IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 10. Mai 2023 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 18. April 2023 betreffend Einkommensteuer 2018 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Aufgrund seiner elektronisch am 10.3.2022 eingereichten Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2018 erging am 21.4.2022 der Einkommensteuerbescheid 2018 erklärungsgemäß. Das Finanzamt berücksichtigte darin EUR 17.050,03 an Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ohne inländischen Steuerabzug. Nach einem Vorhalteverfahren hob das Finanzamt mit Bescheid vom 18.4.2023 den Einkommensteuerbescheid 2018 gemäß § 299 BAO auf und erließ den nunmehr bekämpften neuen Einkommensteuerbescheid 2018. Darin brachte das Finanzamt EUR 24.750,46 an Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ohne inländischen Steuerabzug zum Ansatz und setzte die Einkommensteuer mit EUR 3.431,00 fest.
In seiner Beschwerde vom 25.4.2023 (per Telefax eingebracht am 10.5.2023) beantragte der Beschwerdeführer, ein Drittel der ihm zugeflossenen ausländischen Bezüge in Anwendung des § 124b Z 53 EStG 1988 steuerfrei zu belassen, da er bezüglich der erhaltenen Austrittsleistung bei endgültigem Verlassen der Schweiz keine Möglichkeit gehabt habe, den Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine Disposition über die Freizügigkeitsleistung aufrechtzuerhalten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 6.6.2024 wies das Finanzamt die Beschwerde ab und verwies auf die Begründung zu den Beschwerdevorentscheidungen über Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 . Die Begründungen zu den Beschwerdevorentscheidungen über die Beschwerden gegen die Einkommenste uerbescheide 2015 und 2016 vom 31.3.2020 lauten auszugs weise: "… Der dem Bf. für seine frühere unselbständige Tätigkeit für die "Direktion der Justiz und des Inneren des Kantons ***X***" ausbezahlte Betrag, stellt kein Ruhegehalt im Sinne des Artikel 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (kurz DBA-Schweiz) dar. Artikel 19 Abs. 1 DBA-Schweiz erfordert, dass 1. die Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen dem Vertragsstaat, dem Land, dem Kanton, der Gemeinde, dem Gemeindeverband oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht wurden und 2. die Zahler der Vergütungen bzw. der Ruhegehälter auch dem genannten Kreis zugehören … (vgl. BFG vom 04.02.2019, RV/1100241/2017 und BFG vom 07.03.2019, RV/1100564/2016).
Da es sich gemäß Artikel 1 Abs. 1 des Vorsorgereglements der BVK Personalvorsorge des Kanton Zürichs, bei dieser um eine vom Kanton errichtete privatrechtliche Stiftung mit Sitz in ***X*** handelt, kann Artikel 19 DBA-Schweiz nicht zur Anwendung gelangen. Vielmehr liegt ein Ruhegehalt gemäß Artikel 18 DBA-Schweiz vor, welches ohne Anrechnung der schweizerischen Quellensteuer in Österreich voll zu besteuern ist. Eine Anrechnung der in der Schweiz entrichteten Einkommensteuer kommt gemäß Artikel 23 DBA Schweiz nur bei unter Artikel 10, 15 und 19 fallenden Einkünften, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, in Betracht. Artikel 18 DBA-Schweiz stellt einzig auf die Ansässigkeit im Zeitpunkt des Pensionskassenbezuges ab. Zum Zuflusszeitpunkt war der Bf. in Österreich ansässig und somit steht Österreich das ausschließliche Besteuerungsrecht zu und eine Quellensteuer ist nicht anzurechnen. Gemäß dem Zürcher Steuerbuch unterliegen Personen, die eine Kapitalleistung aus Vorsorge erhalten, dann der Quellensteuer, wenn Ihnen die Kapitalleistung zu einem Zeitpunkt ausbezahlt wird, in dem sie keinen Wohnsitz oder Aufenthalt (mehr) in der Schweiz haben. Unterhält der Staat, in dem der Empfänger seinen Wohnsitz hat, ein DBA mit der Schweiz, steht die Besteuerungskompetenz in der Regel dem Wohnsitzstaat zu. Der Quellensteuerabzug ist in diesen Fällen nicht definitiv, sondern dem Steuerpflichtigen steht ein Rückforderungsanspruch zu. … Betreffend die beantragte Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 liegt ein von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung als begünstigungsschädlich erachtetes Wahlrecht zwischen einer Altersrente bzw. der Auszahlung einer Kapitalabfindung vor. Beim Verlassen der Vorsorgeeinrichtung hatte der Bf. die Wahl zwischen einer freiwilligen Weiterversicherung gemäß Artikel 7 Abs. 1 des Vorsorgereglements der BVK und der Inanspruchnahme einer Freizügigkeitsleistung gemäß Artikel 62 Abs. 1 des Vorsorgereglements der BVK.
