JudikaturBFG

RV/7100295/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Ri1, die Richterin ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter MagA und MagB in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 2. August 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 4. Juli 2023, Ordnungsbegriff Nr1, betreffend Abweisung des (Eigen)Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab April 2021 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Ve rwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf:

1. Mit ärztlicher Begutachtung durch das Sozialministeriumservice am 28.8.2015 (Neurologin DrA) war Frau ***Bf1*** (= Beschwerdeführerin, Bf), geb. 10/1995, eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit sowie ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 % ab 1.9.2012 bescheinigt worden. Zugleich wurde eine Nachuntersuchung in 3 Jahren wegen möglicher Stabilisierung empfohlen. Das Gutachten (mit Untersuchung) lautete auszugsweise:" … Anamnese:Ab ca. 9.Lj. chron. Kopfschmerzen (Spannungskopfschmerz bei Kyphosierung C4-6) mit Betreuung Kinderamb./AKH sowie Einleitung physikalischer Therapie. Ab ca. 16.Lj. depressive Entwicklung, Selbstverletzungen sowie Angstzustände und mäßiger Alkoholmissbrauch. Ambulante Betreuung KJP/AKH und Psychotherapie für 6 Monate sowie Einstellung auf Fluoxetin. Zn. 2xigen Suicidversuchen (durch Erdrosseln und Aufschneiden der Pulsadern) im 16., 17.Lj. Stationärer Aufenthalt 9/2012 für eine Nacht KJP/AKH wegen akuter Suicidalität; stationär in Klinik XX 10/2014-1/2015.Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Sertralin 25mg, Atarax bei Bed. (2xwö.); FÄ-Betreuung bei DrB/AKH 1xwö.; Psychotherapie 1xwö. (Gruppen- und Einzeltherapie).Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):12.9.2012, KJP/AKH: mittelgradige depressive Episode, schädl. Gebrauch von Alkohol, selbstverletzendes Verhalten, Vd.a. Migräne ohne Aura.23.10.2014, psychosomatisches Zentrum Klinik XX: generalisierte Angststörung, rezidivierende depressive Störung - ggw. remittiert, Akzentuierung von selbstunsicheren, depressiven u. emotional instabilen Persönlichkeitszügen, Spannungskopfschmerzen, Vd.a. Cluster-Kopfschmerz.Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:1 generalisierte Angststörung, rezidiv, depressive Störung, emotionalinstabile PersönlichkeitsstörungUnterer Rahmensatz, da noch Therapieerfordernis mit Betreuung erforderlich.Pos.Nr. 03.06.02 GdB 50 %Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja GdB liegt vor seit: 09/2012Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JADie Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.Nachuntersuchung: in 3 JahrenAnmerkung hins. Nachuntersuchung: Stabilisierung möglich …"

2. Mit Anträgen aus September 2022 hat die Bf für sich die Zuerkennung von Familienbeihilfe (FB) und FB-Erhöhungsbetrag, jeweils "ab 09/2018", wegen "Arbeitsunfähigkeit" bzw. wegen "generalisierter Angststörung, Panikstörung, komplexer Traumafolgestörung, Spannungskopf-schmerz, chronischer Pankreasinsuffizienz" beantragt.

3. Im Akt erliegen dazu folgende Unterlagen:- Befund der Neurolog. Abt. Krankenhaus XY v. 23.7.2018 Diagnose: Migräne; - Befund der Gynäkolog. Abt. Krankenhaus XY v. 10.9.2018 Diagnose: Dysmenorrhoe;- Patientenbrief der Med. Abteilung, Krankenhaus YY, v. 28.7.2020 betr. einen dreitägigen Therapieaufenthalt der Bf im Juni 2020 wg. Panikstörung und Reizdarmsyndrom; - Bestätigung der Psychotherapeutin MagAA v. 24.5.2021 über das Vorliegen von komplexen Traumafolgestörungen (Angststörung, Phobien, Zwangshandlungen);- Chefärztliche Stellungnahme v. 28.6.2021 im Rahmen der Begutachtung Mindestsicherungsgesetz: "Gemäß ärztlichem Gutachten vom 26.6.2021 ist Arbeitsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben für voraussichtlich 12 Monate";- Arztbericht DrC aus Juli 2022, Diagnose: ua. Verdacht auf chronisches Fatigue- Syndrom;- Arztbrief DrD, FA f. Neurologie, v. 3.8.2022, Diagnose: exokrine Pankreasinsuffizienz.

4. Infolge eines Ergänzungsersuchens hat die Bf im Schreiben v. 27.11.2022 mitgeteilt, sie habe seit dem Jahr 2018 lediglich die Mindestsicherung bezogen.Dazu erliegt im Akt ein Konvolut an Bescheiden des Magistrats der Stadt Ort1, beginnend mit Mai 2019 bis September 2022, über die Höhe der von der Bf laufend bezogenen Mindestsicherung.

5. Laut Abfrage der Sozialversicherungsdaten und einem Lohnzettel war die Bf nur für einen Monat, im April 2022, als Angestellte berufstätig.Damit übereinstimmend wird zufolge einer späteren FA-Abfrage "Auskunftsverfahren" für April 2022 ein Bezug als Angestellte, im Übrigen im Zeitraum 2018 bis 2024 durchgehend ein Mindestsicherungsbezug ausgewiesen.

6. Auf Anforderung durch das Finanzamt wurde vom Sozialministeriumservice (kurz: SMS) am 15./19.12.2022 ein Sachverständigengutachten (mit Untersuchung) von DrE, FÄin f. Neurologie, auszugsweise folgenden Inhaltes erstellt:

"… Anamnese:Generalisierte Angststörung, Panikstörung, komplexe Traumafolgestörung Kopfschmerz Chronische Pankreasinsuffizienz Die letzte Begutachtung erfolgte am 19.08.2015 mit Anerkennung von 50% GdB für die Diagnose "generalisierte Angststörung, rezidiv, depressive Störung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung" mit Nachuntersuchung in 3 Jahren.

