramilitärische Kräfte sind Kräfte, die auf Grund sondergesetzlicher Ermächtigungen handeln, welche zum Teil Grundrechte einschränken oder außer Kraft setzen und die dem indischen Innenministerium unterstehen (ÖB New Delhi 7.2023), so auch die in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten (AA 5.6.2023). Das Militär kommt auch bei Naturkatastrophen zum Einsatz (BICC 7.2024).
Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt der Präsidentin. Gemessen an der Zahl der Soldaten hat Indien die zweitgrößten Streitkräfte der Welt (BICC 7.2024). Gemäß dem Gesetz über Sondervollmachten der Streitkräfte (Armed Forces Special Powers Act - AFSPA) ist die Zentralregierung dazu ermächtigt, bestimmte Regionen oder Teile davon als Unruhegebiete einzustufen (USDOS 23.4.2024). In diesen Gebieten dürfen Sicherheitskräfte zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung tödliche Gewalt einsetzen und Verdächtige ohne vorherige Benachrichtigung der Betroffenen festnehmen (USDOS 23.4.2024; vgl. DFAT 29.9.2023, BS 19.3.2024), sowie Häuser, Personen und Räumlichkeiten ohne Durchsuchungsbefehl durchsuchen (DFAT 29.9.2023; vgl. BS 19.3.2024). Das Gesetz gewährt den Sicherheitskräften außerdem Immunität vor ziviler Strafverfolgung für Handlungen, die in Regionen unter dem AFSPA begangen werden (USDOS 23.4.2024; vgl. HRW 16.1.2025). In Jammu und Kaschmir (J K) sowie mehreren nordöstlichen Bundesstaaten (HRW 16.1.2025), wie in Teilen von Nagaland, Arunachal Pradesh, Manipur und Assam, ist der AFSPA weiterhin in Kraft (USDOS 23.4.2024).
Polizeibeamte waren in Vergewaltigungsvorwürfe verwickelt, auch bei Opfern in Polizeigewahrsam. Die Regierung ermächtigte die Nationale Menschrechtskommission (National Human Rights Commission, NHRC), Vergewaltigungsfälle zu untersuchen, an denen Polizeibeamte beteiligt waren (USDOS 23.4.2024). Zudem waren Sicherheitskräfte, die regionale Aufstände bekämpfen, in außergerichtliche Tötungen, Vergewaltigungen, Folter, Entführungen und die Zerstörung von Häusern verwickelt (FH 2025a). Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (v. a. in J K sowie in Indiens Nordosten) werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, der Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim. Trotz der Trainings für Sicherheitskräfte bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse verbreitet. Die Sicherheitsbehörden sind überarbeitet, unterbezahlt und oft politischem Druck ausgesetzt, was in weiterer Folge zu Korruption führt (ÖB New Delhi 7.2023). Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass die Regierung die Strafverfolgung von Sicherheitskräften genehmigen muss, allerdings wird diese Genehmigung nur selten erteilt, was zu Straffreiheit führt (FH 2025a).
Es gab Berichte über das erzwungene Verschwinden von Personen durch oder im Namen von Regierungsbehörden. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen verschwanden in der Region J K zwischen 1989 und 2006 etwa 8.000 bis 10.000 Personen, die angeblich den Regierungstruppen, paramilitärischen Kräften und Terroristen zugeschrieben werden. Die Daten, die das Verschwinden von Personen in J K seit 2006 dokumentieren, sind begrenzt (USDOS 23.4.2024).
FOLTER UND UNMENSCHLICHE BEHANDLUNG
Indien hat im Jahr 1997 das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023, BICC 7.2024). Bislang gibt es kein zentrales Gesetz zur Verhinderung von Gewalt im Gewahrsam (Charan/SCC 23.3.2024) und somit auch keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung (BICC 7.2024).
In Indien kommt es immer wieder zu Tötungen in Gewahrsam, Polizeigewalt, einschließlich Folter und Vergewaltigung (BS 19.3.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, ÖB New Delhi 7.2023). Benachteiligte Gruppen sind in besonderem Maße von der unzureichenden Durchsetzung von Schutzgesetzen und dem langsamen, ineffizienten Justizsystem betroffen. Obwohl das indische Rechtssystem den benachteiligten sozialen Gruppen theoretisch den Zugang zu einer gleichberechtigten Justiz gewährleistet, ist die Realität eine andere (BS 19.3.2024). Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) registrierte in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 121 Todesfälle in Polizeigewahrsam, 1.558 Todesfälle in Justizgewahrsam und 93 mutmaßliche außergerichtliche Tötungen (NHRC India 2024; vgl. HRW 16.1.2025). Bei bekannt gewordenen Fällen von extralegalen Tötungen handelt es sich überwiegend um Todesfälle in Polizei- oder Justizgewahrsam, bei denen die Opfer entweder an den Folgen der Folter gestorben sind oder getötet wurden, um die Folter zu vertuschen bzw. unangenehme Aussagen und Beweise gegen hochrangige Persönlichkeiten zu unterdrücken. Nur in wenigen Fällen kommt es zu Konsequenzen (ÖB New Delhi 7.2023). Denn obwohl die Strafprozessordnung eine staatliche Genehmigung für die Strafverfolgung von Sicherheitskräften vorsieht, wird diese nur selten erteilt, was zu Straflosigkeit führt (FH 2025a).
Das Gesetz verbietet es den Behörden, erzwungene Geständnisse als Beweismittel zuzulassen, aber einige NGO berichten, dass Behörden Folter anwenden, um Geständnisse zu erzwingen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Die meisten Fälle von Folter werden aus den Krisenregionen (Jammu Kaschmir sowie Gebiete im Nordosten) gemeldet, sie wird jedoch auch in den übrigen Landesteilen, vor allem in städtischen Ballungsgebieten oder in sozial benachteiligten, bevölkerungsreichen Staaten wie Uttar Pradesh und Bihar angewandt (ÖB New Delhi 7.2023). Der indische Staat verfolgt Anwender von Folter grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinsbildung bei den Sicherheitskräften (ÖB New Delhi 7.2023). Allerdings bleiben Menschenrechtsverletzungen, begangen von Polizeibeamten, Armee und paramilitärischen Einheiten, häufig ungeahndet (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren (ÖB New Delhi 7.2023), weil Opfer ihre Rechte nicht kennen oder eingeschüchtert werden (AA 5.6.2023). Als besonders gefährdet gelten Angehörige unterer Kasten (ÖB New Delhi 7.2023) und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. FH 2025a). Folter wird systematisch als Befragungsmittel durch die Polizei und sogar als Form der Bestrafung vermeintlicher Täter eingesetzt (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 23.4.2024), oder auch um Geld zu erpressen (USDOS 23.4.2024). In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht registrierten Verhaftungen berichtet, bei denen den Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 23.4.2024). Die angerufenen Gerichte haben in den letzten Jahren teilweise verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten (ÖB New Delhi 7.2023).
KORRUPTION
Der Kampf gegen Korruption und bürokratische Ineffizienz steht schon lange auf Premierminister Modis Agenda, doch der Korruptionswahrnehmungsindex [Anm.: Corruption Perceptions Index, CPI] von Transparency International (TI) stagniert seit 2016, nachdem er sich in den Jahren davor stetig verbessert hatte (BS 19.3.2024). 2024 lag Indien im CPI auf Platz 96 von 180 bewerteten Staaten (TI 2025), was einer Verschlechterung um drei Plätze gegenüber dem Vorjahr entspricht (TI 2024). Amtsträger, die sich korrupter Machenschaften schuldig machen, schlüpfen oft durch politische, rechtliche oder verfahrenstechnische Schlupflöcher und werden nicht wirksam verfolgt. Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet und beeinträchtigt die Bürger weiterhin bei vielen ihrer Interaktionen mit Institutionen wie der Polizei, dem öffentlichen Dienst, der öffentlichen Auftragsvergabe (BS 19.3.2024). Aber auch im Justizwesen (CCPR 2.9.2024; vgl. AA 5.6.2023) und auf den Ebenen von Regierungsministerien sowie politischer Beamter kommt es zu Korruption (CCPR 2.9.2024). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor. USDOS berichtet einerseits von einer allgemein wirksamen Umsetzung der Gesetze durch die Regierung, aber auch über zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung. NGOs berichteten über die Zahlung von Bestechungsgeldern, um Dienste wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder staatliche Unterstützung zu beschleunigen (USDOS 23.4.2024).
Das Gesetz zur Korruptionsprävention von 1988 (Prevention of Corruption Act, PCA) ist heute das wichtigste Gesetz zur Korruptionsbekämpfung in Indien (CaP-GPG 22.11.2024). Allerdings wird über Hindernisse für die Einleitung von Ermittlungen oder Strafverfolgung berichtet, die durch Änderungen des Gesetzes zur Korruptionsprävention im Jahr 2018 geschaffen wurden (CCPR 2.9.2024; vgl. SAHRDC 14.7.2024).
Groß angelegte politische Korruptionsskandale haben wiederholt Bestechung und andere Vergehen aufgedeckt, aber es wird angenommen, dass ein großer Teil der Korruption nicht gemeldet und nicht geahndet wird, und die Behörden wurden beschuldigt, selektiv und parteiisch vorzugehen. 2013 wurden mit dem Lokpal- und Lokayuktas-Gesetz unabhängige nationale [Anm.: Lokpal] und bundesstaatliche [Anm.: Lokayukta] Stellen geschaffen, die Beschwerden über Korruption gegen Beamte oder Politiker entgegennehmen, den Vorwürfen nachgehen und Verurteilungen gerichtlich durchsetzen sollen. Allerdings sind sowohl die bundesstaatlichen Lokayuktas (FH 2025a) als auch der nationale Lokpal unterbesetzt. Die Antikorruptionsbehörde Lokpal wurde erst 2019 eingerichtet, sechs Jahre nach Verabschiedung der entsprechenden Gesetze. Kritikern zufolge erwies sich die Organisation jedoch als machtlos. Die Zahl der dem Gremium vorgelegten Fälle ist gering, was auf ein geringes Vertrauen in die Institution schließen lässt, und es wurden keine prominenten Fälle aufgegriffen. Indien verfügt außerdem über eine zentrale Überwachungskommission (Central Vigilance Commission), die zur Bekämpfung von Korruption in der Regierung eingerichtet wurde, sowie ein zentrales Ermittlungsbüro (Central Bureau of Investigation), das sich allgemeiner mit Korruption befasst. Letzteres hat seine Aktivitäten in den letzten Jahren jedoch ausgeweitet und wurde dabei stark kritisiert, da es als Instrument zur Verfolgung von Regierungskritikern eingesetzt wird (BS 19.3.2024).
Das Informationsfreiheitsgesetz 2005 (Right of Information Act 2005, RTI) soll die Transparenz und Rechenschaftspflicht der Regierung gewährleisten und gilt für staatliche Behörden entweder ganz oder teilweise (wie etwa im Fall von Sicherheits- und Geheimdiensten) sowie für Einrichtungen im nicht-staatlichen Sektor, die direkt oder indirekt Finanzmittel von der Regierung erhalten. Jährlich stellen vier bis sechs Millionen Bürger Informationsanfragen (SAHRDC 14.7.2024). Allerdings wird das RTI systematisch untergraben (BS 19.3.2024). Es gibt Berichte, dass die meisten Personen, die Informationen anfragen, nicht die gewünschten Informationen erhalten (CCPR 2.9.2024; vgl. FH 2025a). Nach Angaben verschiedener Quellen wurden seit 2018 zwischen 60 (CCPR 2.9.2024) und 65 Aktivisten (SAHRDC 14.7.2024), Whistleblower, Journalisten oder Menschenrechtsverteidiger, die über den Kampf gegen Korruption berichten oder sich für dessen Bekämpfung einsetzen, getötet (CCPR 2.9.2024) und über 380 weitere körperlich angegriffen, bedroht oder schikaniert, weil sie das Informationsfreiheitsgesetz (RTI) nutzten, um Korruption im kleinen und großen Stil aufzudecken (SAHRDC 14.7.2024). Obwohl das Parlament 2014 mit dem Whistleblower Protection Act ein Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet hat, fehlt es jedoch bislang an der Umsetzung durch die Unionsregierung. Auch auf bundesstaatlicher Ebene gibt es bislang keinen gesetzlich geregelten Hinweisgeberschutz, da die Bundesstaaten auf die Umsetzung durch die Union warten (SAHRDC 14.7.2024).
NGOs UND MENSCHENRECHTSAKTIVISTEN
Eine Vielzahl von NGOs ist in Indien tätig, aber einige, insbesondere diejenigen, die an der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, sind weiterhin Drohungen, rechtlichen Schikanen, übermäßiger Polizeigewalt und gelegentlich tödlicher Gewalt ausgesetzt (FH 2025a). Nationale Finanz- und Ermittlungsbehörden nahmen zivilgesellschaftlich engagierte Personen, Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, Journalisten und Kritiker ins Visier und schränkten den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum weiter ein (AI 24.4.2024). Immer wieder werden Aktivisten, oftmals unter dem Vorwurf, mit terroristischen Organisationen in Verbindung zu stehen, verhaftet (ÖB New Delhi 7.2023).
Zivilgesellschaftliche Organisationen, Mitglieder der Diaspora und Journalisten, die im Ausland tätig sind und sich für die Menschenrechte einsetzen, berichten von Drohungen, Schikanen, willkürlicher Überwachung und Nötigung, auch im Internet, die sie der Regierung oder Personen, die angeblich mit der Regierung in Verbindung stehen, zuschreiben. Sie berichten, dass auch einige ihrer Familienangehörigen, Freunde oder Bekannten in Indien wegen ihrer Menschenrechtsaktivitäten von den lokalen Behörden schikaniert und unter Druck gesetzt werden. Sie stellen fest, dass diese Aktivitäten eine „abschreckende Wirkung“ auf ihre Menschenrechtsarbeit haben und zu Selbstzensur führen, da sie Repressalien gegen sich und ihre Familien in Indien befürchten. Es gibt auch zahlreiche Berichte über Drohungen und Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger, die Frauen, religiöse Minderheiten und marginalisierte Gemeinschaften vertreten (USDOS 23.4.2024).