Durch die Inanspruchnahme der Freizügigkeitsleistung (welche in weiterer Folge in drei Tranchen am 10.11.2015, sowie am 29.04.2016 und am 13.07.2018 als Kapitalbezug ausbezahlt wurde), wurde ein nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung schädliches Wahlrecht ausgeübt und somit steht die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 nicht zu. …"
Der Beschwerdeführer beantragte am 19.6.2024 (per Telefax eingebracht am 20.6.2024) die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Das Finanzamt legte die Beschwerde am 27.8.2024 dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte, die Beschwerde abzuweisen und den Einkommensteuerbescheid 2018 wie folgt abzuändern: "Als Einkünfte ist der Betrag von 29.072,11 Franken zzgl. der Quellensteuer von 760,00 Franken sohin insgesamt 29.832,11 Franken zu erfassen; dies umgerechnet in Euro. Die ausländische Steuer von 760,00 Franken ist sodann umgerechnet in Euro nach der Berechnung der Einkommensteuer in Abzug zu bringen.". Es brachte vor, dass der Beschwerdeführer ein Wahlrecht hinsichtlich der Auszahlung seines Freizügigkeitsguthabens (als Einmalbetrag oder in Rentenform) gehabt hätte.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der am TT.MM.1956 geborene Beschwerdeführer ist seit 3.8.2015 an der Adresse ***ö_Adresse*** mit Hauptwohnsitz gemeldet und hat seine engsten persönlichen Bindungen in Österreich.
Der Beschwerdeführer war bis 31.8.2015 beim ***Kanton X*** in der Schweiz nichtselbständig beschäftigt (vgl. Vereinbarung betreffend die einvernehmliche Auflösung vom 3.6.2015 - Aktenstück 17 Seiten 43f).
Er erhielt am 13.7.2018 den Betrag von CHF 29.087,11 (CHF 30.097,11 abzüglich CHF 760,00 an Quellensteuer und abzüglich einer Pauschalgebühr von CHF 250,00) von der ***Y Vorsorge***. Die ***Y Vorsorge*** ist eine nach Art. 80 des Schweizer Zivilgesetzbuches errichtete Stiftung (vgl. die Angaben auf ***www*** Abfragedatum 15.10.2025).
Beim Auszahlungsbetrag handelt es sich um die dritte Teilzahlung des Freizügigkeitsguthabens des Beschwerdeführers. Die ersten beiden Teilbeträge hatte der Beschwerdeführer in den Jahren 2015 (CHF 423.588,35 am 10.11.2015) und 2016 (CHF 227.135,69 am 29.4.2016) erhalten.
Diese Sachverhaltselemente sind zwischen den Parteien unstrittig und sind durch die vorgelegten Beweismittel (insbesondere die Selbstanzeige des Beschwerdeführers - Aktenstück 5 und die Belastungsanzeige der ***Y Vorsorge*** vom 11.7.2018 - Aktenstück 9) bzw. die Einsichtnahme der Richterin in das Zentrale Melderegister zweifelsfrei belegt.
Der Beschwerdeführer hatte zum Ende seines Beschäftigungsverhältnisses in der Schweiz keine Möglichkeit, den Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch in der Schweiz durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice aufrecht zu erhalten, zumal derartige Freizügigkeitspolicen (auch) im Jahr 2014 nicht angeboten wurden.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellung, dass Freizügigkeitspolicen nicht angeboten wurden, ist das Ergebnis der Ermittlungen des Finanzamtes, mit denen das Bundesfinanzgericht das Finanzamt mit Beschluss vom 22.9.2025 beauftragt hatte, und entspricht dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Das Finanzamt hat dem Bundesfinanzgericht am 15.10.2025 mitgeteilt, dass derartige Freizügigkeitspolicen nicht angeboten wurden bzw. werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b erster Satz EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen (einschließlich aus ausländischen Einrichtungen im Sinne des § 5 Z 4 des Pensionsabfindungsgesetzes) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Rechtsgrundlage für die dem Beschwerdeführer von der Schweizer Vorsorgekasse ausbezahlten Leistungen ist das Schweizer Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) vom 17.12.1993. Gemäß Art. 2 Abs. 1 FZG haben Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen, Anspruch auf eine Austrittsleistung. Nach Art. 4 Abs. 1 FZG haben Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen: dafür nennt die auf Grundlage des FZG ergangen Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenene- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsverordnung, FZV) die Freizügigkeitspolice und das Freizügigkeitskonto. Gemäß Art. 5 Abs. 1 können Versicherte die Barauszahlung der Austrittsleistung unter anderem dann verlangen, wenn sie die Schweiz endgültig verlassen.