Derzeitige Beschwerden:Die AW kommt gehend ohne Hilfsmittel. Sie leide weiterhin unter einer Angststörung, aber diese sei besser. Ängste hätte sie vor dem Erbrechen. Weiters hätte sie ein exogene Pankreasinsuffi-zienz, deswegen sei ihr häufig schlecht, sie hätte auch Durchfall, besonders in der Früh. Sie hätte auch Panikattacken, wenn sie zu Hause sei, würde sie dann aufzuräumen oder putzen-dies helfe. Sie s ei schnell überfordert bei großen Mens chenmengen. Sie versuche dann z.B: auf die Toilette zu g ehen, wo sie alleine sein könne oder gehe raus. Medikamentös sei sie auf keine Dauertherapie eingestellt. Atarax nehme sie sehr selten bei Bedarf. Psychotherapie mache sie 2x/Monat. Psychisch sei einiges weitergegangen. Die Therapeutin wisse aber nicht, wie sie ihr helfen könne, da sie so viele körperliche Probleme hätte. Kopfschmerzen hätte sie ca. 6x/Monat. Sie mache nicht Spezielles, manchmal nehme sie ein Schmerzmittel in Kombination mit Koffein. Ihr wäre dann auch schlecht und schwindelig. Schlafen würde helfen. Fachärztlich-psychiatrisch betreut werde sie nicht. Der letzte stationäre Aufenthalt wäre sie zuletzt auf der Psychosomatik ca. 2019 gewesen. Im ADL Bereich sei sie selbstständig.Ausbildung:Sie hätte die 5. Klasse eines Gymnasiums wiederholt und dann die Schule abgebrochen. Für ca 3 Monate hätte sie eine Lehre zur Konditorin gemacht. Sie dann ein freiwilliges soziales Jahr in einer Behinderten -WG absolviert, danach ein Maturaschule besucht und diese nach 1 Semester abgebrochen. Sie hätte eine Abend HTL mit Matura beendet. Sie hätte dann einen Job gesucht, den sie halten könne. Im April 2022 hätte 1 Monat bei der FirmaA 40 h/Woche gearbeitet, dies hätte nicht funktioniert. Sie sei dann beim AMS gewesen, der Bescheid der PV bezügl- Arbeitsunfähigkeit sei noch ausständig. Es bestehe keine SW, auch kein PG Bezug.

Behandlungen: Psychotherapie Medikamente: Panoprazol, Nortase Hilfsmittel: keineZusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):Vorgelegte Befunde- DrD, Facharzt für Neurologie, 03.08.2022Dauerdiagnosen: exokrine PankreasinsuffizienzAnamnese: chron. Erschöpfung seit 6 Mo schlechter, davor 2a ... initial Schlafrhythmus unregelmäßig …fast jeden Tag regelm. Kopfschmerzen: erst Einschlafen des Hinterkopfs, kribbeln, Übelkeit, Schwindel, v.a. linksseitig, stechend, aktivitätsunabhängig, NSAR helfen tlw., 10d/Mo Psychosomatische Abt. vor 3 JahrenPsychotherapie 1x/MoLabor anamn. OkDiagnosen: Cephalea, Fatigue

-i-Med 20, DrC, FA für Innere Medizin, 12.09.2022Diagnosen: Vd Colon irritabile, Vd.a. Chronic Fatigue-Syndrom, exokrine PankreasinsuffizienzTherapie: Nortase KpsAtarax Ftbl 25mg 20ST Bei BedarfProc: evt. Antrag psychosomt. Reha, neurol. Ko

- MagAA, Psychotherapeutin, 24.05.2021Meine Patientin ***Bf1*** leidet im Rahmen einer komplexen Traumafolgestörung an schweren seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen, mit denen sie in den letzten Jahren sehr gut umzugehen gelernt hat. Allerdings hat die Covid-19-Pandemie, gepaart ml der aktuellen Abschlussphase der HTL dazu geführt, dass bereits überwundene Symptome sich wieder vermehrt zeigen...Psychisch hat sich eine generalisierte Angststörung gepaart mit spezifischen Phobien entwickelt. Frau G. wird oft von unerwarteten und unerklärlichen Angstzustanden erfasst, sie fürchtet die Nähe anderer Menschen und hat Angst, sich mit Krankheiten anzustecken, die zum Erbrechen führen könnten, was angesichts ihrer ausgeprägten Emetophobie besonders belastend für sie ist. Im Zusammenhang damit treten Zwangshandlungen wie übermäßiges Desinfizieren und Waschen auf. was wiederum die Bewältigung des Alltags massiv erschwert.

- KH YY, Innere Med. und Psychosomatik, 22.06.2020 AufnahmegrundDie stationäre Aufnahme erfolgte zur Abklärung von Abdominalgien mit Durchfall. DiagnosenSonstiges und nicht näher bezeichnetes Reizdarmsyndrom Panikstörung bzw. unspezifische AngststörungKomplexe posttraumatische Belastungsstörung, DD: Emotional instabile Persönlichkeitsstörunqlatenter EisenmangelV.a. tief infiltrierende Endometriose der Sakrouterinalligamente linksDysmenorrhoe trotz Desirett (Desogestrel-Präparat)fragliche Migräne mit AuraAngststörung/ZwangsstörungExokrine PankreasinsuffizienzZusammenfassung des Aufenthalts:..Eine medikamentöse Therapie mittels Kreon 25.000 Einheiten 3xtgl bei exokriner Pankreasinffizinz wird empfohlen. Eine Kontrolle in unserer Crohn/Colitis/Reizdarm-ambulanz nach tel Terminvereinbarung wird empfohlen....Konsil Psychiatrie vom 09.06.2020:Diagnose: Panikstörung bzw. unspezifische Angststörung Komplexe posttraumatische Belastungsstörung, DD: Emotional instabile PersönlichkeitsstörungTherapieempfehlung: - die Reevaluierung der psychopharmakologischen Medikation wäre notwendig - diesbezüglich soll sich die Patientin an ihren niedergelassenen Facharzt wenden- aktuell nimmt die Patientin nur Atarax bei Bedarf- mit der Patientin wird die mögliche Teilnahme an einem Therapieprogramm h.o. evaluiert - die Teilnahme an unserem stationären Turnus-Therapieprogramm erscheint zielführend - diesbezüglich noch Abklärung mit Frau Mag. K. Aus psychiatrischer Sicht scheint die Patientin derzeit ausreichend stabil für die Teilnahme.- weiterführende Psychotherapie im niedergelassenen Bereich