Einige inländische und internationale Menschenrechtsgruppen, die sich für die Menschenrechte einsetzen oder Menschenrechtsentwicklungen beobachten, arbeiten ohne staatliche Einschränkungen, um Menschenrechtsbedingungen oder -fälle zu überwachen, zu untersuchen und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), zumindest außerhalb von Jammu und Kaschmir (J K) (ÖB New Delhi 7.2023). Allerdings gelang es auch einigen Menschenrechtsbeobachtern in J K, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, aber Berichten zufolge wurden sie von den Sicherheitskräften, der Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden gelegentlich zurückgehalten oder schikaniert (USDOS 23.4.2024). Zahlreiche Menschenrechtsgruppen sehen sich mit Einschränkungen konfrontiert und stellen fest, dass Regierungsvertreter nur selten mit Menschenrechts-NGOs zusammenarbeiten. Dagegen arbeitet die Nationale Menschrechtskommission [Anm.: National Human Rights Commission; siehe Allgemeine Menschenrechtslage] (NHRC) mit zahlreichen NGOs zusammen, von denen einige auch in mehreren Ausschüssen der NHRC vertreten sind (USDOS 23.4.2024).
Ausländische NGOs
Das Gesetz zur Regulierung ausländischer Zuwendungen (Foreign Contribution (Regulation) Act, FCRA) von 2010 erlaubt es der Bundesregierung, NGOs unter bestimmten Umständen den Zugang zu ausländischen Geldern zu verweigern, und die Behörden wurden beschuldigt, diese Befugnisse selektiv gegen vermeintliche politische Gegner einzusetzen (FH 2025a). Kritische ausländische NGOs werden in der Praxis an der Arbeit im Land gehindert (BS 19.3.2024) bzw. unterliegen nicht unwesentlichen Restriktionen, wie Verweigerung eines Einreisevisums. Mitunter sehen sich Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen auch Drohungen und tätlichen Übergriffen oder polizeilicher Willkür ausgesetzt. Von Polizeiaktionen sind nicht nur indische Menschenrechtsaktivisten betroffen, sondern auch ausländische NGOs (ÖB New Delhi 7.2023). Vertreter einiger internationaler Menschenrechts-NGOs haben mitunter Schwierigkeiten, Visa zu erhalten, und berichten, dass ihre öffentliche Verbreitung von Materialien gelegentlich durch behördliche Schikanen und Einschränkungen behindert wird. Die Regierung kooperiert im Allgemeinen bei Besuchen von UN-Vertretern oder von den Vereinten Nationen anerkannten regionalen Organisationen, aber die Vereinten Nationen haben nur begrenzten oder gar keinen Zugang zu J K sowie den nordöstlichen Bundesstaaten, einschließlich Manipur (USDOS 23.4.2024).
ALLGEMEINE MENSCHENRECHTSLAGE, NATIONALE MENSCHENRECHTSKOMMISSIONEN
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 5.6.2023). Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023). Die Verfassung garantiert den Bürgern das Recht, ihre eigene Sprache, Schrift und Kultur zu bewahren (DFAT 29.9.2023). Darüber hinaus garantiert sie bürgerliche Freiheiten (FH 2025a; vgl. AA 5.6.2023), einschließlich der Meinungs- und Religionsfreiheit, aber die Schikanen gegen Journalisten, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und andere Regierungskritiker haben unter Modi erheblich zugenommen (FH 2025a). Zudem gibt die Verfassung den Bürgern die Möglichkeit, ihre Regierung in freien und fairen, regelmäßig stattfindenden und geheimen Wahlen zu wählen, die auf dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht für alle Bürger ab 18 Jahren basieren (USDOS 23.4.2024). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet. Indien bleibt ein Land extremer Kontraste (AA 5.6.2023). Die Menschenrechtslage hat sich insgesamt verschlechtert und die Gefahr konfessionell motivierter Gewalt gegen Minderheiten und die Schikanierung bekannter Menschenrechtsverteidiger nimmt zu (ICNL 13.2.2025). Die Menschenrechtssituation spiegelt die komplexe Lebenswirklichkeit eines multiethnischen und multireligiösen Landes wider, die sich aus jahrtausendealten kulturellen Traditionen speist, die in Teilen die Durchsetzung universeller Menschenrechte behindern. Der Alltag vieler Bevölkerungsgruppen ist von systematischer gesellschaftlicher Benachteiligung geprägt. Ursache hierfür sind häufig tief verwurzelte soziale Praktiken wie das Kastenwesen und der niedrige Bildungsstand von Teilen der Bevölkerung und weniger systematische Menschenrechtsverletzungen durch den Staat (AA 5.6.2023).
In Jammu und Kaschmir (J K) begehen sowohl indische Sicherheitskräfte (FH 2025b) als auch Aufständische Menschenrechtsverletzungen; ebenso in den nordöstlichen Bundesstaaten und in den vom maoistischen Terrorismus betroffenen Gebieten, auch hier kommt es zu Tötungen und Folter von Angehörigen der Streitkräfte, der Polizei, von Regierungsbeamten und Zivilisten, Entführungen sowie die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten. Einige Menschenrechtsbeobachter in J K sind in der Lage, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, aber Berichten zufolge werden sie von den Sicherheitskräften, der Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden gelegentlich bei ihrer Arbeit gestört oder schikaniert (USDOS 23.4.2024). [für mehr Informationen wird auf das Kapitel J K verwiesen]
Die Gesetze gestatten der Regierung das Abhören von Gesprächen zum Schutz der Souveränität und Integrität des Landes, der Sicherheit des Staates, der freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten, der öffentlichen Ordnung oder zur Verhinderung der Anstiftung zur Begehung einer Straftat. Es gab Berichte, wonach Regierungsbehörden willkürlich oder unrechtmäßig oder ohne entsprechende rechtliche Befugnisse auf private Kommunikation zugriffen, diese sammelten oder nutzten und Praktiken entwickelten, die einen willkürlichen oder unrechtmäßigen Eingriff in die Privatsphäre ermöglichen, einschließlich des Einsatzes von Technologien zur willkürlichen oder unrechtmäßigen Überwachung oder Beeinträchtigung der Privatsphäre von Personen (USDOS 20.3.2023). Ein landesweites zentrales Überwachungssystem soll es den Behörden ermöglichen, die digitale Kommunikation ohne richterliche Aufsicht in Echtzeit abzuhören (FH 2025a).
Die indische Regierung erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt jedoch erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Die Hauptverantwortung für die Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels liegt bei den indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien, die von der Zentralregierung politisch beaufsichtigt werden (USDOS 15.6.2023). Die Regierung unternimmt kaum glaubwürdige Schritte oder Maßnahmen, um Beamte zu ermitteln und zu bestrafen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 23.4.2024).
Nationale Menschenrechtskommissionen
Seit 1993 gibt es eine Nationale Menschenrechtskommission [Anm.: National Human Rights Commission (NHRC)] als unabhängiges Organ, die auf Antrag oder von Amts wegen Menschenrechtsverletzungen untersuchen und Empfehlungen an die Regierung richten oder beim Obersten Gerichtshof die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen kann (ÖB New Delhi 7.2023). Die NHRC hat ein breit gefächertes Mandat, das ein breites Spektrum von Menschenrechtsfragen abdeckt, darunter auch die Themen Geschlecht, Gender und Behinderung, und ist in den Bereichen Forschung, Bildung und Ausbildung sowie Sensibilisierung tätig. Neben dem NHRC gibt es eine Reihe weiterer nationaler Menschenrechtsinstitutionen, darunter die Nationale Kommission für Frauen, die Nationale Kommission für den Schutz der Rechte des Kindes, die Nationale Kommission für Minderheiten, die Nationale Kommission für zurückgebliebene Klassen, die Nationale Kommission für festgelegte Kasten und die Nationale Kommission für festgelegte Stämme (DFAT 29.9.2023).
Die NHRC ist dem Parlament gegenüber direkt rechenschaftspflichtig, arbeitet aber in enger Abstimmung mit dem Innenministerium und dem Ministerium für Recht und Justiz zusammen. Das Gesetz ermächtigt die NHRC, Vorladungen zu erlassen und Zeugenaussagen zu erzwingen, Unterlagen vorzulegen und öffentliche Dokumente anzufordern. Die NHRC empfiehlt auch angemessene Abhilfemaßnahmen für Missstände in Form von Entschädigungen für die Opfer von Tötungen durch die Regierung oder deren Familien (USDOS 23.4.2024).
Allerdings hat die NHRC weder die Befugnis, die Umsetzung ihrer Empfehlungen durchzusetzen, noch die Kompetenz, sich mit Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen gegen Militär- und Paramilitärpersonal auseinanderzusetzen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Ohne die Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren und mangelnder Ermittlungsbefugnissen ist die Menschenrechtskommission auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen. Die NHRC arbeitet mit verschiedenen Akteuren zusammen, um Menschenrechtsverletzungen zu ahnden und zu verhindern und kooperiert mit NGOs (ÖB New Delhi 7.2023), von denen einige wiederum in NHRC-Ausschüssen vertreten sind (USDOS 23.4.2024). Im Mai 2024 verweigerte die mit den Vereinten Nationen verbundene Globale Allianz nationaler Menschenrechtsinstitutionen der indischen Nationalen Menschenrechtskommission für das zweite Jahr in Folge die Akkreditierung (HRW 16.1.2025), wodurch die NHRC nicht mehr berechtigt ist, das Land im UN-Menschenrechtsrat zu vertreten. Als Gründe für das Ausbleiben der Akkreditierung gelten, Bedenken hinsichtlich der Beteiligung der Polizei an den NHRC-Untersuchungen, die politische Einflussnahme bei Ernennungen und unzureichende Maßnahmen zum Schutz marginalisierter Gruppen (USDOS 23.4.2024).
Der Protection of Human Rights Act, 1993, empfiehlt, dass jeder Bundesstaat eine Menschenrechtskommission einrichtet (ÖB New Delhi 7.2023). Seit September 2023 gibt es bereits in 26 Bundesstaaten Menschenrechtskommissionen, die unter der Schirmherrschaft des NHRC unabhängig arbeiten (USDOS 23.4.2024). In manchen Fällen kann es vorkommen, dass Beschwerden, die an die NHRC gerichtet werden, an eine staatliche Kommission weitergeleitet werden (DFAT 29.9.2023). Menschenrechtsgruppen äußerten jedoch Bedenken, dass staatliche Ausschüsse von der Lokalpolitik beeinflusst werden können und dass diese weniger zu fairen Urteilen fähig sind als die NHRC (USDOS 23.4.2024). Kritiker behaupten, die NHRC und andere offizielle Menschenrechtsgremien auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene sind politisch voreingenommen und ineffektiv. Die staatlichen Menschenrechtskommissionen sind von unterschiedlicher Qualität (DFAT 29.9.2023).
MEINSUNGS- UND PRESSEFREIHEIT, FREIHEIT IM INTERNET
Die Verfassung sieht zwar die Meinungs- (BAMF 9.2024; vgl. FH 16.10.2024) und Redefreiheit vor (FH 16.10.2024), erwähnt aber nicht ausdrücklich die Pressefreiheit; welche allerdings durch das Recht der freien Meinungsäußerung geschützt ist (BAMF 9.2024). In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit 2024 der NGO Reporter ohne Grenzen (RSF) belegt Indien Platz 159 von 180 bewerteten Ländern, was eine Verbesserung um 2 Plätze im Vergleich zum Vorjahr darstellt (RSF 2024; vgl. BAMF 9.2024). Laut USDOS gibt es schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, darunter Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Journalisten, ungerechtfertigte Verhaftungen oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Zensur und die Anwendung oder Androhung der Anwendung von Verleumdungsgesetzen zur Einschränkung der Meinungsäußerung sowie schwerwiegende Einschränkungen der Freiheit im Internet (USDOS 23.4.2024). Das indische Gesetz kriminalisiert bestimmte Ausdrucksformen, die häufig als Grund für die Verhaftung oder Inhaftierung von Personen dienen, die sich online zu politischen und sozialen Themen äußern (FH 16.10.2024). Beleidigung und Verleumdung sind strafbar. Die Regierung nutzt Gesetze, um öffentliche Debatten einzuschränken und Vergeltungsmaßnahmen gegen Journalisten, Mitglieder marginalisierter Gruppen und politische Gegner zu ergreifen. Im Juli 2023 berichteten die Medien, dass die Polizei in Maharashtra in den zwei Jahren davor mehr als 600 Fälle von Beleidigung und Verleumdung gegen Nutzer sozialer Medien wegen anstößiger religiöser Inhalte eingeleitet hatte. Es gibt Berichte über grenzüberschreitende Repressionen der Regierung gegen Journalisten, Angehörige der Diaspora-Bevölkerung, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger (USDOS 23.4.2024).
Die Verfassung enthält zwar kein ausdrückliches Recht auf Privatsphäre, aber der Oberste Gerichtshof entschied 2017, dass die Privatsphäre ein „Grundrecht“ ist. Es wird berichtet, dass die Behörden willkürlich oder unrechtmäßig auf private Kommunikation zugriffen, diese sammeln oder nutzen, um die Privatsphäre von Personen zu überwachen oder zu stören. Die Gesetze gestatten es der Regierung, Anrufe abzuhören, um die Souveränität und Integrität des Landes, die Sicherheit des Staates und die freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten zu schützen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die Anstiftung zur Begehung einer Straftat zu verhindern (USDOS 23.4.2024).
Das Strafgesetzbuch sieht eine Haftstrafe von zwei bis sieben Jahren für aufrührerische, obszöne oder verleumderische Äußerungen vor; für Personen, die „Feindschaft zwischen verschiedenen Gruppen aufgrund von Religion, Volkszugehörigkeit, Geburtsort, Wohnort oder Sprache“ schüren; für Äußerungen, die als „der Aufrechterhaltung der Harmonie abträglich“ angesehen werden oder aus Äußerungen, Gerüchten oder Berichten bestehen, die Angst oder Besorgnis hervorrufen, die öffentliche Ruhe stören oder Feindseligkeit oder Böswilligkeit schüren können. Das Gesetz über Amtsgeheimnisse (Official Secrets Act) kriminalisiert die Weitergabe von Informationen, die der Souveränität und Integrität Indiens schaden könnten. Das Gesetz über die nationale Sicherheit erlaubt es der Polizei, eine Person bis zu einem Jahr ohne Anklage festzuhalten, und wird im Zusammenhang mit Äußerungen im Internet herangezogen (FH 16.10.2024). Die Behörden beriefen sich auf Gesetze gegen Terrorismus oder zum Schutz der nationalen Sicherheit, um Kritiker der Regierung zu verhaften oder zu bestrafen. Medienbeobachtergruppen äußerten sich besorgt über die „exzessive“ Anwendung des Gesetzes zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (Unlawful Activities Prevention Act, UAPA) gegen Journalisten (USDOS 23.4.2024).
