IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Alexander NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 20.12.2024, OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 42 Abs. 1 und 2, § 45 Abs. 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
02.12.2022 - Anträge von XXXX (in der Folge beschwerdeführende Partei bzw. „bP“ genannt) auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass und Ausstellung eines Parkausweises gem § 29b StVO beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. „bB“ genannt)
02.05.2023, 17.02.2024, 09.12.2024 – Erstellung allgemeinmedizinischer Sachverständigengutachten, jeweils GdB 60 v.H., jeweils Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel / Parteiengehöre, Stellungnahmen
20.12.2024 - Bescheid der bB: Abweisung des Antrages der bP auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“
27.12.2024 – Übermittlung des Behindertenpasses, GdB 60%
22.01.2025 - Beschwerde der bP gegen den Grad der Behinderung im Behindertenpass
23.01.2025 – Beschwerde der bP gegen den die Zusatzeintragung abweisenden Bescheid
14.04.2025 – Erstellung eines chirurgischen Sachverständigengutachtens, GdB 60 v.H., Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel / Parteiengehör/ keine Stellungnahme der bP
25.04.2025 - Beschwerdevorlage am BVwG
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Sachverhalt:
Die bP ist im Besitz eines unbefristet gültigen Behindertenpasses mit einem GdB von 70%.
Aufgrund der Anträge der bP vom 02.12.2022 wurden im Auftrag der bB drei Gutachten erstellt und übereinstimmend ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Der bP wurden Parteiengehöre erteilt und ergingen Stellungnahmen der bP.
Mit Bescheid der bB vom 20.12.2024 wurde der Antrag der bP auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ abgewiesen.
Am 27.12.2024 wurde der unbefristet gültige Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60% an die bP übermittelt.
Die bP erhob am 22.01.2025 Beschwerde gegen den Grad der Behinderung und niederschriftlich am 23.01.2025 gegen den die Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ abweisenden Bescheid und begründete dies damit, dass ihre Schmerzen größer und die Gehfähigkeit schlechter geworden seien. Befunde wurden beigebracht.
Das in der Folge im Auftrag der bB im Beschwerdevorentscheidungsverfahren erstellte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie, welches erneut einen Gesamtgrad der Behinderung von 60% feststellte, weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„Anamnese:
Aktenmäßiges Vorgutachten (EVO), Arzt für Allgemeinmedizin, 12/2024, GdB: 60 %, NU: 10/2025, ZE: Epileptiker, Prothesenträger.
Die im Vorgutachten angeführten Erkrankungen bzw. Diagnosen zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung:
1.) Suchterkrankung-Substitutionsprogramm-40 %.
2.) Amaurose des rechten Auges-30 %.
3.) Koronare 2-Gefäßerkrankung-Zustand nach Myokardinfarkt-30 %.
4.) Epilepsie-20 %.
5.) Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates-Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (LWS)-Zustand nach KTEP-Implantation-20 %.
Aktenmäßiges Vorgutachten (EVO), Arzt für Allgemeinmedizin, 01/2021, GdB: 70 %, DZ, ZE: Epileptiker, Osteosynthesematerial, Prothesenträger.
Vorgutachten (EVO), Ärztin für Allgemeinmedizin, 02/2024, in GdB: 60 %, DZ, ZE: D3, Epileptiker, Prothesenträger.
Operationen: Enukleation des rechten Auges, Zustand nach KTEP-Implantation links, Zustand nach Gammanagel-OP linker Oberschenkel, Zustand nach ASK-Kniegelenke beidseits, Zustand nach Fersenbeinfraktur-beidseits, Z.n. Stent-Implantation (MCI),
Derzeitige Beschwerden:
Der Patient kommt alleine und ohne Gehbehelfe zur Untersuchung. Er berichtet, dass er Schmerzen im Bereich beider Fersen habe. Weiters berichtet er über Schmerzen in der LWS. Ebenso gibt er noch präkardiale Schmerzen sowie abdominelle Schmerzen an. Am rechten Auge besteht eine Blindheit. Bezüglich der Epilepsie ist er derzeit anfallsfrei unter antikonvulsiver Therapie. Die Gehstrecke wird mit 50-100 m angegeben-1 Stockwerk kann überwinden. Den Parkausweis würde er brauchen, um einkaufen zu gehen. Er könne keine schweren Lasten tragen. Weitere Erkrankungen bzw. Funktionseinschränkungen werden auch auf Nachfrage nicht thematisiert.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Bisoprolol, Temesta, Ezeato, Pantoprazol, Lacosanid, Levetiracetam, Compensan,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
MRT-BWS, 04/2024.