- Sowie vom 28.07.2020AufnahmegrundDie Patientin wurde wegen einer Panikstörung und eines Reizdarmsyndroms in unser neunwöchiges Turnus-Therapieprogramm stationär aufgenommen.DiagnosenPanikstörungKomplexe posttraumatische Belastungsstörung DD: Emotional instabile PersönlichkeitsstörunqReizdarmsyndromchron. PankreasinsuffizienzEisenmangelEndometriose, Spannungskopfschmerz

-DZ Ort2US Oberbauch, 03.08.2020Ergebnis:Ausgeprägter Meteorismus, Punctum maximum im Epigastrium, dementsprechend das Pankreas nicht suffizient einsehbar, soweit beurteilbar aber keine Auffälligkeiten. Unauffälliger Befund der übrigen parenchymatösen Oberbauchorgane.

- Sowie vom 05.11.2020Röntgen HWS a.p. und seitlich stehend mit Funktionsaufnahmen:Normale Knochendichte und -Struktur. Streckfehlhaltung der HWS. Keine eindeutige Diskopathie, keine eindeutige Arthrose der Intervertebralgelenkc. Normaler Befund des Atiantodentalgelenkes. Keine Halsrippen.In Neutralstellung besteht keine Gefügelockerung. In Anteflexion kommt es zu einer geringen stufenförmigen Antelisthese von C2 - C5 um je 2 mm, in Retroflexion geringe Retrolisthese C2 - C5 um je 2 mm. Eingeschränkte Beweglichkeit der unteren HWS.

- Allergiezentrum Ort3, 21.09.2020DiagnosenGräserpollen-Allergie, Pollensaison beobachten. Hausstaubmilben-Allergie, regelmäßige Sanierungsmaßnahmen empfohlenKatzen-Sensibilisierung, Kontakt möglichst meiden.Symptomatische Therapie empfohlen.IgE-Erhöhung.Negative Epikutantestung.

- XXX Ost, Psychiatrische Amb, 11.02.2019, handgeschriebener Kurzbrief Diagnose: Generalisierte Angststörung

- Sowie vom 22.05.2019V.a. Angst- und depressive Störung gemischt

- Sowie vom 02.08.2019 Mittelgr. Depressive Episode

- KG BB, Neurologisches Konsilium - Ambulanz am 23.07.2018STN: V a Migräne (+/-Aura?)Weiteres ProcedereAtarax ex,KopfschmerzkalenderMRT d NK + AngiographieMiranax 550 mg 1 -2 StückPaspertin Ftbl 1xlZornig Nasenspray 5 mg 1 Hub max 2 Hub in 24 StundenTopiramat als Kopfschmerzprophylaxe wurde besprochen + incl Potentielle NW Kontrazeption bitte mit FA/FA f Gynäkologie klaren (Menstruationsabh Migraneattacken)

Untersuchungsbefund:Allgemeinzustand: GutErnährungszustand: Gut… Neurologischer Status gemäß COVID-19 Regelung: wach, voll orientiert, kein Meningismus…Psycho(patho)logischer Status:wach, junge koooperative Dame, in allen Qualitäten orientiert, Duktus Spur weitschweifig, kohärent, Denkziel wird erreicht, Aufmerksamkeit unauffällig, keine kognitiven Defizite, Affekt negativ getönt, Stimmungslage dysthym, Antrieb unauffällig, Konzentration Spur reduziert, keine produktive Symptomatik, erhöhtes Schlafbedürfnis.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

1 Generalisierte Angststörung, Panikstörung, komplexe Traumafolgestörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Psycho- therapie 1x/Monat laut Befund 08/2022, keine fach- ärztlich-psychiatrische Betreuung, keine Dauermedi- kation-somit Therapieoptionen unausgeschöpft.Pos.Nr.03.04.01GdB %20
2 Kopfschmerzen Unterer Rahmensatz bei Bedarfstherapie.04.11.0110
3 Chronische Pankreasinsuffizienz Unterer Rahmensatz bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand, keine aktuelle fachärztliche Stellungnahme vorliegend.07.07.0110

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:Das führende Leiden Position 1 wird von Leiden 2 und 3 aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht.

… Stellungnahme zu Vorgutachten:Verglichen mit dem Vorgutachten von 08/2015: Leiden 1 wird um 3 Stufen abgesenkt, da keine Therapie, keine fachärztliche Betreuung-somit Therapieoptionen unausgeschöpft. Leiden 2 und 3 werden neu aufgenommen. Der Gesamtgrad der Behinderung wird um 3 Stufen abgesenkt.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 12/2022 GdB 50 liegt vor seit: 09/2012Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:Ab dem Untersuchungstag kann ein GdB von 20 v.H. ermittelt werden.