Einzelpersonen üben ihr Recht auf freie Meinungsäußerung aus, indem sie regelmäßig öffentlich und privat über Online-Plattformen, Fernsehen, Radio oder Printmedien Kritik an der Regierung üben (USDOS 23.4.2024; vgl. BAMF 9.2024). Unabhängige Medien sind aktiv und bringen im Allgemeinen ein breites Spektrum von Meinungen zum Ausdruck, darunter auch regierungskritische. Einige Medien sehen sich jedoch zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt und es gibt zahlreiche Fälle, in denen die Regierung oder regierungsnahe Akteure Druck auf regierungskritische Medien ausüben oder diese schikanieren. Medienunternehmen und einzelne Journalisten, die regierungskritische Ansichten äußern, werden gelegentlich verhaftet, bedroht oder eingeschüchtert. Berichten zufolge durchsucht die Polizei Arbeitsplätze und Wohnungen von Journalisten und beschlagnahmt Telefone, Laptops und andere Ausrüstung. Es gibt auch Berichte über Aufständische und Extremisten, die Morde, Gewalt und Einschüchterungen gegen regierungskritische Journalisten verübten. Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefühle verletzen oder Feindseligkeiten zwischen Gruppen schüren könnten (USDOS 23.4.2024). Menschen laufen Gefahr, wegen politischer, gesellschaftlicher oder religiöser Äußerungen oder anderer Online-Inhalte, die die Behörden als anstößig oder abwertend erachten, festgenommen und inhaftiert zu werden, insbesondere bei großen politischen Ereignissen (FH 16.10.2024). Die Behörden berufen sich auf diese Bestimmungen, um Print- und Rundfunkmedien, digitale Medienplattformen einschließlich Streaming-Dienste sowie die Veröffentlichung oder Verbreitung von Büchern einzuschränken. Organisationen der Zivilgesellschaft äußerten die Befürchtung, dass regierungsnahe Geschäftsinteressen, die Anteile an Medienorganisationen erwerben, die Unabhängigkeit der Medien gefährden können. Die Presse und andere Medien berichten, dass sie aus Angst vor Repressalien der Regierung Selbstzensur üben. Die Verstümmelung oder Beschädigung der Nationalflagge wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft (USDOS 23.4.2024).
Freiheit im Internet
Die Regierung schränkte den Internetzugang ein, unterbrach ihn in einigen Fällen und zensierte Online-Inhalte (USDOS 23.4.2024; vgl. AI 24.4.2024). Die indischen Behörden verhängen nach wie vor die weltweit meisten Internetsperren (HRW 16.1.2025; vgl. BAMF 9.2024) und verstoßen damit gegen indische Gesetze und internationale Menschenrechtsstandards. Die Abschaltungen treffen sozial und wirtschaftlich marginalisierte Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark, da ihnen der Zugang zu kostenlosen oder subventionierten Lebensmittelrationen und Lebensgrundlagen verwehrt wird (HRW 16.1.2025). Aufgrund der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen ist das Internet unverzichtbar für den Zugang zu staatlichen Sozialprogrammen, wie der Arbeitsgarantie durch den Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (NREGA), dem öffentlichen Verteilungssystem im Rahmen des Food Security Act und für E-Government im ländlichen Raum. Seit Januar 2023 verlangt die Regierung von allen NREGA-Beschäftigten eine digitale Anwesenheitskontrolle. Zu diesem Zweck werden die Beschäftigten mit einem Geo-Tag versehen und zweimal täglich fotografiert. Dies erfolgt über eine Online-Anwesenheits-App, die die Transparenz erhöhen und die Kontrolle der Bürger über die NREGA-Arbeiten verbessern soll. Auch für die Lohnzahlung im Zuge des NREGA sind die Menschen auf Internetzugang angewiesen. Zudem gibt es Berichte, dass für die Beschaffung von Lebensmittelrationen eine biometrische Authentifizierung notwendig ist (HRW 14.6.2023).
Laut Anweisungen des Obersten Gerichtshofs darf der Internetzugang nur in unvermeidbaren Situationen gesperrt und Sperranordnungen müssen veröffentlicht werden (USDOS 23.4.2024). Die Behörden begründen Internetsperren in der Regel damit, dass es sich um Vorsichtsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, zur Eindämmung potenzieller Gewalt oder sozialer Spannungen, zur Eindämmung von Protesten, zur Verhinderung der Verbreitung falscher Informationen oder von Betrug bei Schulprüfungen handelt (FH 16.10.2024). Es wird auch berichtet, dass die Regierung häufig Nutzer digitaler Medien wie Chatrooms und persönliche Kommunikation überwacht (USDOS 23.4.2024). Berichten zufolge betreibt die indische Regierung mehrere verschiedene technische Überwachungssysteme im Interesse der nationalen Sicherheit und der Strafverfolgung. Das Central Monitoring System (CMS) ermöglicht es den Regierungsbehörden, sämtliche Online-Aktivitäten, einschließlich Telefongespräche, Textnachrichten und VoIP-Kommunikation (Voice over Internet Protocol), abzufangen (FH 16.10.2024). Das Gesetz erlaubt es der Regierung, Internetseiten und -inhalte zu sperren, und stellt das Versenden von Nachrichten, die die Regierung als aufrührerisch oder beleidigend erachtet, unter Strafe. Sowohl die Zentralregierung als auch die Regierungen der Provinzen sind befugt, Anordnungen zum Blockieren, Abfangen, Überwachen oder Entschlüsseln von Computerinformationen zu erlassen. Gerichtsurteile und Gesetze legen die Bedingungen und Verfahren für die Sperrung des Internetzugangs fest. Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupten, dass die Behörden diese Anforderungen nicht konsequent erfüllen (USDOS 23.4.2024).
VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT, OPPOSITION
Das Gesetz sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor. Während die Regierung das Recht auf Versammlungsfreiheit oft respektiert (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 23.4.2024), kommt es dennoch zu gelegentlichen Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit, insbesondere für Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen, Minderheitengruppen, Menschenrechtsverteidiger und regierungskritische Personen (USDOS 23.4.2024) sowie in Konfliktregionen (AA 5.6.2023). Die politische Partizipation ist grundsätzlich frei, wird aber in einigen Regionen durch die Gewalt der Aufständischen behindert. Unabhängig davon versuchen einige politische Akteure, lokale Spannungen zu schüren, um ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren, und gleichzeitig ihre Gegner einzuschüchtern (FH 2025a).
Das Versammlungsrecht ist gesetzlich eingeschränkt. Eine Bestimmung der Strafprozessordnung erlaubt es den Behörden, öffentliche Versammlungen einzuschränken und Ausgangssperren zu verhängen, wenn dies zur „unmittelbaren Verhinderung oder schnellen Unterbindung“ erforderlich ist (FH 2025a). Die Behörden verlangten häufig eine Genehmigung und Anmeldung für Paraden oder Demonstrationen, und die lokalen Regierungen respektierten im Allgemeinen das Recht, sich friedlich zu versammeln und seine Meinung zu äußern (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Obwohl es regelmäßig zu friedlichen Demonstrationen kommt, sind die Regierungen des Landes und einiger Bundesstaaten dafür bekannt, Versammlungsverbote zu verhängen, das Internet zu stören, Gewalt anzuwenden, um Proteste zu unterdrücken oder den Zugang zu Rechtsbeistand zu verwehren (FH 2025a). NGOs berichteten, dass diejenigen, die gegen die Regierungspolitik oder Gesetze protestieren, mit Einschränkungen, Repressalien oder Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden konfrontiert sind (USDOS 23.4.2024). Im Februar 2024 beriefen sich die Behörden in mehreren Regionen auf Artikel 144 des Strafgesetzbuchs, der unter bestimmten Umständen Versammlungen von mehr als vier Personen verbietet (FH 2025a).
Die indischen Behörden nutzten Gesetze gegen ausländische Finanzierung wie das Gesetz zur Regulierung ausländischer Beiträge (Foreign Contribution Regulation Act - FCRA) (HRW 16.1.2025; vgl. FH 2025a, USDOS 23.4.2024), Antiterrorgesetze, fingierte Finanzermittlungen und andere Mittel, um gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Aktivisten vorzugehen (HRW 16.1.2025). Den Behörden wird vorgeworfen, diese Macht gezielt gegen vermeintliche politische Gegner einzusetzen (FH 2025a). Im Januar 2024 entzogen die Behörden dem Forschungsinstitut Centre for Policy Research und der christlichen Wohltätigkeitsorganisation World Vision India, die humanitäre Hilfe für Kinder in einkommensschwachen Gemeinden leistet, die FCRA-Lizenzen. Die neuen Strafgesetze, die im Juli 2024 in Kraft traten, erweitern die Befugnisse der Polizei und geben Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit, friedliche Versammlung und faires Gerichtsverfahren (HRW 16.1.2025) [siehe NGOs und Menschenrechtsaktivisten].
Gewerkschaften
Obwohl Arbeitnehmer in der formellen Wirtschaft regelmäßig ihr Recht auf Tarifverhandlungen und Streiks wahrnehmen, ermöglichten Gesetze wie das Gesetz zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung (Essential Services Maintenance Act) der Regierung, bestimmte Streiks zu verbieten (FH 2025a). Das Gesetz sieht das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften sowie das Recht auf Tarifverhandlungen vor (USDOS 23.4.2024). Allerdings haben öffentliche Angestellte eingeschränktere Organisationsrechte (FH 2025a) und private Arbeitgeber sind gesetzlich nicht verpflichtet, Gewerkschaften anzuerkennen oder Verhandlungen zu führen (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024). Gewerkschaftsführer können im Allgemeinen frei von Drohungen und Gewalt seitens der Regierung und der Arbeitgeber agieren. Die Arbeitgeber weigern sich nur selten, mit den Gewerkschaften zu verhandeln (USDOS 23.4.2024). Gewerkschaften spielen in Indien jedoch eine relativ geringe Rolle, da nur etwa 10 % der arbeitenden Bevölkerung im formellen Sektor beschäftigt sind und nur ca. 8 % der indischen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind (ÖB New Delhi 7.2023). In J K werden die Gewerkschaftsrechte in der Praxis nicht konsequent gewahrt. Im Februar 2024 verhaftete die Polizei von J K 50 Gewerkschaftsmitglieder, die sich auf eine Protestkundgebung zur Unterstützung der laufenden Bauerndemonstrationen vorbereiteten (FH 2025b).
Opposition
Die Parteienlandschaft ist vielfältig und die politische Opposition kann sich frei betätigen (AA 5.6.2023). Politische Parteien können sich in der Regel ungehindert bilden (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024), und in der Praxis konkurrieren zahlreiche Parteien mit unterschiedlichen Ansichten und Interessen (FH 2025a). Neben den großen nationalen Parteien, wie die hindu-konservative Partei Bharatiya Janata Party (BJP), die seit 2014 an der Macht ist, und die säkulare Kongresspartei Indian National Congress (INC) (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023), einstige Regierungspartei und nun führende Oppositionspartei (ÖB New Delhi 7.2023), gibt es auch überregional wirkende kommunistische Parteien sowie eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023).
Die Wahlen zu Gemeindeversammlungen, Stadträten und Parlamenten auf bundesstaatlicher wie nationaler Ebene sind frei, gleich und geheim. Sie werden - ungeachtet von Problemen, die aus der Größe des Landes, verbreiteter Armut bzw. hoher Analphabetenrate und örtlich vorkommender Manipulationen resultieren - nach Einschätzung internationaler Beobachter korrekt durchgeführt (AA 5.6.2023). Wahlberechtigt ist jeder indische Staatsbürger ab 18, sofern er nicht aus bestimmten Gründen (Unzurechnungsfähigkeit, Verbrechen, etc.) ausgeschlossen ist. Die Wahlbeteiligung ist generell hoch und zeugt vom ausgeprägten politischen Bewusstsein der indischen Bürger (ÖB New Delhi 7.2023). Es gibt keine Beschränkungen für die Teilnahme von Einzelpersonen jeglicher Gemeinschaft an den Wahlen, doch berichteten Mitglieder der politischen Oppositionsparteien von Hindernissen, darunter Repressalien für Kritik an Regierungsbeamten oder der Politik, Desinformationsangriffe und die Unmöglichkeit, soziale Medien frei für Wahlkampfzwecke zu nutzen (USDOS 23.4.2024). Die regierende BJP hat verschiedene Instrumente eingesetzt, um den Wahlkampf der Oppositionsparteien einzuschränken. Die Regierung hat durch das Central Bureau of Investigation (CBI) und das Enforcement Directorate (ED), das für die Untersuchung von Finanzkriminalität zuständig ist, gezielte Korruptionsermittlungen gegen Oppositionspolitiker durchgeführt, während Vorwürfe gegen politische Verbündete ignoriert werden (FH 2025a).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikale (z. B. maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 5.6.2023). Es gibt keine Berichte der Regierung über politische Gefangene oder Inhaftierte. Allerdings berichten Organisationen der Zivilgesellschaft, Angehörige von Randgruppen und politische Minderheitenparteien mehrfach über politische Gefangene. Sie machen geltend, dass es sich bei denjenigen, die wegen Terrorismus, Verleumdung oder Aufwiegelung inhaftiert oder angeklagt sind, um politische Gefangene handelt, die häufig wegen ihrer Rede, ihres Eintretens oder ihrer gewaltlosen Kritik an der Regierung festgehalten werden (USDOS 23.4.2024). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kashmiris) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023). Menschenrechtsaktivisten berichten, dass die Regierung Spionageprogramme gegen Oppositionspolitiker, Journalisten und andere Personen von Interesse einsetzt (USDOS 23.4.2024).
Die in Indien weitverbreitete Praxis der „Resortpolitik“ [Anm.: "Luxus Hotel Politik"], bei der politische Führer Abgeordnete unter Druck setzen oder isolieren, um gesetzgeberische oder andere politische Entscheidungen zu beeinflussen, hat zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der demokratischen Integrität geführt. In früheren Berichten wurden Fälle geschildert, in denen Dutzende von Abgeordneten in Luxushotels gebracht wurden, wo sie blieben, während an einem anderen Ort wichtige Gesetzgebungs- oder andere Sitzungen stattfanden (FH 2025a; vgl. NYT 23.11.2024).
HAFTBEDINGUNGEN
Die Haftbedingungen sind häufig lebensbedrohlich (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) und entsprechen nicht den westlichen Standards (ÖB New Delhi 7.2023), vor allem wegen der extremen Überbelegung, der unzureichenden sanitären Bedingungen und der mangelnden medizinischen Versorgung (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Nach Regierungsangaben ist ein großer Teil der Todesfälle in den Gefängnissen auf Krankheiten wie Tuberkulose und HIV/Aids zurückzuführen, deren Verlauf durch die Haftbedingungen und mangelhafte Versorgung verschlimmert bzw. beschleunigt wird (AA 5.6.2023). Darüber hinaus wurden Vorwürfe über die Tötung von Häftlingen durch Polizisten oder Gefängniswärter erhoben, wobei diese Tötungen in einigen Fällen fälschlicherweise als Selbstmorde oder Todesfälle natürlichen Ursprungs eingestuft wurden (USDOS 23.4.2024). Misshandlungen von Inhaftierten (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024) durch das Gefängnispersonal, insbesondere von Angehörigen marginalisierter Gruppen, sind weit verbreitet (FH 2025a). Das Gesetz verlangt eine gerichtliche Untersuchung jedes Todesfalls in der Haft. Laut Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch hält sich die Polizei bei Festnahmen, Todesfällen in Gewahrsam oder Folter nicht an die vorgeschriebenen Verfahren. Dies führt dazu, dass die tatsächliche Todesursache bei Untersuchungen zu verdächtigen Todesfällen nicht eindeutig ermittelt werden kann und die Statistiken somit unzuverlässig sind (DFAT 29.9.2023).