Ergebnis:
Zentrale, umschriebene Impression der Deckplatte des HWK 8 auf dem Boden eines Schmorl’schen Knotens.
Keine Höhenminderung der Hinterkante, keine pathologischen Veränderungen der Kontur oder Signalgebung der übrigen Wirbelkörper. Keine Myelopathie.
Arztbrief, UNIKLINIKUM- XXXX , 08/2022, Abteilung für Innere Medizin.
1.) NSTEMI - CAG am 16.08.2022: Koronare Zweigefäßerkrankung.
Arztbrief, Reha-Zentrum- XXXX , 11/2022.
Diagnosen:
1.) KHK: St.p. PCI (DES) der med. CX am 16.08.2022 bei NSTEMI.
2.) St p. C2-Abusus bis ca. 1995.
3.) St.p. Heroin und Kokain-Intoxication bis 2018.
4.) St.p. mehreren traumatischen Frakturen an bd. unteren Exträmitäten (Sprungelenksathrosen bds.).
5.) St.p. SHT mit nachfolgender Epilepsie.
6.) Lumbago bei LWS-Arthrosen
7.) St.p. KTEP.
Röntgenbefund, HWS und BWS, 01/2024.
Ergebnis:
An der HWS mäßige links bogige Skoliose. Bandscheibenschaden mit mäßiger Osteochondrose, aber deutlichen Unkarthrosen zwischen C4-C6. An der BWS zeigt sich ein Deckplatteneinbruch von Th8 mit Höhenreduktion um 1/3. Bei entsprechender Klinik kann es sich um einen frischen Einbruch handeln.
Röntgen, Kniegelenk rechts, Sprunggelenk rechts, 09/2020.
Ergebnis:
Mäßige medial betonte Varusgonarthrose und deuliche Femoropatellararthrose rechts. Auch deutlicher Erguss suprapatellar rechts zu sehen. Chondrokalzinose der Menisci.
Es besteht eine schwere Arthrose im Subtalargelenk rechts mit kräftiger Sklerosierung und teils fehlendem Gelenkspalt sowie Randosteophyten. Das obere Sprunggelenk zeigt eine mittelgradige Arthrose rechts.
Untersuchungsbefund:
Adipöser Ernährungszustand.
Größe: 177,00 cm Gewicht: 92,00 kg
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf/ Hals: HNAP: frei, nicht druckschmerzhaft, SD: tastbar, frei verschieblich, LK: keine pathologischen Lymphknoten tastbar, Sehen: altersgemäß, Hören: altersgemäß, Zahnstatus: teilsaniert,
Thorax/ Lunge: knöcherner Thorax seitengleich, VA, Lungenbasen frei verschieblich, keine pathologischen RG's auskultierbar,
Herz: HT rein, rhythmisch, normofrequent,
Abdomen: Bauchdecke weich, über dem Thoraxniveau gelegen, keine pathologischen Resistenzen tastbar, Bruchpforten geschlossen, Leber und Milz nicht tastbar,
Wirbelsäule: achsengerechte Stellung, FBA: 10 cm, Lasegue: beidseits negativ, Dreh-und Kippbewegung in der LWS endlagig eingeschränkt, geringgradig schmerzhaft, KS im Bereich der BWS und LWS auslösbar, aktives Abheben beider unteren Extremitäten von der Unterlage bis 45° möglich,
Obere Extremitäten: alle großen Gelenke an beiden oberen Extremitäten sind im Bewegungsumfang frei, grobe Kraft altersgemäß vorhanden, Nacken-und Schürzengriff beidseits durchführbar,
Untere Extremitäten: alle großen Gelenke an beiden unteren Extremitäten sind im Bewegungsumfang frei, grobe Kraft altersgemäß vorhanden, Belastungsschmerzen im Fersenbereich beidseits,
Neurologischer Status: derzeit keine sensiblen und motorischen Ausfälle vorhanden, Epilepsie,
Nikotin: 0, Alkohol: 30/Tag,
Gesamtmobilität – Gangbild:
Die Gesamtmobilität wird anamnestisch mit 50-100 m angegeben. Einbeinstand beidseits mit Anhalten durchführbar. Zehen-und Fersengang beidseits nicht möglich. Das Gangbild ist normalschrittig und sicher.