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEINAnmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:Es ist weder eine fachärztlich-psychiatrische Betreuung vorhanden noch wird eine medikamentöse Dauermedikation eingenommen, sodass ein Leiden, das nicht behandlungs-würdig erscheint, vorliegt, sodass das vorliegende Leiden keine Erwerbsunfähigkeit begründet.- Dauerzustand …"

7. In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamts, mit dem Tätigkeitsnachweise (zB Schulbesuch, Lehrvertrag etc.) ab 09/2018 angefordert wurden, hat die Bf das (positive) Reife- und Diplomprüfungszeugnis der HTL für Elektronik und technische Informatik v. 1.7.2021 vorgelegt. Weiters erliegt im Akt eine Bestätigung der Abendschule HTL Ort4 aus 2018, dass die Bf ab 2016 einen Vorbereitungslehrgang besuchte und ab 2018/19 als Hörerin gemeldet ist. Die Bf führt diesbezüglich im Schreiben v. 24.1.2023 ua. aus:Ab 2018 bis zum Abschluss sei der Besuch der HTL ihre Hauptbeschäftigung gewesen. Trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheid der PVA habe sie im April 2022 (lt. Nachweis) - ohne dauerhaften Erfolg - versucht, einer regulären Beschäftigung nachzugehen. Aufgrund ihrer Behinderungen sei sie laut AMS so nicht vermittelbar.

8. Der weiteren Anforderung aller Schulbesuchsbestätigungen und Zeugnisse im Zeitraum 2018 - 06/2021 ist die Bf in der Folge nicht nachgekommen.

9. Das Finanzamt hat daraufhin mit Bescheid vom 4.7.2023, Ordnungsbegriff Nr1, den (Eigen)Antrag der Bf auf Familienbeihilfe (FB) für den Zeitraum "ab April 2021" abgewiesen. Die Begründung lautet:"Während einer Berufsausbildung steht die Familienbeihilfe für Sie als volljähriges Kind bis zum 25. Geburtstag (hier: bis 11/2020) zu, wenn Sie erheblich behindert sind (§ 6 Abs. 2 lit g Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde durch das Sozialministeriumservice jedoch nicht festgestellt.Die Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Dezember 2020 bis März 2021 erfolgte aufgrund gesetzlicher Vorgaben (§ 15 Familienlastenausgleichsgesetz 1967)."

10. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird vorgebracht:"… Die Abweisung seitens des Finanzamts erfolgte basierend auf einem Sachverständigen Gutachten, welches aufgrund des komplexen vorliegenden Krankheitsbildes und einer unzureichenden Kommunikation wenig aussagekräftig ist. Aus der Sicht der Gutachterin war mein Fall wahrscheinlich nicht leicht einzuschätzen. Dies ist verständlich, da meine Erkrankungen auf der einen Seite nicht gut dokumentiert sind und auf der anderen Seite auch dynamisch sind (bessere, schlechtere und miserable Tage). Des Weiteren ist zu beachten das man als chronisch erkrankte Person lernt die eigenen Baustellen und Einschränkungen aus Scham runterzuspielen, um sich selbst zu schützen. Diese Muster im Zuge eines Gutachtens zu durchbrechen, um zu zeigen, wie es eigentlich um einen steht, ist in Gegenwart einer fremden Person, von der man auch noch etwas braucht, die einen nicht ernst nimmt, nicht leicht. Es wurden ins Gutachten auch unvollständig abgetippte Befunde aufgenommen, in denen ganze massiv relevante Absätze gefehlt haben. Die Begründung des Grades der Behinderung auf 20, besteht laut Gutachten 1) Darin das meine Psychotherapie nur alle 14 Tage stattfindet. Dies liegt aber nicht am geringen Leidensdruck, sondern basiert darauf das meine Therapeutin/Psychologin mir aufgrund meiner anhaltenden Erschöpfungszustände keine häufigeren Stunden zumuten will, um meinen Gesundheitszustand nicht zu verschlechtern. Diesbezüglich folgt noch eine Stellungnahme meiner behandelnden Psychologin. Da momentan Urlaubszeit ist, wird diese nachgereicht 2) Darin, dass ich keine Dauermedikation nehme. Dies liegt ebenfalls nicht an einem geringen Leidensdruck oder einer Behandlungsunwürdigkeit. In meinen besseren Jahren habe ich erfolglos unterschiedlichste SSRI und Neuroleptika ausprobiert, alle komplett ohne Erfolg (dafür aber mit Nebenwirkungen). Da, wie ich unten noch näher ausführen werde, neue Medikation eine zusätzliche Belastung darstellt und ich nicht wie erwünscht auf Psychopharmaka reagiere, macht ein ständiges Durchprobieren keinen Sinn und stellt nur einen zusätzlichen Stressor dar. Leider steht seit einer Weile auch mein Bedarfsmedikament auf der Probe, da mein Partner Atemaussetzer im Schlaf nach der Einnahme festgestellt hat. Hierzu bin ich in Abklärung, da wegen familiärer Vorbelastung ein zentrales Schlafapnoe Syndrom vermutet wird. Bei einem zentralen Schlafapnoe Syndrom sind Medikamente, die eine verstärkte Dämpfung des Zentralnervensystems hervorrufen, kontraindiziert. Somit kann ich nicht mal in Akutsituationen auf beruhigende Medikamente zurückgreifen, bis festgestellt wurde, ob das zentrale Schlafapnoesyndrom bei mir auch vorliegt. Die größten Therapiefortschritte konnten allerdings durch Maßnahmen, die nicht medikamentös waren, erreicht werden, auch wenn Fortschritte im Zuge der massiven körperlichen Beschwerden in den letzten 4 Jahren nicht mehr im selben Ausmaß möglich sind. 3) Die "Kopfschmerzen", unter welchen ich leide sowie die Pankreasinsuffizienz werden aufgrund der angeblich funktionell zu geringen Relevanz nicht berücksichtigt, dieser Punkt wird weiter unten näher ausgeführt, allerdings besteht sehr wohl eine ausgeprägte negative Beeinflussung unter den verschiedenen Leiden, die sehr relevant ist, da eine Konfrontationstherapie bzw generell eine intensive Therapie, aufgrund der körperlichen Beschwerden stark erschwert bis unmöglich ist und in die andere Richtung eine ausführliche Diagnostik und Behandlung der körperlichen Leiden aufgrund der psychischen Verfassung ebenfalls erschwert ist. In der Anamnese fehlt die Erwähnung meiner seit ugf 2011 bestehenden Emetophobie, einer starken spezifischen Phobie vor dem Erbrechen, welche auf mehreren Ebenen die Bewältigung meines Alltags als auch die Behandlung und das Diagnoseverfahren meiner physischen Krankheiten erschwert oder sogar unmöglich macht. Die Angstreaktion wird schon durch banal/unbedrohlich wirkende Situationen ausgelöst und verursacht schwere und in kurzen Abständen hintereinander auftretende Panikattacken. Auslöser sind interne (zB eine erlebte Übelkeit) sowie externe (unterschiedliche medizinische Untersuchungen/Medikamente oder Erkrankungen im Umfeld, sowie ein erlebt erhöhtes Risiko einer Ansteckung mit Erkrankungen die Übelkeit/Erbrechen auslösen können) sein. Hiermit ergibt sich ein erstes Bild darüber, wie die Emetophobie breite Auswirkungen nach sich zieht und unter anderem Behandlungen und Diagnostik erschwert. Des Weiteren wurde nicht angeführt das ich unter einer Endometriose leide, welche nicht nur direkt, sondern auch indirekt zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagsbewältigung führt. Auf Grund dieser Erkrankung, nehme ich ärztlich verordnet ein Gestagenpräparat, welches die Endometriose in ihrem Wachstum einschränkt. Dadurch leide an einer nahezu dauerhaften Blutung durch rezidivierende Eierstockzysten, welche durch das Medikament verursacht sind. Durch die Blutungen leide ich neben erheblichen Schmerzen auch immer wieder unter Eisenmangelanämien die die Schwäche, Kreislaufproblemen und starke Erschöpfungszustände zusätzlich verschärft. Diese Zysten befanden sich bereits bei einer Dimension (ca 12 cm Durchmesser), welche einen operativen Eingriff zur Entfernung erfordert hätte. Dies war allerdings aufgrund der Coronapandemie nicht möglich. Um auch hier die Auswirkung der Emetophobie zu verdeutlichen, gilt es zu erwähnen, das fraglich ist, ob ich diese Operation in einem Panikzustand nicht trotz medizinischer Notwendigkeit ohnehin abgelehnt hätte, da Narkosemittel Übelkeit und Erbrechen hervorrufen können. Allein die Möglichkeit eines auftretenden Erbrechens versetzt mich in eine auf Panik basierende Handlungsunfähigkeit. Als nächsten Punkt möchte ich anführen das ich einen Befund einer neurologischen Ambulanz beigelegt habe, wo der v.A Migräne geäußert wurde. Im Zuge der ambulanten Untersuchung wurde ein MRT mit Kontrastmittel verordnet, um differentialdiagnostisch auszuschließen das es etwas Schlimmeres als Migräne ist. Auch hier kommt es durch die Emetophobie bzw Panikstörung zum selben Problem wie oben geschildert, da Kontrastmittel (genauso wie Medikamente zur Therapie der Schmerzen, welche mir verordnet wurden) in seltenen Fällen Übelkeit und Erbrechen verursachen können, was in Kombination mit anderen Ängsten (Klaustrophobie) ebenfalls eine weiterführende Diagnostik und Behandlung verhindert. In der Anamnese wurden Kopfschmerzen angeführt, welche durch Medikamente und Schlaf behandelbar sind. Dies ist nicht der Fall. Keines der ausprobierten Schmerzmittel (NSAR, Paracetamol, Novalgin) bewirkt eine spürbare Besserung der Schmerzen. Daraus ergibt sich (dank Emetophobie die zu dem Zeitpunkt als ich Zugang zu Triptanen hatte zu präsent war) als einzige Behandlungsmöglichkeit ein Abwarten und Abschirmen von jeglichen Reizen aufgrund von Geräusch- und Lichtempfindlichkeit, Brechreiz sowie starkem Schwindel und einer verstärkten Schmerzintensität bei jeder Bewegung, der ein sicheres Teilnehmen am Straßenverkehr ohnehin ausschließt, bis die Attacke von selbst vorbei ist. Schlaf hilft auch nicht gegen die Schmerzen, allerdings geht es mir so schlecht, dass die einzig mögliche "Aktivität" während einer Attacke Liegen ist, da selbst eine Drehung des Kopfes oder der Griff zu einem Glas Wasser die Symptome in ein noch höheres Niveau treibt und falls Schlaf möglich ist, vergeht zumindest die Zeit bis zum Ende einer Attacke schneller. Ich habe zwar momentan nur ungefähr 7 akute Schmerztage pro Monat, allerdings liegt die tatsächliche Beeinträchtigung durch Vorboten und nachfolgenden Auflösungs /Erholungsphasen, die mit einer starken Erschöpfung, Muskelschwäche, Schwindel und Unkonzentriertheit einhergehen bei mindestens der doppelten Zeitspanne. In Kombination mit den Schmerzen, die von meinen gynäkologischen Problemen resultieren, kann man sagen das ich eigentlich jeden einzelnen Tag irgendeine Form von Schmerz empfinde, was wahnsinnig auf die Psyche schlägt, die ohnehin schon genug mit anderen Themen kämpft. Neben den chronischen Schmerzen leide ich episodisch auch an Durchfällen, wiederkehrender Magenschleimhautentzündungen, die wiederum zu Kehlkopfentzündungen führen, womit eine regelmäßige und nährstoffdeckende Nahrungsaufnahme phasenweise nicht gegeben ist, wodurch es immer wieder zu Nährstoffmangelerscheinungen kommt. In einem Arbeitsszenario (Arbeitsversuch April 2022) ergaben sich folgende Probleme:• Das erste Problem ergibt sich schon in der Anreise. Aufgrund meiner Panikstörung bin ich mehrmals die Woche in einem Zustand, in dem es mir nicht möglich ist, Verkehrsmittel jeglicher Art zu benutzen. In meiner HTL Zeit, bin ich in solchen Situationen mehrere Kilometer zu Fuß gegangen, um trotzdem am Unterricht teilnehmen zu können. Aufgrund der starken körperlichen Erschöpfung, die ich in Folge der Dauerbelastungen ausgesetzt war und bin, ist mir dies nicht mehr möglich, ohne danach Stunden bis Tage oder sogar Wochen mehr oder weniger ans Bett gebunden zu sein, ganz abgesehen davon das Durchfall kein guter Wanderbegleiter ist. • Häufige Situationen in denen ich trotz Medikation und Therapie den Arbeitsplatz aufgrund von Panikattacken verlassen musste • Schwierigkeiten mich neben Unterleibschmerzen (Endometriose/Zysten), Durchfällen, Migräne und psychischen Symptomatiken auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Dadurch erfolgen massive Scham- und Minderwertigkeitsgefühle bis hin zu Selbstmordgedanken • Aufgrund meiner unsichtbaren Behinderungen massive Schwierigkeiten einem Dienstgeber die Dringlichkeit bestimmter Notwendigkeiten zu vermitteln o Bsp: ich habe meinen Dienstgeber schon im Bewerbungsgespräch darüber informiert, dass es mir nicht möglich ist, außerhalb der Hauptarbeitsstätte zu arbeiten, bis ich einen Führerschein habe. Jedoch gelangt man hier in Erklärungsnot, da ich keine offiziellen Bescheinigungen über das Ausmaß meiner Behinderung und deren Auswirkungen habe. Somit kann ich nur auf entgegenkommende Arbeitgeber hoffen, allerdings ist es menschenunwürdig aufgrund seiner vorhandenen Behinderungen immer den Job zu verlieren und aufgrund erhöhter Krankenstände als arbeitsunwillig oder Last für den Betrieb abgestempelt zu werden, obwohl man körperlich und mental eigentlich jeden Tag über seine Grenzen geht und seine Gesundheit riskiert. o Es wäre mir vermutlich bis zu einem gewissen Grad möglich in verringertem Ausmaß zu arbeiten, wenn ich einen arbeitsrechtlichen Schutz hätte, der es mir ermöglicht nicht gegen sondern mit meiner Krankheit zu arbeiten. Beispiele wären hier die Möglichkeit eines Rückzugsortes, flexible Arbeitszeiten, gesonderte Homeofficeregelungen etc. Allerdings ist kein Arbeitsgeber willig ohne Nachweis solche Extrameilen zu gehen. Diese Probleme führen letztendlich immer schnell zum Verlust des Arbeitsplatzes, was in einer Existenzbedrohung mündet und somit eine Besserung des psychischen und physischen Zustandes unmöglich macht. Darum bitte ich um eine Neuevaluierung des Grades der Behinderung in Hinblick auf die tatsächlichen Einschränkungen. Mein Alltag ist auf allen Ebenen stark eingeschränkt durch meine Krankheiten, es ist mir nur selten möglich am sozialen Geschehen teilzunehmen, da ich jegliche Restenergie in lebenserhaltende Maßnahmen stecke. Die einzigen sozialen Kontakte, die ich halten kann, sind die zu meiner Schwester und einem nahestehenden Freund. Dafür bin ich sehr dankbar, denn dies ist nur möglich, da die beiden ein vollständiges Bild meiner Erkrankung haben und somit ihre Kraft aufwenden um sich gelegentlich um mich zu kümmern und mir zu helfen, wie beispielsweise dabei dieses Schreiben aufzusetzen. In Anbetracht meiner Situation, die mit starken Einbußen im sozialen Leben, am Arbeitsmarkt und der Alltagsgestaltung einhergeht, sowie der schwer zu therapierenden Symptomatik finde ich einen Grad der Behinderung von mindestens 60-70 angemessen. …"