Die internationale Datenbank World Prison Brief beziffert die Zahl der Inhaftierten im Dezember 2022 auf 573.220, davon 75,8 % in Untersuchungshaft und 4,1 % Frauen, bei einer offiziellen Kapazität des Gefängnissystems von 436.266 Haftplätzen in 1.330 Haftanstalten (WPB 31.12.2022). Medienberichten zufolge trägt die hohe Zahl der Untersuchungshäftlinge zur Überfüllung der Gefängnisse bei (USDOS 23.4.2024). Auf Geschlechtertrennung wird geachtet (ÖB New Delhi 7.2023). Das Gesetz schreibt die Inhaftierung von Jugendlichen in Rehabilitationseinrichtungen vor, doch manchmal hielten die Behörden Jugendliche in Erwachsenengefängnissen fest, insbesondere in ländlichen Gebieten (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).
Die Gefängnisse und Haftanstalten gelten als unterfinanziert und personell unterbesetzt, und es fehlt an ausreichender Infrastruktur. Trinkwasser ist nicht flächendeckend verfügbar (USDOS 23.4.2024). Die Bedingungen variieren von Gefängnis zu Gefängnis, obwohl die Einrichtungen in den zentralen Gefängnissen im Allgemeinen besser sind als die der Bezirksgefängnisse (DFAT 29.9.2023). Es gibt drei Klassen der Unterbringung, wobei die Kategorie A gewisse Privilegien (Einzelzelle, Transistorradio, Verpflegung durch Angehörige) bietet. Der Großteil der Gefangenen (Kategorie C) muss sich allerdings mit spärlichen Verhältnissen zufriedengeben. Hier ist es die Regel, dass sich bis zu 50 Inhaftierte eine Großraumzelle teilen müssen, keine Betten zur Verfügung stehen und im Winter Decken fehlen (ÖB New Delhi 7.2023). Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, für die Hygiene sind die Häftlinge selbst verantwortlich und rudimentäre ärztliche Versorgung ist ebenfalls regelmäßig gewährleistet (AA 5.6.2023). Doch kann jeder Häftling die Haftbedingungen hinsichtlich Unterbringung, Hygiene, Verpflegung und medizinischer Behandlung durch Geldzahlungen verbessern. Auch ist es üblich, dass Häftlinge von Verwandten zusätzlich versorgt werden (AA 5.6.2023).
Berichten zufolge halten sich Polizei und Gefängnispersonal häufig nicht an die Anordnung des Obersten Gerichtshofs zur Durchführung regelmäßiger Kontrollen zur Überwachung der Gewalt in den Gefängnissen. Die Behörden gestatten Häftlingen Beschwerden bei nationalen und [bundes-]staatlichen Menschenrechtskommissionen, deren Befugnisse sich jedoch darauf beschränken, Empfehlungen auszusprechen. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) erhält laufend Beschwerden von Gefangenen über Menschenrechtsverletzungen und führt Untersuchungen durch. Laut Vertretern der Zivilgesellschaft reichen nur wenige Häftlinge Beschwerde ein, weil sie Vergeltungsmaßnahmen von Gefängniswärtern oder Beamten befürchten (USDOS 23.4.2024).
Jeder indische Bundesstaat hat seine eigene Gefängnisordnung. Demnach müssen alle Gefängnisse sowohl offizielle als auch inoffizielle Besucher empfangen. Offizielle Besucher sind Bezirksbeamte, Richter, Mitglieder der gesetzgebenden Versammlungen und oft auch staatliche Menschenrechtskommissionen. Inoffizielle Besucher sind angesehene Einwohner. Zusammen bilden sie einen Besucherausschuss (Board of Visitors), der die Gefängnisse inspiziert, sich trifft und Lösungen für Probleme im Zusammenhang mit der Gefängnisverwaltung und dem Wohlergehen der Gefangenen diskutiert (CwHRI o.D.). Die NHRC führte in mehreren Bundesstaaten unangekündigte Besuche zur Überwachung staatlicher Gefängnisse durch. Weder die NHRC noch die Boards of Visitors, beides staatliche Institutionen, die unabhängig arbeiten sollen, waren verpflichtet, Berichte über ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Die Zuständigkeit des NHRC erstreckte sich nicht auf militärische Haftanstalten (USDOS 23.4.2024).
Das Nationale Sicherheitsgesetz erlaubt es Familienangehörigen und Anwälten, Personen zu besuchen, die aus Gründen der nationalen Sicherheit inhaftiert sind. Außerdem verpflichtet es die Behörden, die Inhaftierten innerhalb von fünf Tagen, in Ausnahmefällen bis zu 15 Tagen, über die Haftgründe zu informieren. Menschenrechtsaktivisten berichten von Fällen, in denen diese Bestimmungen nicht eingehalten werden. Es wird berichtet, dass Gefängniswärter manchmal Schmiergelder von Familien verlangen, um die Inhaftierung ihrer Angehörigen zu bestätigen. Eine Ausnahme gibt es in Jammu und Kaschmir, hier ist es den Behörden erlaubt, Personen ohne Anklage oder gerichtliche Überprüfung bis zu zwei Jahre lang festzuhalten, ohne dass Familienangehörige sie besuchen dürfen (USDOS 23.4.2024).
RELIGIONSFREIHEIT
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USCIRF 5.2024; vgl. USDOS 30.6.2024, AA 5.6.2023). Artikel 25 gewährt allen Menschen Gewissensfreiheit, einschließlich des Rechts, eine Religion auszuüben, sich zu einer Religion zu bekennen und zu verbreiten (USCIRF 5.2024; vgl. USDOS 30.6.2024). Nach der Volkszählung von 2011, dem letzten Jahr, für das aufgeschlüsselte Zahlen vorliegen, gibt es 79,8 % Hindus, 14,2 % Muslime, 2,3 % Christen und 1,7 % Sikhs. Nach der Volkszählung von 2011 gehören zu den Gruppen, die zusammen weniger als 2 % der Bevölkerung ausmachen, Buddhisten, Jain, Zoroastrier (Parsen), Juden und Bahais (USCIRF 5.2024; vgl. USDOS 30.6.2024, CIA 16.1.2025). Sie entsenden auch jeweils Vertreter in eine staatliche Nationale Minderheiten-Kommission (ÖB New Delhi 7.2023). Die jüdische Gemeinde umfasst schätzungsweise 4.650 Personen (USDOS 23.4.2024). Das Bundesgesetz verleiht sechs religiösen Gruppen einen offiziellen Minderheitenstatus: Muslime, Sikhs, Christen, Parsen, Jain und Buddhisten. Die Regierungen der Bundesstaaten können religiösen Gruppen, die in einer bestimmten Region eine Minderheit darstellen, den Status einer Minderheit gemäß den Gesetzen der Bundesstaaten zuerkennen. Angehörige anerkannter Minderheitengruppen haben Anspruch auf staatliche Unterstützungsprogramme. In der Verfassung heißt es, dass die Regierung für den Schutz der Minderheiten verantwortlich ist und ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Kultur zu bewahren (USDOS 30.6.2024).
Die Nationale Minderheitenkommission, der laut Gesetz Vertreter der sechs benannten religiösen Minderheiten angehören sollen, und die Nationale Menschenrechtskommission untersuchen Vorwürfe der religiösen Diskriminierung. Zwei der für religiöse Minderheiten reservierten Sitze in der Kommission sind unbesetzt. Die Kommission untersteht dem Ministerium für Minderheitenangelegenheiten, das für die Formulierung der Gesamtpolitik und die Planung, Koordinierung, Bewertung und Überprüfung von Vorschriften und Programmen zugunsten aller Minderheitengemeinschaften, einschließlich religiöser Minderheiten, zuständig ist. Achtzehn der 28 Bundesstaaten des Landes und das National Capital Territory Delhi haben staatliche Minderheitenkommissionen. Diese Kommissionen haben keine Durchsetzungsbefugnisse, können aber der Regierung Empfehlungen zur Einhaltung von Verträgen und anderen internationalen Instrumenten geben, Untersuchungen auf der Grundlage schriftlicher Beschwerden über straf- oder zivilrechtliche Verstöße (einschließlich religiöser Diskriminierung) durchführen, den Strafverfolgungsbehörden Ergebnisse vorlegen und Empfehlungen für die Entschädigung von Opfern aussprechen (USDOS 30.6.2024).
Das Zusammenleben der Religionen wird als weitgehend friedlich beschrieben (AA 5.6.2023). Trotzdem hat sich die Lage der Religionsfreiheit im Jahr 2023 weiter verschlechtert (USCIRF 5.2024). Spannungen zwischen Hindus und Muslimen führen regelmäßig zu Ausschreitungen (ÖB New Delhi 7.2023) und Fällen von kommunaler Gewalt (USDOS 30.6.2024). Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung verstärkt eine diskriminierende nationalistische Politik, setzt eine diskriminierende Rhetorik fort und versäumt es, gegen kommunale Gewalt vorzugehen, von der Muslime, Christen, Sikhs, Dalits, Juden und Adivasi (indigene Völker) unverhältnismäßig stark betroffen sind. Die fortgesetzte Durchsetzung des Unlawful Activities Prevention Act (UAPA), des Foreign Contribution Regulation Act (FCRA), des Citizenship Amendment Act (CAA) und der Anti-Konversions- und Kuhschlachtgesetze führt zu willkürlichen Verhaftungen, Überwachungen und Angriffen auf religiöse Minderheiten und diejenigen, die sich für sie einsetzen (USCIRF 5.2024; vgl. HRW 16.1.2025).
Die indischen Behörden verüben zunehmend auch grenzüberschreitende (transnationale) Repressionen gegen religiöse Minderheiten im Ausland (USCIRF 5.2024; vgl. FH 20.2.2024), z. B. gegen Mitglieder der Sikh Khalistan Bewegung (FP 20.6.2024; vgl. FH 20.2.2024). Grenzüberschreitende Repression (Transnational Repression) ist, wenn ausländische Regierungen in fremde Staaten hineinwirken, um Mitglieder ihrer Diaspora- und Exilgemeinschaften einzuschüchtern, zum Schweigen zu bringen, zu nötigen, zu schikanieren oder ihnen Schaden zuzufügen (FBI 16.12.2024; vgl. NSICOP 2.8.2024). Angriffe auf das Recht auf Religionsfreiheit betreffen vor allem Frauen und Mädchen und führen dazu, dass sie noch stärker ausgegrenzt werden; z. B. in Folge des Kopftuchverbotes in Schulen und Hochschulen des Bundesstaates Karnataka, wodurch eine wirksame Teilhabe von Frauen und Mädchen an der Gesellschaft und den Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (AI 24.4.2024).
In der Verfassung ist festgelegt, dass der Staat sich um ein einheitliches Zivilgesetzbuch bemüht, das für Angehörige aller Religionen im ganzen Land gilt. Anstelle eines einheitlichen Zivilgesetzbuches gelten jedoch für Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften in Fragen der Eheschließung, Scheidung, Adoption und Erbschaft je nach Religion, Glauben und Kultur unterschiedliche Personenstandsgesetze (USDOS 30.6.2024). Langfristig plant die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) die Einführung eines einheitlichen Zivilrechts (AA 5.6.2023).
Im Hinduismus gilt die Kuh als heilig (DFAT 29.9.2023). In 25 der 28 Staaten gelten teilweise oder vollständige Beschränkungen für die Schlachtung von Rindern. Die Strafen variieren von Staat zu Staat und können je nachdem, ob es sich um eine Kuh, ein Kalb, einen Stier oder einen Ochsen handelt, unterschiedlich sein. Das Verbot betrifft vor allem Muslime und Angehörige der gelisteten Kasten (Scheduled Castes, SC) und der registrierten Stammesgemeinschaften (Scheduled Tribes, ST), die traditionell Rindfleisch konsumieren. Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, darunter Tötungen, Übergriffe und Einschüchterungen, ereigneten sich in verschiedenen Bundesstaaten, darunter auch Fälle von "Kuh-Vigilantismus" aufgrund von Anschuldigungen, dass muslimische Männer an Kuhschlachtungen oder dem Handel mit Rindfleisch beteiligt sind (USDOS 30.6.2024; vgl. HRW 16.1.2025).
Konversion und Anti-Konversions-Gesetze
12 von 28 Staaten haben Gesetze, die den Religionswechsel für alle Glaubensrichtungen einschränken (USCIRF 10.2024). Der UN-Menschenrechtsausschuss (CCPR [Anm.: Human Rights Commitee oder auch Committee on Civil and Political Rights]) des UN-Zivilpakts [Anm.: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, ICCPR] berichtet über die missbräuchliche Anwendung von Gesetzen in mehreren indischen Bundesstaaten, die angeblich erzwungene religiöse Konversionen verhindern sollen, jedoch in einer Weise angewandt werden, die das Recht auf Religionsfreiheit einschränkt und verletzt. Die Gesetze enthalten Bestimmungen, die Einzelpersonen verpflichten, die Behörden über ihre Konversionsabsichten zu informieren, enthalten vage Formulierungen, die Beamten weitreichende Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf religiöse Konversionen einräumen, sehen härtere Strafen für Konversionen von Minderheitengruppen vor, betrachten interreligiöse Ehen als mutmaßlich illegal oder legen die Beweislast auf den Angeklagten, um zu zeigen, dass eine Konversion nicht erzwungen wurde. (CCPR 2.9.2024).