Status Psychicus:
Patient allseits orientiert. Antrieb normal. Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich gegeben. Duktus kohärent. Keine pathologischen Denkinhalte verifizierbar. Affektabflachung bei jahrelangen Substanzmissbrauch.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates-Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (BWS/LWS)-Zustand nach KTEP-Implantation-Belastungsschmerzen im rechten Sprunggelenk.
Einstufung der Erkrankung mit dem oberen Wert des Rahmensatzes von 40 %-Derzeit mäßige Funktionseinschränkungen ohne Verwendung von Gehbehelfen-Analgetika bei Bedarf.
Pos.Nr. 02.02.02 GdB 40%
2 Zustand nach mehrjährigem Substanzmissbrauch- (Kokain, Heroin, Cannabis, LSD)-Substitutionsprogramm.
Einstufung der Erkrankung mit dem oberen Wert des Rahmensatzes von 40 % aufgrund des Substitutionsprogrammes (Compensan).
Pos.Nr. 03.08.01 GdB 40%
3 Amaurose des rechten Auges.
Einstufung der Erkrankung mit 30 % bei Erblindung eines Auges-Einstufung nach Tabelle der EVO-Zeile 9/Spalte 1.
Pos.Nr. 11.02.01 GdB 30%
4 Koronare 2-Gefäßerkrankung-Z.n. NSTEMI-Z.n. Stent-Implantation.
Einstufung der Erkrankung mit dem unteren Wert des Rahmensatzes von 30 % bei erfolgreicher Intervention.
Pos.Nr. 05.05.02 GdB 30%
5 Epilepsie.
Einstufung der Erkrankung mit dem unteren Wert des Rahmensatzes von 20 %-Unter antikonvulsiver Therapie derzeit anfallsfrei.
Pos.Nr. 04.10.01 GdB 20%
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Position 1 als Hauptdiagnose-Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates-wird durch die Positionen 2-4 um insgesamt 2 Stufen auf den Gesamtgrad der Behinderung von 60 % gesteigert. Durch alle 3 Erkrankungen gemeinsam kommt es zu einer zusätzlichen Verschlechterung des gesundheitlichen Gesamtzustandes. Position 5 hat keinen weiteren funktionellen Einfluss auf die übrigen Erkrankungen und steigert daher den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter.
Nachuntersuchung: Ein Abfall des GdB unter 50 % ist nicht mehr wahrscheinlich.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vordergrund der Beschwerden stehen nunmehr die Funktionseinschränkungen im Bewegungsapparat. Wesentliche Veränderungen im gesundheitlichen Gesamtzustand haben sich nicht ergeben.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Festlegung des Gesamtgrades der Behinderung weiterhin mit 60 % wie im Vorgutachten.
[X] Dauerzustand
Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:
Die / Der Untersuchte
[X] ist Epileptikerin oder Epileptiker
[X] ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial
[X] ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Aufgrund der vorgelegten Befunde und der klinischen Untersuchung ist die angegebene Gehstrecke von 50-100 m nicht nachvollziehbar. Der Patient verwendet keinen Gehbehelf und das Gangbild ist physiologisch. Derzeit ist der Patient in der Lage eine Gehstrecke von 300-400 m, eventuell unter Verwendung von einem Gehbehelf zurückzulegen. Auch das Ein-und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Standsicherheit nicht erheblich eingeschränkt. Eintragung der Unzumutbarkeit kann derzeit medizinisch nicht begründet werden.
Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Kranken-diätverpflegung liegen vor, wegen:
[X] Erkrankungen des Verdauungssystems, Hypertonie (Pos.05.01) und Herzerkrankungen nach Pos. 05.02. sowie 05.05. bis 05.07.
GdB: 30 v.H.
Begründung:
D3: KHK, 30 %.
Epileptiker: Epilepsie.
Prothesenträger: Z.n. KTEP-Implantation.
Osteosynthesematerial: Gammanagel-Implantation linker Oberschenkel.“
Der bP wurde das Gutachten zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Die bP gab keine Stellungnahme ab.
1.2. Feststellungen:
Die bP besitzt die XXXX Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt ersichtlichen Adresse im Bundesland XXXX wohnhaft.
Das im Auftrag der bB im Beschwerdevorentscheidungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten stellte die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel fest. Aufgrund der vorgelegten Befunde und der klinischen Untersuchung ist die angegebene Gehstrecke von 50-100 m nicht nachvollziehbar. Der Patient verwendet keinen Gehbehelf und das Gangbild ist physiologisch. Derzeit ist der Patient in der Lage eine Gehstrecke von 300-400 m, eventuell unter Verwendung von einem Gehbehelf zurückzulegen. Auch das Ein-und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Standsicherheit nicht erheblich eingeschränkt. Eintragung der Unzumutbarkeit kann derzeit medizinisch nicht begründet werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z.B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Im Verfahren wurden mehrere Gutachten eingeholt. Aufgrund der Beschwerde der bP wurde das Beweisverfahren erneut eröffnet und im Beschwerdevorentscheidungsverfahren im Auftrag der bB am 14.04.2025 ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie eingeholt, welches, in Übereinstimmung mit den im Erstverfahren eingeholten Gutachten, einen Grad der Behinderung von 60% sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel feststellte und aufgrund der Aktualität und Spezifität des medizinischen Fachgebiets der Entscheidung des Gerichts zugrunde gelegt wird.
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das eingeholte chirurgische Sachverständigengutachten vom 14.04.2025 schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt das Gutachten auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Im aktuellen Gutachten wurden auch alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen berücksichtigt.
Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.
Die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründet der Chirurg in seinem Gutachten schlüssig damit, dass aufgrund der vorgelegten Befunde und der klinischen Untersuchung die angegebene Gehstrecke von 50-100 m nicht nachvollziehbar ist, da die bP keinen Gehbehelf verwendet und das Gangbild physiologisch ist das Ein-und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Standsicherheit nicht erheblich eingeschränkt sind. Er schlussfolgert, dass die bP in der Lage ist, eine Gehstrecke von 300-400 m, eventuell unter Verwendung von einem Gehbehelf zurückzulegen und somit die Eintragung der Unzumutbarkeit derzeit medizinisch nicht begründet werden kann.
Das aktuelle Sachverständigengutachten kam daher nachvollziehbar zu dem Schluss, dass - unverändert zu den im Erstverfahren eingeholten Gutachten - die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Nach Ansicht des ho. Gerichts erfolgte die Beurteilung schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei.
Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Sämtliche Einwände der bP in ihrer Beschwerde im Hinblick auf ihre Schmerzen und eingeschränkte Gehfähigkeit fanden im aktuellen Gutachten ihren Niederschlag.
Zusammenfassend wurden sohin sämtliche Vorbringen der bP im Hinblick auf ihre Schmerzen und Beschwerden im gegenständlichen Gutachten berücksichtigt. Die einzelnen Funktionseinschränkungen wurden nachvollziehbar einer Einschätzung unterzogen sowie eine umfassende Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorgenommen, welche schlüssig begründet wurde.
Der Sachverständige befasste sich im Zuge der Untersuchung hinreichend mit sämtlichen Beschwerdebildern. Sie fanden im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung ihren Niederschlag.
Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen abzugehen.
Das Sachverständigengutachten wurde im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.
Gemäß diesem Gutachten ist folglich von der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 f im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr.104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
[…]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß Abs 5 leg cit bildet Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258). Entscheidungs-wesentlich ist dabei ausschließlich der Gesundheitszustand der bP selbst. Maßgeblich ist nur, ob erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen vorliegen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorliegt.