11. Im Anhang waren - neben teils bereits vorhandenen Unterlagen (siehe oben Pkt. 3.) - der Beschwerde beigelegt:- Bericht des xxx Krankenanstaltenverbundes v. 22.9.2015 über den stationären Aufenthalt der Bf v. 14.9. - 23.9.2015 an der UniKlinik f. Psychiatrie, Diagnose: depressive Störung, Phobien, Zwangshandlungen (seit 2012, akut seit 03/2015);- ambulanter Kontrollbefund X-Spital, Psychiatr. Abt., v. 11.2.2019, Diagnose: generalisierte Angststörung, Medikation Atarax 25 mg bei Bedarf;- Bestätigung der Psychotherapeutin MagAA v. 10.9.2019 über bestehende Panikattacken;- Bestätigung der Psychotherapeutin MagAA v. 23.3.2020 über das Vorliegen von komplexen Traumafolgestörungen (Angst- und Panikattacken);- Bericht der Psychosomatikambulanz, KH-YY, v. 27.5.2020: Lt. Anamnese starke Migräne, Angststörung, posttraumatische Belastungsstörung, V.a. Endometriose; stationäre Aufnahme empfohlen;- Untersuchungsbericht Allergiezentrum v. 21.9.2020 betr. Allergietestung wg. chronischer Urtikaria seit ca. 1,5 Jahren;- Honorarnoten der DrF, FÄ f. Gynäkologie, v. 11.7. und 13.7.2023, Diagnose: endometriose Anämie;- Befund DrG, FA f. HNO, v. 31.7.2023, Diagnose: Rhonchopathie ? V.a. fam. zentrales OSAS ? chronische Laryngitis.

Ergänzend nachgereicht wurde die Psychotherapeutische Stellungnahme der MagAA v. 17.8.2023, woraus ua. hervorgeht:Die Bf befinde sich seit März 2019 bei ihr in Psychotherapie. Sie leide infolge von Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend an einer komplexen Traumafolgestörung, ua. mit Angstattacken, depressiven und psychosomatischen Beschwerden, sozialem Rückzug. Wegen Erschöpfungszuständen hätte die Therapiefrequenz - trotz unverminderter Motivation - verringert werden müssen und habe nicht nachhaltig positiv wirken können; die psychiatrische Begleitung inkl. Medikation habe sich nicht bewährt. Aufgrund der zahlreichen Beeinträchtigungen sei es der Bf nicht möglich, entsprechend ihrer Fähigkeiten zu arbeiten.