Die Kriminalisierung religiöser Konversionen ist weiterhin ein großes Problem (BS 19.3.2024). Konversionsgesetze verbieten "erzwungene" Konversionen, wobei (je nach staatlichem Gesetz) Gewalt "Verlockung", Betrug oder Nötigung bedeuten kann. Die Gesetze schreiben vor, dass für die Umwandlung ein bürokratisches Verfahren (Formulare, Gebühren, Genehmigungen) durchgeführt werden muss (DFAT 29.9.2023). Auf Grundlage dieser, in mehreren Bundesstaaten bestehenden Gesetze, kann außerdem nahezu jede Aktivität religiöser Minderheiten als unlauterer Versuch einer Zwangsbekehrung interpretiert werden. Dies kann bereits für ein öffentliches Gebet oder karitative Hilfsangebote gelten (BAMF 16.1.2023). Solche Gesetze erschweren es Menschen, vom Hinduismus zu einer anderen Religion zu konvertieren, und verwenden eine weit gefasste Formulierung, die dazu führt, dass religiöse Minderheiten ins Visier genommen werden (USCIRF 5.2024). Die Gesetzgebung zu religiösen Konversionen wird von religiösen Minderheitengruppen heftig kritisiert, die zunehmend von hindu-nationalistischen Organisationen schikaniert werden (BS 19.3.2024).
Die Strafen und die Durchsetzung der Gesetze sind von Staat zu Staat unterschiedlich, können aber Gefängnisstrafen beinhalten (DFAT 29.9.2023). Viele dieser Gesetze wurden als Reaktion auf den sogenannten "Liebesdschihad" erlassen, eine angebliche Praxis (DFAT 29.9.2023; vgl. FH 2025a) bzw. Verschwörungstheorie (FH 2025a, USCIRF 10.2024), bei der muslimische Männer hinduistische Frauen (oder Mädchen) heiraten, um sie zum Islam zu bekehren (DFAT 29.9.2023; vgl. FH 2025a, USCIRF 10.2024). Der CCPR berichtet darüber hinaus über sogenannte „Ghar Wapsi“-Zeremonien, bei denen religiöse Minderheiten angeblich gezwungen werden, zum Hinduismus zu konvertieren. Berichten zufolge sind in den letzten zehn Jahren Tausende von Christen und Muslimen bei solchen Zeremonien zum Hinduismus übergetreten (CCPR 2.9.2024).
Mehrere Urteile des Supreme Courts [Anm.: Oberster Bundesgerichtshof Indiens] und einiger High Courts [Anm.: bundesstaatliche Höchstgerichte] haben die Präsidialverordnung von 1950 bestätigt, die im Wesentlichen besagt, dass diejenigen, die zu einer anderen Religion konvertieren - insbesondere Islam oder Christentum - und den Hinduismus, Buddhismus oder Sikhismus aufgeben, ihren rechtlichen Status als Mitglied einer SC und damit den Anspruch auf Leistungen und Vorteile, die sich daraus ergeben, verlieren (OpIndia 23.9.2022; vgl. CCPR 2.9.2024).
Sikhs
In Indien sind 1,7 % und im Bundesstaat Punjab 54 % der Bevölkerung Sikhs (USDOS 30.6.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Der Sikhismus ist die vorherrschende Religion im Punjab. Auch in den benachbarten Bundesstaaten Haryana, Delhi, Rajasthan, Uttar Pradesh und Uttarakhand gibt es eine große Zahl von Sikhs (DFAT 29.9.2023).
Die Verfassung legt fest, dass jeder gesetzliche Verweis auf Hindus so zu verstehen ist, dass er auch Anhänger des Sikhismus, Jainismus und Buddhismus einschließt. Das bedeutet, dass sie den für Hindus geltenden Gesetzen unterliegen, wie z. B. dem Hindu Marriage Act. Spätere Gesetze verwenden das Wort Hindu weiterhin als Kategorie, die Sikhs, Buddhisten, Bahai und Jains umfasst, identifizieren diese Gruppen jedoch als separate Religionen, deren Anhänger unter das Gesetz fallen (USDOS 30.6.2024). Im Dezember 2019 verabschiedete das Parlament das Citizenship (Amendment) Act (CAA), das einen beschleunigten Weg zur Staatsbürgerschaft für Sikhs vorsieht, wenn sie aus Afghanistan, Pakistan oder Bangladesch nach Indien gekommen sind (AA 5.6.2023; vgl. USDOS 30.6.2024).
Punjabis haben wie alle Staatsbürger im ganzen Unionsgebiet Niederlassungsfreiheit (ÖB New Delhi 7.2023). Es wird angenommen, dass Sikhs in Indien im Allgemeinen einem geringen Maß an offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind. Sie können aber Ziele örtlich begrenzter Diskriminierung werden (DFAT 29.9.2023). Die Sikhs, 60 % der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen (auch bundesweit – praktisch alle indischen Generalstabschefs der Bundesarmee waren bisher Sikhs) offen. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden. Verhaftungen erfolgen allerdings, sobald jemand offen eine verbotene Organisation (z. B. das Khalistan Movement) unterstützt (ÖB New Delhi 7.2023).
Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (Sikhs, insbes. Khalistan-Separatisten, Kaschmiris) werden von indischer Seite beobachtet und registriert. Personen, die im Ausland eine in Indien verbotene Vereinigung unterstützen, werden nach ihrer Rückkehr in Indien strafrechtlich verfolgt. Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland unterstützen radikale Sikh-Organisationen auch finanziell. Die in Indien verbotenen militanten Sikh-Organisationen sind: Babbar Khalsa International, Khalistan Commando Force, Khalistan Zindabad Force, International Sikh Youth Federation (ÖB New Delhi 7.2023). Die Khalistan-Bewegung ist eine politische Ideologie, die von Sikhs vertreten wird. Sie fordert die Schaffung eines autonomen Heimatlandes für die Sikhs (EB 17.3.2025b). Die Forderung nach einem unabhängigen Sikh-Staat war in den zurückliegenden Jahren im Zusammenhang mit den Bauernprotesten 2021 erstmals wieder prominent in Erscheinung getreten. In den Jahren davor war es um die in den 1980er Jahren entstandene Khalistan-Bewegung ruhig geblieben. Im März 2023 kam es zu einem mehrtägigen Polizeieinsatz und zahlreichen Verhaftungen nachdem bewaffnete Anhänger des Sikh-Predigers Amritpal Singh ein Polizeirevier in Amritsar überfallen hatten (BAMF 20.3.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).
BEWEGUNGSFREIHEIT UND MELDEWESEN
Die Verfassung gewährt den Bürgern das Recht, sich in jedem Teil des indischen Staatsgebiets aufzuhalten und niederzulassen (FH 2025a; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) sowie landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung werden gesetzlich gewährt, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Allerdings verlangen das Innenministerium und die Regierungen der Bundesstaaten von ihren Bürgern Sondergenehmigungen, wenn sie in bestimmte Bundesstaaten reisen wollen. In den Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram und Manipur sind sogenannte Inner Line Permits erforderlich (USDOS 23.4.2024). Die Bewegungsfreiheit wird in einigen Teilen des Landes durch aufständische Gewalt oder kommunale Spannungen behindert. Mehrere Bundesstaaten verlangen von Unternehmen zudem, Arbeitsplätze für Einheimische freizuhalten, was die Möglichkeiten der zwischenstaatlichen Migration einschränkt. Die Durchsetzung der Quoten ist jedoch nach Berichten nur bedingt gewährleistet (FH 2025a).
Es gibt weder ein zentralisiertes Melde- oder Registrierungssystem, noch ein Personenstands- oder auch kein Strafregister, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009, ein digitales Identitätssystem für die fast 1,4 Milliarden Menschen des Landes (UCLA 13.4.2022), hat hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung (AA 5.6.2023). Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (ÖB New Delhi 7.2023).
Das Aadhaar-Programm weist jedem Einwohner (auch ausländische Staatsbürger ÖB New Delhi 7.2023) freiwillig eine eindeutige 12-stellige Nummer zu, die mit den biometrischen Daten der Person, alle 10 Fingerabdrücke und ein Iris-Scan sowie einem digitalen Foto, verknüpft ist (DFAT 29.9.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023, UCLA 13.4.2022). Mit der Speicherung der biometrischen Daten soll eine Doppelvergabe an ein und dieselbe Person reduziert bzw. verhindert werden. Obwohl die Beantragung einer Aadhaar-Karte kostenlos und das System freiwillig ist, ist die Registrierung für alltägliche Aktivitäten in der Praxis durchaus erforderlich. Für den Erhalt einer Aadhaar-Karte sind keine umfangreichen Unterlagen notwendig, und es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, sodass sie auch für ärmere Bürger ohne Papiere oder Analphabeten zugänglich ist. In der Praxis wird die Aadhaar-Karte oft als Personalausweis verwendet (DFAT 29.9.2023). Mittlerweile wurden über 1,3 Milliarden Aadhaar-Registrierungen vorgenommen, womit ein Großteil der indischen Bevölkerung erfasst ist. Durch die Verknüpfung vieler Dienstleistungen mit der biometrischen Aadhaar-Karte wird die Auffindbarkeit einzelner Personen für Behörden erleichtert (ÖB New Delhi 7.2023).
Darüber hinaus gibt es mehrere Initiativen der Regierung zum Aufbau nationaler Register. Das Nationale Bevölkerungsregister (National Population Register, NPR) ist seit 2010 eine Datenbank, die Angaben zu allen Einwohnern Indiens enthält, unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Ein "gewöhnlicher Einwohner" ist definiert als eine Person, die seit mindestens sechs Monaten in einem Gebiet wohnt oder die beabsichtigt, in den nächsten sechs Monaten in diesem Gebiet zu wohnen. Alle gewöhnlichen Einwohner müssen sich im NPR registrieren. Das NPR ist ein vorbereitender Schritt zur Entwicklung des Nationalen Registers indischer Staatsbürger (National Register of Indian Citizens, NRIC), wie es im Staatsbürgerschaftsgesetz vorgesehen ist. Das NRIC ist eine detaillierte Aufzeichnung indischer Staatsbürger, die sowohl innerhalb als auch außerhalb Indiens leben (VaRa 14.12.2024).
Derzeit hat nur Assam ein solches Nationales Staatsbürgerschaftsregister (National Register of Citizens, NRC), das 2014 vom Obersten Gerichtshof [Anm. Supreme Court of India] angeordnet und überwacht wurde. Das NRC ist ein Versuch der indischen Regierung, illegale Einwanderer zu identifizieren und abzuschieben. Im Falle von Assam bedeutet dies, echte Staatsbürger zu identifizieren, die bis zum 24.3.1971 in Assam wohnhaft waren. Das endgültige NRC für Assam wurde am 31. August 2019 veröffentlicht, wobei mehr als 1,9 Millionen Antragsteller, ein großer Anteil davon Muslime, nicht auf die Liste aufgenommen wurden. Einwohner, die nicht auf der Liste stehen, können bei den Ausländergerichten (Foreigners Tribunals) sowie dem Obergericht [Anm. High Court, Höchstgericht eines Bundesstaates] und dem Obersten Gerichtshof Berufung einlegen. Im Jahr 2021 wurde beim Obersten Gerichtshof eine Petition eingereicht, in der eine erneute Überprüfung der Liste von 2019 gefordert wurde; der Antrag ist noch immer anhängig. Die Anforderung spezifischer Dokumente stellte für viele Menschen eine Herausforderung dar, was zu einer möglichen Ausgrenzung während der Erstellung des Assam-NRC führte. Viele Menschen aus marginalisierten und armen Bevölkerungsgruppen haben noch keine legalen und gültigen Dokumente, was sie staatenlos machen kann. Darüber hinaus haben weder der Staat noch die Zentralregierung festgelegt, was mit denjenigen geschieht, die ihre Fälle vor den Ausländertribunalen verlieren. Auch wurde nicht festgelegt, ob sie festgenommen oder abgeschoben werden oder ob ihnen gestattet wird, ohne die Rechte und Privilegien der Staatsbürgerschaft im Land zu bleiben. Zudem verfügt Indien über kein formelles Rückführungsabkommen mit Bangladesch, was den Abschiebeprozess erschwert (VaRa 5.9.2024; vgl. DFAT 29.9.2023).
Die Regierung kann jedem Antragsteller einen Reisepass verweigern, wenn er sich außerhalb des Landes an Aktivitäten beteiligt, die "der Souveränität und Integrität der Nation schaden" (USDOS 23.4.2024). Eine Ausreiseverweigerung ist aus Gründen der nationalen Sicherheit möglich (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).
GRUNDVERSORGUNG UND WIRTSCHAFT
Indien ist im Wirtschaftsjahr 2023/24, welches im März 2024 zu Ende gegangen ist, um beachtliche 8,2 % des BIP gewachsen - damit wurde der COVID-19-Pandemie bedingte Wirtschaftseinbruch überwunden und die indische Wirtschaft befindet sich wieder auf einem positiven Wachstumspfad. Indien ist damit die am stärksten wachsende Volkswirtschaft aller G20 Staaten. Diese Dynamik wird von einem wieder erstarkten Privatkonsum und einem enormen Investitionsprogramm der Regierung getragen. Externe Faktoren wie der Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, ein hohes Ölpreisniveau sowie auch die weltweite Zinswende führten zu einer höheren Inflation v. a. bei Lebensmitteln und Energie. Die Inflation hat sich mittlerweile von 6,7 % (2022/23) auf 5,7 % (2023/24) reduziert (WKO 9.2024). Die österreichische Botschaft in New Delhi hatte die indische Wirtschaft in ihrem Bericht von 2023 als resilient eingestuft (ÖB New Delhi 7.2023).
Im Wirtschaftsjahr 2023/24 stieg im Vergleich zum Vorjahr die Landwirtschaft um 1,4 % (14 % BIP-Anteil), der wiedererstarkende Industriesektor um 9,5 % (31 % BIP-Anteil) sowie der Dienstleistungsbereich um 7,6 % (55 % BIP-Anteil), wobei hier die IT-Services dominieren. Die indische Mittelschicht ist von 19 % im Jahr 2015 auf 32 % im Jahr 2024 gewachsen. Damit verändert sich nicht nur das Konsumverhalten der Menschen, sondern es steigen auch die Anforderungen an Infrastruktur sowie Gesundheitssysteme. Über 40 Mio. Studenten beginnen jährlich eine höhere Ausbildung, damit wächst der Talent- und Fachkräfte-Pool. Die wirtschaftliche Entwicklung führt zu einem Gesellschaftswandel mit einer Änderung der traditionellen Werte (WKO 9.2024).