Gemäß dem der Entscheidung des Gerichts zugrundeliegenden Gutachten liegen derartige Umstände nicht vor.
Der Mediziner legt schlüssig die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar: Aufgrund der vorgelegten Befunde und der klinischen Untersuchung ist die angegebene Gehstrecke von 50-100 m nicht nachvollziehbar. Der Patient verwendet keinen Gehbehelf und das Gangbild ist physiologisch. Derzeit ist der Patient in der Lage eine Gehstrecke von 300-400 m, eventuell unter Verwendung von einem Gehbehelf zurückzulegen. Auch das Ein-und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Standsicherheit nicht erheblich eingeschränkt. Eintragung der Unzumutbarkeit kann derzeit medizinisch nicht begründet werden.
Das Sachverständigengutachten wurde im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das Sachverständigengutachten stellte im Ergebnis fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ bei der bP nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Die bP ist auf Grundlage der obigen Ausführungen in der Lage, die angegebene Wegstrecke zurückzulegen. Es können übliche Niveauunterschiede überwunden werden, sodass die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich ist, weshalb in Gesamtbetrachtung die Voraussetzungen, welche eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen würden, nicht vorliegen.
3.5. Soweit von der bP auch der nach § 29b StVO beantragte Parkausweis in Beschwerde gezogen wird, wird darauf hingewiesen, dass sich das BVwG in seinem Prüfungsumfang auf das – als Vorfrage zur Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO – zu klärende Vorliegen der Voraussetzungen der beantragten Zusatzeintragung zu beschränken und mangels Zuständigkeit keine Entscheidung über den noch offenen Antrag gem. § 29b StVO zu treffen hat (vgl. VwGH Erkenntnis vom 21.09.2018, Ro 2017/02/0019).
Mangels bescheidmäßiger Erledigung durch die erste Instanz liegt keine meritorische Entscheidungsbefugnis des BVwG diesbezüglich vor und ist dieses unzuständig. Es wird auf den dazu ergangenen verfahrensbezogenen Beschluss L517 2311602-2 verwiesen.
3.6. § 24 VwGVG lautet:
Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Verfahrensgegenständlich erwies sich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als nicht erforderlich, da der maßgebliche Sachverhalt hinreichend durch die Aktenlage geklärt war und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist.
Es steht für das erkennende Gericht der entscheidungserhebliche Sachverhalt aufgrund des Sachverständigengutachtens, der eingebrachten Unterlagen und des Vorbringens der bP in ihrer Beschwerde fest und bedarf dieser keiner Ergänzungen mehr, weshalb das Gericht von der Durchführung einer Verhandlung Abstand nimmt.
Weiters liegt auch kein Rechtsschutzdefizit für die bP – auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen (Sachverständigengutachten in Verbindung mit der klinischen Untersuchung und den vorgelegten Befunden, Parteiengehör und dergleichen) – vor und würde auch eine mündliche Verhandlung, bedingt durch die vorliegenden Tatsachen, keinen anderen ergänzenden Sachverhalt ergeben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030)
Nach Art. 133 Abs. 4 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab-weicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3, vom 06.12.2017 Ra 2015/11/0046-8, vom 11.12.2017 Ra 2015/11/0102-5).
Nach ständiger Judikatur sind Rechtsfragen des Verfahrensrechts nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrens-rechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in der Zulassungsbegründung dargelegt werden muss (VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3, VwGH vom 23.01.2017 Ra 2017/11/0001, mwN).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Zu dieser Frage liegt umfangreiche und einheitliche Judikatur des VwGH vor. Die grundsätzliche Bestimmung betreffend der Zusatzeintragungen in den Behindertenpass erfuhr keine substanzielle Änderung.
Im Hinblick auf die außerordentliche Revision ist bei den gem. § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des VwGH abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des VwGH abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht ausreicht (VwGH vom 06.12.2017, Ra 2015/11/0046-8, vgl. Beschluss Ra 2017/11/0225, mwN).
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
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