12. Im November 2023 wurde ein weiteres Sachverständigengutachten beim SMS angefordert und am 30.6.2024 durch DrH, FA f. Neurologie und Psychiatrie, auszugsweise - nach zunächst zusammengefasster Darstellung beider Vorgutachten - wie folgt erstellt (mit Untersuchung):

"… Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Psychotherapeutische Stellungnahme MagAA, Psychotherapeutin, 17.8.2023Diagnose: F43.1, F41.1, F40.2 (Emetophobie), F40.1, F33 (reaktiv, teilweise suizidal), F45.1, Verdacht auf F60.0Seit März 2019 in Psychotherapie bei mir. Leidet an einer komplexen Traumafolgestörung, auf diesen Hintergrund haben sich eine generalisierte Angststörung, das Auftreten von Angstattacken in sozial beengend empfundenen Zusammenhängen, eine ausgeprägte Emetophobie, rezidivierende depressive Zustände sowie zahlreiche psychosomatische Beschwerden wie Übelkeit und Schmerzen entwickelt, die zu einem jahrelangen massiven sozialen Rückzug geführt haben ... besteht der Verdacht, dass sich eine ängstlich -vermeidende Persönlichkeitsstörung entwickelt hat. Die medizinischen Untersuchungen wären ungemein wichtig, da meine Patientin nach kleinsten Anstrengungen an totaler Erschöpfung leidet ... und eine gründlich umfassende Abklärung der körperlichen Symptome und zahlreicher auch medikamentöser Unverträglichkeiten unbedingt angezeigt ist. durch die Pandemie haben sich die körperlichen und seelischen Symptome verschlimmert. Zuerst konnten die Therapiesitzungen aus psychohygienischen Gründen, später aufgrund der Angst- und Erschöpfungssymptomatik nur mehr online stattfinden, was auf Dauer auch wieder sehr anstrengend ist und dazu geführt hat, dass wir die Frequenz trotz unverminderter Therapiemotivation und Compliance verringern mussten. Wir arbeiten an einer Wiederaufnahme der regelmäßigen Therapietermine vor Ort, allerdings ist eine wichtige Anmerkung, dass auch in der Zeit, in der die Therapie regelmäßig wöchentlich stattgefunden hat, der damalige Schulbesuch und die Alltagsbewältigung schwer beeinträchtigt waren und der Schulabschluss nur dank dem Entgegenkommen verständnisvoller Personen möglich war. Frühere Psychotherapien haben ebenfalls nicht nachhaltig positiv wirken können und eine psychiatrische Begleitung inklusive Medikation während der bei mir laufenden Therapie hat sich leider nicht bewährt.

Krankenhaus YY, Innere Medizin und Psychosomatik, 22.6.2020 (bei Vorgutachten bereits vorliegend) …..

Mitgebrachter BefundPensionsversicherungsanstalt Ärztliches Gutachten, DrJ, Allgemeinmedizin, 25.5.2021Hauptdiagnose: Angst und depressive Störung gemischt, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Zwangshandlungen, Panikstörung, Reizdarmsyndrom, chronische Pankreasinsuffizienz, Endometriose, Kopfschmerz, Z.n. 2x Suizidversuch 2011 und 2012

Bescheid, 17.4.2024, MA 40: Mindestsicherungszuerkennung

Arztbrief DrK, FA Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, 29.4.202428-jährige Patientin bringt zahlreiche Vorbefunde (KJP beginnend mit 15 Jahren mit Automutilationen, Zwangsgedanken, rezidivierend depressiv, polytope Ängste, Somatisierung)Anamnese: Vater Alkohol und Depression, 1xiger SMV vor etwa 10 Jahren, Mutter latent depressiv, Schwester Essstörung, Bruder Narkolepsie, auch in der Generation davor viel Gewalt und psychiatrische Probleme. Insgesamt belastete Kindheit und Jugend mit Übergriffen, 2 Geschwister. Ab der Pubertät zunehmend psychische Probleme mit Automutilationen, Depressionen, Angstzuständen, Zwängen, rezidivierend SMV, Schulabbruch, langjährige psychotherapeutische Betreuung, seit ca. 7 Jahren bei MagAA. Zahlreiche stationäre Aufenthalte KJP AKH, KH XX, XXX Ost Regionalpsychiatrie.HTL abgeschlossen, Elektronik und technische Informatik, Berufstätigkeit durch psychische und somatische Beschwerden erheblich erschwert, aktuell ohne Beschäftigung. Psych-Status Auszug: Stimmung indifferent, Antrieb deutlich gemindert, morgendliches Pessimum, Anhedonie und Losigkeitssyndrom, Patient führt ein deutlich reduziertes Leben mit mehrheitlich sozialem Rückzug in die Wohnung, Alltagsvollzug gelingt, Selbstversorgung, ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, Denken kreist im wesentlichen um die somatischen und psychischen Beschwerden, .... Angst sich zu Erbrechen, Gl Schmerzen, massive Muskelanspannung ... gesteigerte Introspektion, Grübeln und sympathicotone Überlagerung mit Palpitationen, Muskelhartspann, Schwankschwindel, Bolusgefühl, Gefühl von Atemnot, chronische Schmerzen, insgesamt undulierendes Zustandsbild, polytope Ängste, Zwangsgedanken, keine wesentlichen Biorhythmusstörungen, Alpträume, wiederkehrende Zustände von Derealisation und Depersonalisation, Selbstverletzungen haben sistiert unter Therapie, keine Abundantien bis auf Nikotin, Impulskontrolle aktuell erhalten, kein akuter GefährdungsaspektF43.1, F41.1, F40.1, F33.1, F45.1, F61 (ängstlich)Therapie: Lasea 1-0-0 für 3 Monate, Pregabalin Kps. bis zu 4x 25 mg, Atarax bei Bedarf, gastroenterologische Abklärung, Erhöhung der Familienbeihilfe aufgrund des frühen Erkrankungsbeginnes, der Dauer und Intensität der Beschwerden und der Komplexität der Symptome dringlich indiziert, Psychotherapie weiter, Vagus-Stimulation, Kontrolle bei Bedarf