Arbeitsmarkt
Im Jahr 2024 hatte Indien eine Erwerbsquote von 55,8 % (IOM 7.2024) und 2023 eine Arbeitslosenrate von 4,2 % (WB 7.1.2025) bis 4,7 % (IOM 7.2024). Die indische Regierung berichtet im Zeitraum 2022-23 eine Arbeitslosenrate von 3,2 % (GovI-MOSPI 9.10.2024), während der Thinktank Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE) für August 2024 eine Rate von 8,51 % meldete. Es besteht Uneinigkeit darüber, wie die Arbeitslosigkeit in Indien gemessen werden soll. Nach Ansicht der Analysten ist die Diskrepanz auf die Definition von Arbeit zurückzuführen, die auch Teilzeitarbeit in der Landwirtschaft einschließt (FT 2.10.2024). In der arbeitenden Bevölkerung liegt der Anteil der Frauen bei 22 % und jener der Männer bei 74,6 % (IOM 7.2024). Es besteht im Wesentlichen eine umfassende und internationalen Standards entsprechende Arbeits- und Sozialgesetzgebung, allerdings nur für Beschäftigte in formellen Arbeitsverhältnissen (AA 5.6.2023). 2023 betrug der informelle Sektor 90 % (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023). Von den 10 % Beschäftigten im formellen Sektor, die über eine formelle soziale Absicherung und Arbeitsschutz verfügen, arbeiten 70 % im staatlichen Bereich. Nur 5 % der Gesamtarbeitskräfte sind ausgebildete Fachkräfte. Nicht mehr ganz die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig (ÖB New Delhi 7.2023). Der Großteil der im informellen Sektor beschäftigten Arbeitskräfte ist in der Privatwirtschaft tätig (IOM 7.2024). Im informellen Sektor sind geregelte Arbeitsverhältnisse mit angemessenen und regelmäßigen Einkünften die Ausnahme und die soziale Absicherung ist praktisch unbekannt. Gewerkschaften konzentrieren sich immer noch ganz überwiegend auf den (kleinen) formellen Sektor und sind zumeist parteipolitisch gebunden (AA 5.6.2023).
Die nationale Arbeitsvermittlungsagentur, welche beim Ministerium für Arbeit und dem Direktorat für Arbeit und Training angesiedelt ist, bietet Arbeitssuchenden Stellen. Dort müssen sich Arbeitssuchende selbst registrieren und werden sofort informiert, sobald eine passende Stelle verfügbar ist. Einige Staaten in Indien bieten Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von 3 Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen Informationen über die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Fähigkeiten entsprechend der Marktnachfrage zur Verfügung gestellt werden. (IOM 7.2024).
Durch das Gesetz zur nationalen Beschäftigungsgarantie im ländlichen Raum (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act - MGNREGA) existiert ein Arbeitsplatzgarantiesystem, mit einer gesetzlichen Jobgarantie für 100 Tage im Jahr. Dies betrifft Erwachsene jedes ländlichen Haushalts, die bereit sind, ungelernte Handarbeit im öffentlichen Dienst zum gesetzlichen Mindestlohn pro Tag zu verrichten. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie bietet Unterstützung zur Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten an (IOM 7.2024).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund von Ethnie, Geschlecht, Behinderung, Sprache, sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität oder sozialem Status in Bezug auf Beschäftigung und Beruf (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz verbietet alle Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, aber Zwangsarbeit, einschließlich Schuldknechtschaft für Erwachsene und Kinder, ist weiterhin weit verbreitet (USDOS 24.6.2024; vgl. FH 2024).
Die Gesetze der Bundesstaaten legen Mindestlöhne und Arbeitszeiten fest. Der tägliche Mindestlohn variierte, lag aber über dem offiziell geschätzten Armutseinkommen. Die Regierungen der Bundesstaaten legten einen gesonderten Mindestlohn für Landarbeiter fest (USDOS 23.4.2024).
Armut und Nahrungsmittelsicherheit
Nach den letzten verfügbaren Zahlen lebten 2021 12,9 % der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze (WB 10.2024a; vgl. UNDP 2024). Dies ist eine signifikante Verbesserung, 2004 waren es noch ca. 40 % und 2011 noch 22,5 % (ÖB New Delhi 7.2023). Erweitert man den Armutsbegriff um weitere Dimensionen, so zeigt sich, dass rund 34 % aller Inder von multidimensionaler Armut gefährdet (18,7 %) (AA 5.6.2023; vgl. UNDP 2024) oder betroffen (16,4 %) sind (AA 5.6.2023; vgl. UNDP 2024, WB 10.2024a). Der Begriff der multidimensionalen Armut bezieht sich hierbei auf Armut, die nicht nur das Einkommen, sondern auch weitere Dimensionen, wie Bildung, Gesundheit und Lebensbedingungen umfasst, während die internationale Armutsgrenze (USD 2,15 pro Tag Kaufkraft) lediglich eine Einkommensgrenze festlegt, ab der Menschen als arm gelten. Aufgrund dieser breiteren Definition von Armut ist der Anteil der multidimensionalen Armut höher als bei ausschließlicher Betrachtung der täglichen Armutsgrenze (WB 10.2024b). In einigen Bundesstaaten, insbesondere im Norden und Osten Indiens (Bihar, Jharkhand, Uttar Pradesh), ist ein höheres Maß an multidimensionaler Armut festzustellen, während die südlichen Bundesstaaten (Kerala, Tamil Nadu) niedrigere Armutsraten aufweisen (WB 10.2024a).
Es gibt in Indien einen politischen Konsens zum Recht auf Nahrung. Zwei Drittel der indischen Bevölkerung haben einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch auf fünf Kilogramm Getreide und Hülsenfrüchte pro Monat (AA 5.6.2023; vgl. NFSP o.D.). Zusätzlich werden Preise für gewisse Nahrungsmittel staatlich gestützt (ÖB New Delhi 7.2023). Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 5.6.2023). Nach offiziellen Angaben sind 36 % der unter 5-Jährigen untergewichtig (AA 5.6.2023). Schwangere und stillende Mütter sowie Kinder im Alter von 6 Monaten bis 14 Jahren haben Anspruch auf kostenlose Mahlzeiten, die über Kinderentwicklungszentren (Integrated Child Development Services - ICDS-Zentren), den sogenannten Anganwadi-Zentren sowie über Schulen, im Rahmen des Mid-Day Meal-Programms (MDM), verteilt werden. Können berechtigte Personen nicht mit den zustehenden Nahrungsmitteln oder Mahlzeiten beliefert werden, haben diese Personen einen Anspruch auf eine Nahrungsmittelbeihilfe durch jeweilige Landesregierung in den Bundesstaaten (NFSP o.D.).
Wohnraum und Sozialwesen
In den Großstädten sind Preise für Eigentumswohnungen vergleichbar mit denen anderer Großstädte der Welt. Die Mietpreise sind in Städten relativ höher als in Dörfern. Die meisten Häuser werden durch Immobilienagenturen vermietet, die im Allgemeinen unorganisiert sind und einen kleinen Ort abdecken. Eine Kaution in Höhe einer Monatsmiete ist üblich. Für den Aufenthalt in einem Haus sind der Personalausweis und eine polizeiliche Überprüfung erforderlich, die jedoch in kleinen Städten und Dörfern kaum praktiziert wird (IOM 7.2024).
Zahlreiche Sozialprogramme sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern (AA 5.6.2023). Die Kriterien für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen sind jedoch komplex und variieren je nach Ort und der Zugang zu solchen Leistungen sollte nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Selbst wenn ein Anspruch besteht, ist es nicht möglich, allein von Sozialleistungen zu leben (DFAT 29.9.2023). Die Regierung bietet eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen an. Diese richten sich meist an benachteiligte Personenkreise, wie beispielsweise Personen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (IOM 7.2024).
De facto ist der Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen in vielen Teilen Indiens noch wegen gravierender qualitativer und quantitativer Mängel, Korruption und Missmanagement beschwerlich bzw. oft verwehrt. Mit der Einführung der Identifikationsnummer Aadhaar und der davon unabhängigen Eröffnung von Bankkonten für jeden Haushalt in Indien konnten erste Erfolge bei der Eindämmung von Korruption und beim "verlustfreien" Transfer staatlicher Sozialleistungen verbucht werden (AA 5.6.2023). Die Aadhaar-Karte bietet eine Plattform für Sozialleistungen, Vergünstigungen und Subventionen (DFAT 29.9.2023) [für weitere Informationen zu Aadhaar siehe Bewegungsfreiheit und Meldewesen]. Mit dem Haushaltsgesetz 2018 wurde die Einführung einer Krankenversicherung für rund 100 Mio. Familien bzw. etwa 500 Mio. Menschen beschlossen (AA 5.6.2023).
Die Einzahlung in die Rentenkasse ist für Arbeitnehmer verpflichtend und mit der Arbeitsstelle verknüpft. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches den Teilnehmern ermöglicht, systematisch Ersparnisse während ihres Arbeitslebens anzulegen. Seit 2009 wird NPS allen Bürgern auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt (IOM 7.2024).
MEDIZINISCHE VERSORGUNG
Das indische Gesundheitssystem bietet ein komplexes (Kumar/Cureus 16.5.2023) und vielfältiges Netzwerk von (Kumar/Cureus 16.5.2023; vgl. IOM 7.2024) öffentlichen und privaten Anbietern an. Es hat sich im Laufe der Jahre erheblich verändert, steht aber immer noch vor zahlreichen Herausforderungen (Kumar/Cureus 16.5.2023). Nach der indischen Verfassung sind die einzelnen Bundesstaaten für die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, einschließlich des öffentlichen Gesundheitswesens und der Krankenhäuser, zuständig. Ein besonderes Merkmal des öffentlichen Gesundheitswesens ist, dass es Massengesundheitsprogramme gibt, von denen die meisten präventiver und fördernder Natur sind, wie z. B. ausgewählte Programme zur Krankheitsbekämpfung, zur Familienplanung und zur Gesundheit von Mutter und Kind (Empfängnisverhütung, Impfungen, Schwangerenvorsorge usw.) (IOM 7.2024). Nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs nehmen in Indien zu und belasten das Gesundheitssystem zusätzlich. Trotz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte steht Indien nach wie vor vor der Herausforderung, übertragbare Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria und HIV/AIDS unter Kontrolle zu bringen (Kumar/Cureus 16.5.2023).
Der öffentliche Sektor umfasst primäre, sekundäre und tertiäre Gesundheitseinrichtungen, die von der Zentralregierung und den Regierungen der Bundesstaaten verwaltet werden. Die primäre Gesundheitsversorgung ist die erste Anlaufstelle für den Einzelnen (Kumar/Cureus 16.5.2023) und wird von primären Gesundheitszentren, kommunalen Gesundheitszentren und Subzentren bereitgestellt (Kumar/Cureus 16.5.2023; vgl. IOM 7.2024). Die Kliniken der primären Gesundheitsversorgung sind Teil des staatlich finanzierten öffentlichen Gesundheitssystems des Landes (IOM 7.2024). Obwohl diese Kliniken weitgehend in der Nähe aller Dörfer vorhanden sind (IOM 7.2024), kommt es dennoch noch immer zu einem Mangel an Gesundheitseinrichtungen, insbesondere in ländlichen Gebieten (Kumar/Cureus 16.5.2023). Die sekundäre Gesundheitsversorgung konzentriert sich auf Akut- und Spezialleistungen, die von Bezirkskrankenhäusern erbracht werden. Die Tertiärversorgung bezieht sich auf weiterführende medizinische Leistungen, einschließlich Spezialleistungen, die von medizinischen Hochschulen erbracht werden. Der private Sektor umfasst einzelne Ärzte, Pflegeheime, Kliniken und Betriebskrankenhäuser (Kumar/Cureus 16.5.2023).
Darüber hinaus wird über einen Mangel an medizinischer Ausrüstung, Ressourcen und grundlegender Infrastruktur (Kumar/Cureus 16.5.2023), wie z. B. sauberem Wasser, berichtet. Die Qualität und Verfügbarkeit von Gesundheitsdiensten ist sehr unterschiedlich (DFAT 29.9.2023), und das Angebot an Fachkräften (wie Ärzten, Krankenschwestern und Sanitätern) reicht nicht aus, um die Nachfrage zu decken (DFAT 29.9.2023; vgl. Kumar/Cureus 16.5.2023). Einerseits bestehen zwischen städtischen und ländlichen Gebieten erhebliche Unterschiede in der Qualität und Zugänglichkeit von Gesundheitsdiensten (Kumar/Cureus 16.5.2023), aber auch zwischen reicheren Bundesstaaten (z. B. Kerala) und Großstädten (z. B. Delhi, Kolkata und Mumbai) im Vergleich zu weniger wohlhabenden (DFAT 29.9.2023). Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 5.6.2023). Im Gegensatz zu ländlichen Gebieten verfügen städtische Gebiete in der Regel über eine bessere Infrastruktur, Zugang zu qualifiziertem Personal und Verfügbarkeit von spezialisierter Versorgung (Kumar/Cureus 16.5.2023).
Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt (AA 5.6.2023). In der Regel wird für die Inanspruchnahme der Gesundheitseinrichtungen ein gültiger Identitätsnachweis (Adhaar-Karte, Wählerausweis, PAN, Führerschein) verlangt. In den öffentlichen Krankenhäusern Indiens haben die Patienten Zugang zu subventionierter Gesundheitsversorgung (IOM 7.2024). Da allerdings der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der mit westlichen Industriestaaten vergleichbar ist (AA 5.6.2023). Dadurch wurde Indien ein beliebtes Reiseziel für den Medizintourismus (Kumar/Cureus 16.5.2023). Eine private Gesundheitsversorgung ist allerdings vergleichbar teuer (IOM 7.2024; vgl. DFAT 29.9.2023) und die meisten Kosten für die Gesundheitsversorgung müssen von den Patienten und ihren Familien getragen werden und nicht von der Versicherung (IOM 7.2024). Für viele Inder können die hohen Eigenbeteiligungen im Gesundheitswesen eine große Belastung darstellen. Krankenversicherungen sind in Indien nicht so weit verbreitet wie in anderen Ländern. Dies kann dazu führen, dass Behandlungen verzögert oder vermieden werden, was zu weiteren Komplikationen und Gesundheitsproblemen führen kann (Kumar/Cureus 16.5.2023). Krankenversicherungen für die Allgemeinbevölkerung werden von verschiedenen privaten und öffentlichen Unternehmen mit unterschiedlichen Prämienzahlungen angeboten. Die staatliche, sozial ausgerichtete Universelle Krankenversicherung deckt nur indische Bürger ab, die unterhalb der Armutsgrenze leben (IOM 7.2024). Die Pradhan Mantri Jan Arogya Yojana (PMJAY) ist eine Krankenversicherung für die ärmsten Bevölkerungsschichten Indiens, rund 500 Millionen Menschen. Im Dezember 2022 gab es rund 117.000 Ayushman Bharath Health and Welfare Centres (AB-HWCs) in ganz Indien. Die AB-HWCs bieten kostenlose unentbehrliche Medikamente, diagnostische Dienstleistungen und Telekonsultationen an (Kumar/Cureus 16.5.2023).
