IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Mag. Peter Zivić, Weihburggasse 20, 1010 Wien, über die Beschwerde vom 10. August 2016 gegen den Bescheid des ehemaligen Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 8. Juli 2016 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO im eingeschränkten Umfang Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2015 beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) unter anderem die Berücksichtigung von Kosten der doppelten Haushaltsführung in Höhe von 2.400,00 € und Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,00 €. In einem Schreiben vom 28.06.2016 legte der Bf. diverse Unterlagen vor.
Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 vom 08.07.2016, zugestellt am 13.07.2016, wurden die Kosten nicht anerkannt, weil die Voraussetzungen nicht vorgelegen seien.
Mit Beschwerde vom 09.08.2016, eingebracht am 10.08.2016, brachte der Bf. vor, er habe am tt.05.2016 in der Slowakei geheiratet und lebe mit seiner Ehefrau und ab 16.06.2015 mit seiner Tochter am Familienwohnsitz in der Slowakei im gemeinsamen Haushalt. Daher werde gemäß der Verwaltungspraxis für eine Übergangszeit von zwei Jahren die Berücksichtigung der Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten begehrt.
Das Finanzamt übermittelte dem Bf. ein Ergänzungsersuchen vom 27.02.2017 und verlangte Unterlagen wie Meldezettel, Mietverträge und Nachweise der beantragten Kosten. Der Bf. ersuchte um Fristverlängerung bis 30.06.2017.
Mit Schreiben vom 21.09.2017 reichte der Bf. diverse Unterlagen nach und nahm zum Vorhalt Stellung. Der Betreff des Vorhaltes lautete ANV (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, bezog sich jedoch auf das Ergänzungsersuchen vom 27.02.2017. Mit Eingabe vom 20.10.2017 reichte der Bf. weitere Unterlagen nach.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.01.2018 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, weil der übermittelte Vorhalt nicht beantwortet und Unterlagen nicht nachgereicht worden seien.
Mit Eingabe vom 23.02.2018, eingelangt am 23.02.2018, begehrte der Bf. die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 299 BAO, in eventu die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015 gemäß § 303 Abs. 1 BAO und in eventu die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Die Eingaben vom 21.09.2017 und 20.10.2017 seien irrtümlicherweise unter dem Betreff "ANV 2016 - Beschwerde" statt richtig "ANV 2015 - Beschwerde" eingebracht worden.
Mit weiteren Ergänzungsersuchen vom 09.08.2018 betreffend Arbeitnehmerveranlagungen 2015 - 2017 verlangte das Finanzamt diverse Nachweise betreffend Familienwohnsitz, Wohnungskosten am Beschäftigungsort und zu den Familienheimfahrten.
Mit Schreiben vom 19.11.2018 schränkte der Bf. sein Begehren auf die Berücksichtigung von Familienheimfahrten ab Juni 2015 ein, begründet mit der Eheschließung des Bf.
Am 26.02.2019 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Mit Schreiben an das Bundesfinanzgericht vom 16.08.2019 begehrte der Bf. in eventu im Jahr 2015 die Berücksichtigung von Werbungskosten in der Höhe eines Drittels des großen Pendlerpauschales, sohin in der Höhe von 1.224,00 €. Dies unter Hinweis auf Beschwerden zu den Einkommensteuerbescheiden 2016 und 2017 und die im Wesentlichen gleiche Rechtsfrage in diesen Verfahren.
Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom 11.07.2025 wurde das Finanzamt um Auskunft zu den Veranlagungsjahren 2016 und 2017 und zur Vergleichbarkeit der Sachlage ersucht. Der Bf. wurde um Stellungname ersucht, weshalb Kosten für Familienheimfahrten erst ab Juni 2015, in eventu Werbungskosten in der Höhe eines Drittels des großen Pendlerpauschales jedoch für das gesamte Veranlagungsjahr begehrt werden.
Mit Schreiben vom 15.07.2025 bestätige das Finanzamt, dass der Abgabepflichtige in den Folgejahren 2016 und 2017 jeweils ein Drittel des höchsten Pendlerpauschales sowie den Pendlereuro erhalten habe und die Sachlage vergleichbar sei.
Mit Eingabe vom 20.08.2025 schränkte der Bf. sein Beschwerdebegehren auf die Berücksichtigung eines Drittels des großen Pendlerpauschales von 3.676,00 € für die Monate Juni bis Dezember 2015 ein, somit lediglich für 7 Monate und damit im Ausmaß von 714,00 €.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf.) heiratete am tt.5.2016 in der Slowakei. Seine Tochter wurde am tt.06.2015 geboren. Der Bf. bewohnte ab Juni 2015 mit seiner Ehefrau und seiner Tochter eine Eigentumswohnung in der Slowakei mit der Adresse ***Wohnung***.
Der Bf. war im Jahr 2015 bei der ***Arbeitgeberin*** beschäftigt.
Er bewohnte in Wien eine kleine Wohnung mit der Adresse ***Wohnung 2***.
Der Bf. fuhr jede Woche einmal vom Familienwohnsitz zum Beschäftigungsort und zurück.
Die einfache Wegstrecke zwischen Familienwohnsitz und Beschäftigungsort betrug 79,5 km bei einer Fahrzeit von 80 Minuten mit einem Kraftfahrzeug und mehr als 120 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und aus mehreren ergänzenden Vorbringen des Bf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Mit BGBl. I Nr. 53/2013 wurde § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 betreffend Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte neu geregelt und trat grundsätzlich mit der Veranlagung 2013 in Kraft. Gleichzeitig wurden in § 33 Abs 5 EStG 1988 Regelungen zum Pendlereuro aufgenommen.
Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze ist für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz ( § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) maßgeblich (siehe § 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG 1988).
Nach § 4 Pendlerverordnung liegt ein Familienwohnsitz ( § 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG 1988 und § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) dort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat. Der Steuerpflichtige hat einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.
Der Bf. hatte ab Juni 2015 seinen Familienwohnsitz an der Adresse ***Wohnung***, weil er dort über eine Eigentumswohnung verfügte und diese ab Juni 2015 mit seiner Familie bewohnte.
Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale bei mehr als 60 km 3.672 € jährlich (siehe § 16 Abs. 1 Z 6 lit d EStG 1988 iVm § 2 Pendlerverordnung).
Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz ( § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) zur Arbeitsstätte zu (siehe § 16 Abs. 1 Z 6 lit e EStG 1988).
Die Voraussetzungen für das große Pendlerpauschale in Höhe von 3.672 € lagen ab Juni 2015 vor. Das anteilige Pendlerpauschale für sieben Monate beträgt daher 2.142,00 €. Da der Bf. ab Juni 2015 jede Woche einmal vom Familienwohnsitz zum Beschäftigungsort und zurückfuhr, fuhr er an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte. Daher steht ihm das anteilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu, damit in Höhe von 714,00 €.
Nach § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 steht bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 hat. Für die Berücksichtigung des Pendlereuros gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. e bis j EStG 1988 entsprechend.
Die einfache Fahrstrecke betrug gerundet 80 km, der Pendlereuro beträgt 160 €, anteilig für sieben Monate sind dies 93,33 €. Auch der Pendlereuro steht dem Bf. aufgrund der Anzahl der Fahrten zu einem Drittel zu, das sind 31,11 €.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich aus dem Gesetzestext und der zu den zitierten Gesetzesstellen erlassenen Pendlerverordnung, sodass die Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am 22. September 2025