§ 124b Z 53 EStG 1988 lautet: "53. Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 927 BlgNR 21. GP führen dazu aus: "Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik trifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu versteuern."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Inanspruchnahme dieser Begünstigungsbestimmung Voraussetzung, dass der Anspruchsberechtigte keine Möglichkeit hatte, den Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice aufrecht zu erhalten (vgl. VwGH 4.6.2020, Ra 2019/15/0080 mwN). Der Beschwerdeführer hatte tatsächlich keine solche Möglichkeit. Daher ist die bezogene Pensionsabfindung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern, aber zu einem Drittel steuerfrei zu belassen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts, zuletzt etwa BFG 10.05.2023, RV/1100092/2019 mwN).
Das Vorbringen des Finanzamtes, der Beschwerdeführer habe nach Art. 26 Abs. 1 des Reglementes der BVK Personalvorsorge des Kantons ***X*** die Möglichkeit gehabt, im Zuge der Beendigung des Dienstverhältnisses eine vorzeitige Rente zu beantragen (vgl. Stellungnahme vom 15.10.2025), geht aus folgendem Grund ins Leere: Nach Art. 26 des Vorsorgereglements gültig ab 1. September 2014 (überschrieben mit "Altersrente") besteht nach der ordentlichen, vorzeitigen oder aufgeschobenen Alterspensionierung im Sinne von Art. 7 oder nach der vorzeitigen Entlassung altershalber im Sinne von Art. 8 Anspruch auf eine lebenslängliche Altersrente. Nach Art. 7 (überschrieben mit "Alterspensionierung") wird das ordentliche Pensionierungsalter mit Vollendung des 65. Altersjahres erreicht (Abs. 1). Versicherte Personen können ab vollendetem 60. Altersjahr die vorzeitige Pensionierung verlangen (Abs. 2) bzw. kann die Pensionierung bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen bis zur Vollendung des 70. Altersjahres aufgeschoben werden. Keiner dieser Fälle trifft für den Beschwerdeführer zu: Er hatte zum Zeitpunkt der Beendigung seines Dienstverhältnisses in der Schweiz (erst) das 59. Lebensjahr vollendet.
Das Vorbringen des Finanzamtes (vgl. Stellungnahme vom 15.10.2025), die von der Schweiz einbehaltenen Quellensteuern auf Pensionskassenbezüge gemäß Art. 18 DBA Schweiz seien in Österreich nicht anrechenbar, erweist sich als berechtigt, da die Freizügigkeitsleistung dem Beschwerdeführer zwar für frühere Dienstleistungen einem Kanton gegenüber, aber nicht von einem Vertragsstaat, einem Land, einem Kanton, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts eines der beiden Staaten gewährt wurde. Die Freizügigkeitsleistung wurde von einer privatrechtlich organisierten Stiftung nach Schweizer Recht erbracht und ist daher unter Art. 18 DBA Schweiz zu subsumieren (vgl. ausführlich dazu BFG 12.07.2023, RV/1100132/2019 mit zahlreichen Judikaturhinweisen). Die Schweiz hat an diesen Bezügen kein Besteuerungsrecht, sodass auch keine Anrechnung von Quellensteuern in Betracht kommt, zumal Art. 23 Abs. 2 DBA Schweiz nur bei Bezug von unter Art. 10, 15 und 19 des Abkommens fallende Einkünfte eine Anrechnung vorsieht.
Die Bemessungsgrundlagen für die Einkommensteuer 2018 und deren Ermittlung stellen sich wie folgt dar (Beträge in EUR):
[...]
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)
Die Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war und da die rechtliche Würdigung des unstrittigen Sachverhaltes der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung folgt.
Innsbruck, am 15. Oktober 2025