Apotheken sind in Indien selbst in abgelegenen Städten zu finden. Indien ist der größte Hersteller von Generika und die Kosten für wichtige Medikamente werden von der Regierung kontrolliert. Generische Medikamente können auch bei den Pradhan Mantri Bhartiya Janaushadhi Kendras gekauft werden (IOM 7.2024). Janaushadhi Kendras sind von der Regierung betriebene Verkaufsstellen, die Medikamente zu niedrigen Preisen zur Verfügung stellen (GoI-J 2025; vgl. IOM 7.2024). In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich. Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich (AA 5.6.2023).
RÜCKKEHR
Jeder indische Staatsangehörige hat das Recht auf Ausreise und Rückkehr in das eigene Land (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Die Einreise ist ohne ein gültiges Reisedokument grundsätzlich nicht möglich. Ein von einem EU-Land ausgestelltes Heimreisepapier wird von der indischen Regierung nicht anerkannt. Die Ausstellung der nötigen Heimreisedokumente durch die indische Botschaft im jeweiligen EU-Land ist in der Regel mit einem zeitaufwendigen Verfahren verbunden, da es in Indien u. a. kein Meldewesen gibt (ÖB New Delhi 7.2023). Am 1.9.2023 trat ein Migrations- und Mobilitätsabkommen zwischen Österreich und Indien in Kraft, mit gegenseitigen Verpflichtungen zur Vereinfachung von Verfahren (APMM 1.9.2023).
Es bestehen keine Hinweise darauf, dass eine Asylantragstellung im Ausland zu nachteiligen Konsequenzen nach der Rückkehr führt (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023, ÖB New Delhi 7.2023). Zur Festnahme ausgeschriebene Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden rechnen (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kaschmiris) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Es ist strafbar, zu Terrorgruppen Kontakte zu unterhalten oder an Handlungen beteiligt zu sein, die die Souveränität, Integrität oder Sicherheit Indiens gefährden (ÖB New Delhi 7.2023).
Für Rückkehrer gibt es weder staatliche Aufnahmeeinrichtungen - auch nicht für unbegleitete Minderjährige - noch Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen (AA 5.6.2023).
Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates
[Dieses Kapitel basiert auf Informationen, die von der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) mit Stand Dezember 2024 zur Verfügung gestellt worden sind (BMI 6.12.2024). Im Bereich der Rückkehrunterstützung kann es zu kurzfristigen Änderungen kommen. Für weitere Informationen sei auf die entsprechende Seite der BBU verwiesen].
Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) informieren individuell über die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr bzw. die verfügbaren Unterstützungsleistungen.
Die Rückkehrunterstützung umfasst folgende Leistungen:
• Kostenlose individuelle Beratung zur freiwilligen Rückkehr einschließlich Antragsstellung auf finanzielle Unterstützung durch die BBU
• Organisatorische Unterstützung bei der Reisevorbereitung
• Übernahme der Heimreisekosten
• Finanzielle Starthilfe in Höhe von bis zu € 900
• Reintegrationsprogrammteilnahme nach der Rückkehr im Zielland
Ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht nicht. Die Bewilligung erfolgt durch das österreichische Bundesamt für Fremdwesen und Asyl (BFA). Weitere Informationen zu den aktuellen Unterstützungsangeboten (Rückkehrunterstützung inkl. Reintegrationsunterstützung) sind auf der Webseite www.returnfromaustria.at verfügbar.
Die BBU unterstützt sowohl bei der Reiseplanung und der Flugbuchung als auch bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten, einer ggf. notwendigen medizinischen Versorgung sowie mit der Übernahme der Rückreisekosten. Organisatorische Unterstützung kann grundsätzlich in jeder Verfahrenskonstellation gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Übernahme der Heimreisekosten ist die Mittellosigkeit der rückkehrenden Person.
Finanzielle Starthilfe
Die Höhe der finanziellen Starthilfe ist in einem degressiven Modell geregelt und staffelt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr:
• Während des laufenden asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahrens bis ein Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 900,00 pro Person; ab einem Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 250,00 pro Person
• Kernfamilien: Maximalbetrag von € 3.000 pro Familie
• Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden.
Kriterien für den Erhalt der finanziellen Starthilfe und der Reintegrationsunterstützung (Ausnahmen im Einzelfall möglich):
• Freiwillige Ausreise
• Finanzielle Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit
• Erstmaliger Bezug der Unterstützungsleistung
• Nachhaltigkeit der Ausreise
• Keinerlei Evidenz eines Sicherheitsrisikos durch die freiwillige Rückkehr
• Keine schwere Straffälligkeit
Ausgeschlossen vom Bezug der finanziellen Starthilfe sind EWR-Bürger, Personen aus den Westbalkan-Staaten sowie Staatsangehörige von Ländern mit visumsfreier Einreise nach Österreich (z. B. Georgien, Moldawien). Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende aus diesen Regionen, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden
Reintragrationsunterstützung
Für 42 Herkunftsländer können freiwillige Rückkehrer im Sinne des Leitgedankens "Rückkehr mit Perspektiven" Reintegrationsunterstützung im Wert von bis zu € 3.500 beantragen.
Die Abwicklung des Reintegrationsangebots erfolgt mit den Kooperationspartnern:
• Frontex (EU Reintegrationsprogramm EURP)
• IOM Österreich (Reintegrationsprogramm RESTART IV)
• Caritas Österreich (Reintegratonsprogramm IRMA plus III)
• OFII (französische Migrationsbehörde „French Office for Immigration and Integration“)
• ETTC (im Irak tätige NGO „European Technology and Training Centre“)
Im Rahmen der Reintegrationsprogramme erhalten Rückkehrende umfassende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland. Dazu gehören individuelle, persönliche Beratung und vorwiegend Sachleistungen z. B. wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Hilfen. Die Programme bieten ein breites Spektrum an Leistungen, um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten.
Weitere Informationen zu den jeweiligen Programmen bzw. für welche Herkunftsländer diese angeboten werden, sind den oben angeführten Seiten zu entnehmen (BMI 6.12.2024).
DOKUMENTE
Der Zugang zu gefälschten oder echten Dokumenten falschen Inhalts (AA 5.6.2023), sogenannte "Lugurkunden" (ÖB New Delhi 7.2023), ist in Indien leicht. Gegen entsprechende Zahlungen sind viele Dokumente zu erhalten. Erleichtert wird der Zugang überdies durch die Möglichkeit, Namen ohne größeren Aufwand zu ändern. Personenstandsurkunden werden zunehmend nur noch digital als vom Urkundeninhaber ausdruckbares PDF ausgestellt; auf Siegel und Unterschriften wird verzichtet, eine Online-Verifikation über die auf Urkunden angebrachten QR-Codes ist vom Ausland häufig nicht möglich (AA 5.6.2023). Indische Dokumente müssen nicht beglaubigt werden, sie werden mit einer Apostille versehen (Indien ist wie Österreich Mitgliedsstaat des entsprechenden Haager Übereinkommens) (ÖB New Delhi 7.2023).
Die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten, z. B. eines Haftbefehls, gestaltet sich als schwierig. So besteht etwa zwischen zahlreichen Personen aus dem Punjab, Delhi und Haryana eine Namensidentität, sodass die Zuordnung eines Haftbefehls häufig problematisch ist (ÖB New Delhi 7.2023). Der Namenszusatz männlicher Sikhs ist "Singh" (Löwe), der aller weiblichen Sikhs "Kaur" (Prinzessin); Singh ist zudem ein verbreiteter Hindu-Nachname in Nordindien. Die Mitteilung sämtlicher Vornamen sowie des Geburtsdatums und der Name der Eltern sind daher für die eindeutige Zuordnung unerlässlich (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Hinzu kommt, dass die indischen Gerichte keine einheitlichen Formulare verwenden. Die vorgelegten Dokumente („Warrant of Arrest“, „First Information Report“, Bestätigungsschreiben von Rechtsanwälten, „Affidavits“ von Dorfvorstehern oder Angehörigen) stellen sich bei Überprüfung sehr häufig als gefälscht heraus. Eine Überprüfung ist zusätzlich dadurch erschwert, dass die indischen Behörden sowie die weiteren Beteiligten nur beschränkt kooperieren. Hinweise auf Fälschungen sind insbesondere unvollständige Siegelstempel, fehlende Unterschriften sowie bei Rechtsanwälten fehlende Adressenangabe und Aktenzeichen. Die Dokumentenerhebungen werden durch Detekteien bzw. Rechtsanwälte durchgeführt, die relativ gute Ergebnisse erbringen (ÖB New Delhi 7.2023).
In manchen Bundesstaaten ist die Verifikation von Strafverfahren anhand der F.I.R.-Nummer (Aktenzeichen der Anzeige bzw. des Strafverfahrens) online möglich. Beschuldigte in Strafverfahren verfügen regelmäßig über die Aktenzeichen der Polizei oder des Strafgerichts, da diese den Betroffenen formell an die Wohnadresse zugestellt werden (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023). Während für den Nachweis der Personendaten im Passwesen strenge Nachweispflichten gelten und etwa seit 2015 regelmäßig auch Biometriedaten behördlich erfasst werden, werden Adresseinträge häufig nach Angaben der Antragstellenden aufgenommen und stellen sich häufig als falsch heraus (AA 5.6.2023).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Soweit in der gegenständlichen Entscheidung Feststellungen zum Namen sowie zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Der Beschwerdeführer legte weder vor der belangten Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht Dokumente im Original vor, die seine Identität zweifelsfrei belegen hätten können und mit seinen Identitätsangaben übereinstimmen würden, weshalb die genaue Identität nicht festgestellt werden kann. Die festgestellten Daten dienen lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Die belangte Behörde führte zutreffend aus, dass zwar „Indizien“ hinsichtlich der Identität des Beschwerdeführers vorliegen, seine Identität jedoch mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments oder sonstigen Bescheinigungsmittels nicht festgestellt werden könne. Richtig ist – darauf wird auch in der Beschwerde hingewiesen – dass der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde einen indischen Personalausweis („ID-Card“) vorlegte, jedoch ist darin ein anderes Geburtsdatum eingetragen, als vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren genannt, weshalb das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der belangten Behörde nicht davon ausgeht, dass seine Identität zweifelsfrei feststeht.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Religionszugehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen, zum Familienstand, zur Herkunft, zu seiner Schulbildung, seiner Arbeitserfahrung, zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat und zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Punjabi.
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit beruhen auf seinen Angaben im Verfahren und insbesondere auf dem Umstand, dass keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen körperliche Beeinträchtigungen, regelmäßige medizinische Behandlungen oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit abzuleiten wären.
Die Feststellungen zur Ausreise des Beschwerdeführers aus Indien, zu seinem Reisepass und zur unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet stützen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich der unrechtmäßigen Einreise nach Österreich auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Umgehung der die Einreise regelnden Vorschriften ohne die erforderlichen Dokumente einreiste. Der Zeitpunkt der Einreise und der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem sowie das österreichische Strafregister. Dass er im Bundesgebiet derzeit keine Meldung aufweist, beruht auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.
Der Beschwerdeführer machte keine intensiven sozialen Bindungen in Österreich geltend und gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, er habe in Österreich keine Verwandten und bestehe auch kein Abhängigkeitsverhältnis und auch kein enges Verhältnis zu Personen in Österreich, sodass die entsprechenden Feststellungen auf seinen Angaben beruhen.
Dass keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden konnten, ergibt sich insbesondere in Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer machte im Verfahren als fluchtauslösenden Grund im Wesentlichen geltend, dass er an Bauernprotesten teilgenommen habe und Mitglied eines Bauernvereins gewesen sei. Er sei auf einer Liste der Polizei mit Namen von Vereinsmitgliedern gewesen. Die Polizei habe ihn geschlagen, mitgenommen, und grundlos inhaftiert. Bei einer Rückkehr habe er Angst davor, dass ihn die Polizei neuerlich belästigen könnte.
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikhs noch aufgrund einer Teilnahme an Bauernprotesten noch sonst eine (asylrelevante) Verfolgung droht, ergibt sich aufgrund seiner allgemein gehaltenen, vagen und nicht nachvollziehbaren Angaben.
Zuerst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung die Frage, ob er Ergänzungen oder Korrekturen zur aufgenommenen Niederschrift zu machen habe, ausdrücklich verneinte (AS 9). In der ersten niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde berichtigte der Beschwerdeführer lediglich die Geburtsdaten seiner Familienangehörigen und bestätigte, dass abgesehen davon in der Erstbefragung alles richtig protokolliert worden sei (AS 43). In der zweiten niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass er zur Niederschrift vom 15.01.2025 keine Korrekturen oder Ergänzungen machen wolle. Er halte seine Angaben aufrecht und habe auch sonst nichts zu hinzuzufügen (AS 79). Erst in der Beschwerde wurden Zweifel an der Richtigkeit des Erstbefragungsprotokolls geäußert. Die belangte Behörde habe die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz unter anderem damit begründet, dass der Beschwerdeführer seine Mitgliedschaft bei der „Punjab-Partei“, die für die Schaffung des Staates „Khalistan“ eintrete, in der Einvernahme vor der belangten Behörde mit keinem Wort mehr erwähnt habe und sich daraus ein Widerspruch zu seinen Angaben in der Erstbefragung ergebe. Bei einem Vergleich der Erstbefragungsprotokolle des Beschwerdeführers und seines am selben Tag erstbefragten Mitbewohners falle auf, dass die protokollierten Aussagen „praktisch bis auf wenige Worte ident“ seien. Es sei nicht auszuschließen, dass Teile des Vorbringens vermischt bzw. „der Einfachheit halber“ ins andere Protokoll kopiert worden seien. Es sei angesichts der sich in den jeweiligen (späteren) Einvernahmen voneinander unterscheidenden Angaben der beiden Asylwerber „(einerseits Khalistan, andererseits Bauernproteste)“ unwahrscheinlich, dass sie in der Erstbefragung wortidente Angaben gemacht hätten.
Dazu ist auszuführen, dass es für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Beschwerdeführer angebliche Fehler im Erstbefragungsprotokoll nicht zu einem früheren Zeitpunkt rügte. Zu betonen ist auch, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer in der Einvernahme ausdrücklich dazu befragte, warum er sein Engagement für die Gründung eines eigenständigen Staates „Khalistan“ – im Gegensatz zur Erstbefragung – nicht erwähnt habe, worauf dieser bloß ausweichend antwortete: „Ich glaube an „Guru Grandhu Sahib Ji“ (Anm. die heilige Schrift der Sikhs). Das ist dann ja eh schon Khalistan“. Auf die Frage, was er in Indien für die Schaffung von „Khalistan“ gemacht habe, antwortete der Beschwerdeführer wiederum: „Ich habe dafür dort gar nichts gemacht. Ich gehe nur in den Sikh-Tempel und bete“ (AS 57). Der Beschwerdeführer legte hingegen nicht dar, weshalb er in der Erstbefragung noch davon gesprochen habe, dass er Mitglied einer „Punjab-Partei“ und ein Anhänger von „Khalistan“ sei. Es ist somit davon auszugehen, dass er mit den erst in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen bloß einen Vorteil für sein Beschwerdeverfahren erlangen will und sie nicht den Tatsachen entsprechen. Mit diesen Beschwerdeausführungen lässt sich jedenfalls nichts gewinnen, zumal sich die belangte Behörde für die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nicht bloß auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde stützte, sondern auch darüber hinaus zutreffend aufzeigte, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, eine konkrete gegen ihn gerichtete Bedrohung glaubhaft darzulegen.
So kann dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegengetreten werden, wenn dieses ausführt, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer als „einfaches Mitglied“ eines offiziell registrierten und landesweit agierenden Vereins „immer und überall“ von der Polizei gesucht werden sollte. Die belangte Behörde wies zu Recht darauf hin, dass sich aus den Angaben des Beschwerdeführers nicht entnehmen lässt, dass dieser eine besondere oder wichtige Funktion in dem Verein gehabt hätte. Der Beschwerdeführer konnte die Aktivitäten des Vereins bzw. den Vereinszweck erst auf mehrfache Nachfrage und selbst dann nur vage umschreiben („F: Welche Interessen vertritt dieser Verein? A: Der Verein setzt sich für die Bauern ein. F: Wie konkret setzt sich dieser Verein für die Bauern ein? A: Wir wollten immer nach Delhi reisen, um dort unsere Probleme zu schildern und damit wir dort angehört werden. Das durften wir aber nicht. F: Nochmals: Wie konkret setzt sich dieser Verein für die Bauern ein? A: Der Verein möchte, dass sich der Landwirtschaftsminister Indiens für die Bauern einsetzt. XXXX ist ein Vorsitzender dieses Vereins.“).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte auch zu Recht aus, dass der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei „immer und überall“ von der Polizei gesucht worden, nicht gefolgt werden könne. Dazu wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Schwierigkeiten damit habe, die einzelnen Ereignisse zeitlich richtig einzuordnen. So hätten die Probleme nicht bereits Ende 2019, sondern erst 2020 begonnen. Die neuerlichen Proteste hätten nicht schon im Jahr 2023, sondern erst im Frühjahr 2024 begonnen. So sei es auch zu erklären, dass der Beschwerdeführer erst im Jahr 2024 ausgereist sei und eben nicht noch ein Jahr lang unbehelligt und problemlos in seiner Heimat verbringen habe können, wie die belangte Behörde ausgeführt habe. Auch wenn der Beschwerdeführer die Ereignisse zeitlich nicht mehr korrekt einordnen habe können, so stimme doch die chronologische Abfolge der Ereignisse, was auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens hindeute. Selbst, wenn es zutrifft, dass der Beschwerdeführer Schwierigkeiten bei der zeitlichen Einordnung der Ereignisse habe, wäre zu erwarten gewesen, dass er die angeblichen ungerechtfertigten Verfolgungshandlungen durch die Polizei einigermaßen detailliert geschildert hätte. Bemerkenswert ist, dass der Beschwerdeführer selbst auf die Frage, ob er jemals politisch tätig gewesen sei, antwortete: „Nein, nie“ (AS 57). Somit beschränkt sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bloß darauf, dass er an Bauernprotesten teilgenommen habe und Mitglied eines Bauernvereins gewesen sei, weswegen er „Probleme“ mit der Polizei gehabt habe. Worin die konkreten Probleme bestanden hätten und wie sich die Vorfälle abgespielt hätten, konnte der Beschwerdeführer auch auf mehrfache Nachfragen nicht beantworten. So schilderte er in der Einvernahme der belangten Behörde zunächst lediglich allgemein, dass er an vielen Versammlungen der Bauern teilgenommen habe, von der Polizei geschlagen worden sei und „auch“ am 07.10.2019 von der Polizei „mitgenommen“ worden sei (AS 51). Selbst auf weitere Nachfragen erwähnte der Beschwerdeführer keine näheren Details zu den Problemen mit der Polizei und seiner angeblichen Inhaftierung (AS 55: „A: Die Polizei hat mich belästigt. Sie haben mir gesagt, ich soll vorstellig werden. F: Wann kam die Polizei zu Ihnen? A: Ich habe gerade Weizen angebracht bzw. angebaut. Da hat mich die Polizei mitgenommen. F: Wann war dies? A: Den Weizen bringt man immer im Oktober oder November aus. F: Nochmals: Wann war dies? A: Das war im November 2023. F: War die Polizei dann nochmals bei Ihnen? A: Sieben Tage später haben sie mich mitgenommen. Der Dorfvorsitzende hat ich dann freibekommen. Danach sind sie nicht mehr gekommen. Ende des Jahres 2023 wollten wir wieder nach Delhi. Ich habe mich an diesen Protesten wieder beteiligt. Dann gab es immer wieder Probleme hinsichtlich welche Partei ich unterstütze und es gibt immer noch Probleme“).
Diesbezüglich erweist sich auch das Beschwerdevorbringen, die Regierung könne dem Beschwerdeführer als „von den politischen Maßnahmen des Staates betroffener Landwirt“ und als „von der hinduistischen Zentralregierung benachteiligter Angehöriger der Sikh-Volksgruppe“ aufgrund seiner politischen Überzeugung leicht eine oppositionelle Gesinnung unterstellen, bloß als eine pauschale Behauptung, nicht jedoch als ausreichender Anhaltspunkt für eine (drohende) Verfolgungsgefahr. Wie soeben ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer bereits nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund einer bloßen Teilnahme an Demonstrationen mit hunderten weiteren Teilnehmern und seiner angeblichen Vereinsmitgliedschaft konkrete Probleme mit der indischen Polizei gehabt habe. Auch in der Beschwerde wird nicht näher ausgeführt, worin die „willkürlichen Handlungen durch die staatlichen Sicherheitsorgane“, zu denen es „immer wieder“ gekommen sei, bestanden hätten, sondern wurde wiederum bloß oberflächlich behauptet, die Polizei habe den Beschwerdeführer „ständig“ aufgesucht, „offiziell, um die Einhaltung der neu erlassenen Landwirtschaftsgesetze zu kontrollieren.“
Eine konkrete Bedrohung im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikhs behauptete der Beschwerdeführer an keiner Stelle. So verneinte er in der Einvernahme ausdrücklich die Frage der belangten Behörde, ob er in seinem Herkunftsstaat je Probleme aufgrund seiner Religion gehabt habe (AS 55). Erst in der Beschwerde wurde ausgeführt, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sikhs in Indien schwerwiegende Diskriminierung erfahren würden – insbesondere jene, die sich für eine Unabhängigkeit des Bundesstaats Punjab einsetzten und die „Khalistan-Bewegung“ unterstützten oder sich in sonstiger Form politisch betätigten. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit Länderberichten zur Lage der Sikhs und ihrer Rolle in den Bauernprotesten zu befassen. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig. Es fänden sich darin zwar allgemeine Aussagen über Indien, jedoch befassten sie sich nicht ausreichend mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und seien diese als Begründung zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend.
Unter Verweis auf die wiedergegebenen Länderberichte ist das Beschwerdevorbringen jedoch nicht schlüssig. Aus den Berichten geht hervor, dass 54 % der Bevölkerung im Bundesstaat Punjab Sikhs sind. Der Sikhismus ist die vorherrschende Religion im Punjab. Auch in den benachbarten Bundesstaaten Haryana, Delhi, Rajasthan, Uttar Pradesh und Uttarakhand gibt es eine große Zahl von Sikhs. Es gibt nach den Länderinformationen keine Hinweise dafür, dass Sikhs alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt werden. Sikhs stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte; auch hochrangige Positionen stehen ihnen bundesweit offen. Verhaftungen erfolgen allerdings, sobald eine Person offen eine verbotene Organisation (zB. die Khalistan-Bewegung) unterstützt. Die Forderung nach einem unabhängigen Sikh-Staat war in den zurückliegenden Jahren im Zusammenhang mit den Bauernprotesten 2021 erstmals wieder prominent in Erscheinung getreten. Dass der Beschwerdeführer die Khalistan-Bewegung offen unterstützt habe, behauptete er in der Einvernahme vor der belangten Behörde jedoch an keiner Stelle. Vielmehr antwortete er dazu befragt, dass er sich in seinem Herkunftsstaat nicht für „Khalistan“ engagiert habe und auch in Österreich nichts dafür mache. Mit den in der Beschwerde zitierten Berichten wurde der Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht habe glaubhaft machen können, nicht substantiiert entgegengetreten.
Zu berücksichtigen ist im Übrigen, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland legal unter Verwendung seines Reisepasses mit dem Flugzeug verlassen konnte, was gegen eine (staatliche) Verfolgung spricht. Er führte in der Einvernahme vor der belangten Behörde ausdrücklich aus, dass es keine Probleme am Flughafen gegeben habe. Die Beschwerde ist der Beweiswürdigung der belangten Behörde auch in diesem Punkt nicht substantiiert entgegengetreten, zumal dort bloß ausgeführt wurde, dass sich der Beschwerdeführer bei der Organisation seiner Ausreise eines Schleppers bedient habe und er nicht wisse, wie der Schlepper die Organisation seiner Ausreise bewerkstelligt habe.
Insgesamt erweisen sich die Schilderungen des Beschwerdeführers als substanzlos und erweckte der Beschwerdeführer mit seinen Aussagen nicht den Eindruck, seinen Herkunftsstaat aus asylrechtlich relevanten Gründen verlassen zu haben. Aufgrund der Gesamtheit der dargestellten Erwägungen geht das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass der Beschwerdeführer eine Bedrohungssituation in seinem Herkunftsland Indien nicht glaubhaft aufgezeigt hat und ihm keine asylrelevante Verfolgung droht.
Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit nicht konkret vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der Beschwerde sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Verfolgung vorgebracht hat bzw. nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zeigte zudem zutreffend auf, dass sich die Rückkehrsituation des gesunden Beschwerdeführers nicht existenzbedrohend darstellt, sodass die entsprechende Feststellung getroffen werden konnte. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre. Eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ist vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen und der notorischen Lage in Indien nicht angezeigt; dies wurde auch nicht substantiiert behauptet.
Der Beschwerdeführer verfügt noch über familiäre Anknüpfungspunkte in Indien und hat zu diesen Kontakt; seine Mutter, seine beiden Brüder und weitere Verwandte leben nach wie vor in Indien. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mann mit langjähriger Schulbildung, dem jedenfalls zugemutet werden kann, seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten zu bestreiten. Er arbeitete bereits vor seiner Ausreise in der elterlichen Landwirtschaft und sammelte dadurch Arbeitserfahrung. Es kann somit jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in Indien leben kann. Überdies sind im Verfahren keine Anzeichen dafür hervorgekommen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers generell nicht gegeben wäre oder dass sich der Beschwerdeführer in einer schlechteren persönlichen Situation befinden würde als die übrige Bevölkerung.
Der Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde in der Beschwerde insgesamt nichts Substantiiertes entgegengesetzt.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation in Indien stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien in der Fassung vom 14.04.2025. Da dieser aktuelle Bericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, mangelt es den von dem Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründen an der erforderlichen Glaubhaftigkeit bzw. an der Asylrelevanz, weshalb es ihm insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
Mangels Bestehen einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt bei der Prüfung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden hg. Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (stRSpr, jüngst VwGH 25.09.2023, Ra 2023/19/0297).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).
In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinzuweisen, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, konnte der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keine Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG 2005 glaubhaft machen. Ebenso bestehen keine Anzeichen dafür, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation, der Grundversorgung oder seines Gesundheitszustandes im Falle einer Rückkehr nach Indien einem realen Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer ist ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und über Arbeitserfahrung. Für seinen Lebensunterhalt kam der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise selbst auf. Der Beschwerdeführer hat den Großteil seines bisherigen Lebens in Indien verbracht und verfügt über Sprachkenntnisse in Punjabi. In einer Gesamtbetrachtung der Situation des Beschwerdeführers kann daher davon ausgegangen werden, dass er im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, sich gegebenenfalls mit Gelegenheitsarbeiten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.
Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht wäre, ist die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu beanstanden. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher im Ergebnis ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch bezüglich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit November 2024 im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er war nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies auch weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde. Somit war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt III. als unbegründet abzuweisen.
3.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG], BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art. 2 leg. cit. ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich. Die Ausweisung stellt daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens dar. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte somit allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, 2007/01/0479).
Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.
In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon zehn Jahre im Aufnahmestaat lebte.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).
Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und geht im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich beträgt etwa elf Monate; ihr kommt im Lichte der obigen Ausführungen kein maßgebliches Gewicht zu.
Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).
Der Beschwerdeführer verfügt über stärkere Bindungen zu seinem Herkunftsstaat: Er hat dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht, wurde in Indien sozialisiert, spricht eine Landessprache als Muttersprache und hat dort die Schule besucht, sodass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Dadurch, dass der Beschwerdeführer in Indien sozialisiert wurde, er dort Schulbildung erhalten hat und über Anknüpfungspunkte verfügt sowie durch Erwerbstätigkeit bei einer Rückkehr seine Existenz grundsätzlich zu sichern imstande ist, kann die Rückkehrsituation zu keinem Überwiegen der Interessen an einem Verbleib in Österreich führen.
Im Gegensatz dazu konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung allenfalls bestehender privater Kontakte, bezüglich derer keine besondere Intensität hervorgekommen ist, ist weiters dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste: Er durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. etwa VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).
In einer Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer ein nur sehr geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da die Begehung von Straftaten ein eigener Grund für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ist (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar, weshalb die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. als unbegründet abzuweisen war.
3.5. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige besondere Umstände von dem Beschwerdeführer nicht behauptet wurden und auch im Verfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Abschiebung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.6. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) – folgend: GRC – entgegenstehen.
Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
Gemäß Art. 47 Abs. 2 GRC hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der (damalige) Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich grundlegend mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 (vgl. zur seitdem ständigen Rechtsprechung auch etwa VwGH vom 01.03.2018, Ra 2017/19/0410; 20.09.2018, Ra 2018/20/0173), mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein Ermittlungsverfahren vorangegangen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist seiner Ermittlungspflicht durch Befragung und Belehrung des Beschwerdeführers über seine Mitwirkungspflichten nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl entgegenstehender oder darüberhinausgehender Sachverhalt in konkreter, substantiierter bzw. glaubhafter Weise vorgebracht.
Dem Bundesverwaltungsgericht lag im gegenständlichen Verfahren kein Beschwerdevorbringen vor, welches mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht trotz des Antrages des Beschwerdeführers unterbleiben konnte.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).
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