Nachgereichte Befunde:Arztbrief DrD, FA Neurologie, 3.8.2022 … (Anm.: bereits im Vorgutachten)

Ärztliches Gutachten Pensionsversicherungsanstalt, DrJ, Allgemeinmedizin, 25.5.2021Diagnose: Angst und depressive Störung gemischt, emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Zwangshandlungen, Panikstörung

Bestätigung MagAA, Psychotherapeutin 24.5.2021 … (Anm.: bereits im Vorgutachten)

Krankenhaus XY, Neurologie Ambulanz, 23.7.2018 … (Anm.: bereits im Vorgutachten)

Kurzbrief AKH, Psychiatrie, 24.9.2015mittelgradig depressive Episode, Angststörung F41

Entlassungsbericht Klinik XX, 15.1.2015Diagnose: generalisierte Angststörung, rezidivierend depressive Störung - gegenwärtig remittiert, Akzentuierung von selbstunsicheren, depressiven und emotional-instabilen Persönlichkeitszügen, Spannungskopfschmerzen, V.a, Cluster-Kopfschmerz

KJP AKH, 12.9.2012Diagnose: mittelgradige depressive Episode, Alkohol - schädlicher Gebrauch, selbstverletzendes Verhalten, Vd. a. Migräne ohne AuraKriseninterventionelle Aufnahme zur Entlastung ... kann sich am folgenden Tag von Suizidideen distanzieren.Ein rezenter Entlassungsbefund der Klinik XX wurde nicht nachgereicht…..Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

1 Posttraumatische Belastungsstörung mit generalisierter Angst mit p.m. Sozialphobie vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ängstlich), eine Somatisierungsstörung sowie Depression - derzeit mittelgradig - wird hier mitbeurteilt. eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, bei laufender Psychotherapie und rezent wieder aufgenommener fachärztlicher Betreuung (1 Termin 29.4.2024) mit Beginn einer medikamentösen Behandlung, eine Emetophobie wird hier mitbeurteiltPos.Nr.03.05.01GdB %30
2 Kopfschmerzen unterer Rahmensatz, da ohne Dauertherapie.04.11.0110
3 chronische Pankreasinsuffizienz unterer Rahmensatz bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand07.07.0110

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 im GdB nicht angehoben, da kein maßgeblich ungünstiges Zusammenwirken besteht

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:Endometriose - da als Verdachtsdiagnose geführt, diesbezüglich keine dokumentierte Abklärung

Stellungnahme zu Vorgutachten:Im Vergleich zum Vorgutachten wird Leiden 1 um 1 Stufe höher eingeschätzt Anhebung des Gesamt GdB um 1 Stufe auf 30%

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern: jaGdB liegt vor seit: 04/2024 GdB 20 liegt vor seit: 12/2022

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:GdB von 30 % vorliegend seit 04/2024 - Befund der Fachärztin DrK GdB von 20 % vorliegend seit 12/2022 - Vorgutachten

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:eine dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht ausreichend begründbar, da Therapieoptionen offen- Dauerzustand …"

13. Die abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 23.7.2024 wurde vom Finanzamt nach Darstellung bezughabender gesetzlicher Bestimmungen (§§ 6 Abs. 2, 8 Abs. 5 FLAG) und unter Verweis auf das Ergebnis der SMS-Bescheinigung v. 30.6.2024 dahin begründet, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht begründbar bzw. nicht bestätigt worden sei, weshalb kein weiterer FB-Anspruch bestehe.

14. Im dagegen erhobenen Vorlageantrag verweist die Bf auf das bisherige Beschwerdebe-gehren und bringt ergänzend vor, lt. ärztlichen Befunden sei dokumentiert, dass zahlreiche medikamentöse Therapien nicht ausreichend wirksam gewesen seien; die notwendige Verringerung der Therapiefrequenz sei nicht durch mangelnde Motivation der Bf verursacht worden. Dazu wurden nochmals die Psychotherapeutische Stellungnahme der MagAA v. 17.8.2023 sowie der Arztbrief der OÄ DrK, FÄin f. Psychiatrie, v. 29.4.2024 vorgelegt. Die Begründung zur Herabsetzung des GdB (unausgeschöpfte Therapien, mangelnde Dauermedi-kation) sei damit gegenstandslos. Der Zustand der Bf habe sich trotz verschiedenster Therapien und Medikationen über ein Jahrzehnt insgesamt verschlechtert. Zudem bestehe sehr wohl eine negative Wechselwirkung zwischen den Leiden, da die chronischen Schmerzen (Migräne, Endometriose) und die Reizdarmsymptomatik psychisch eine massive Zusatzbelastung darstellten. Abschließend wurde die Entscheidung durch den Senat des Bundesfinanzgerichts (BFG) beantragt.

15. Das Finanzamt hat daraufhin, unter Übermittlung von Vorlageantrag und Arztbrief v. 29.4.2024, im November 2024 wiederum ein ergänzendes Sachverständigengutachten beim SMS angefordert. Die diesbezügliche Bescheinigung v. 9.12.2024 lautet:

"… Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):- Vorgutachten 8.5.2024posttraumatische Belastungsstörung mit generalisierter Angst mit p.m. Sozialphobie vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, eine Somatisierungsstörung sowie Depression - derzeit mittelgradig - wird hier mitbeurteilt, 30%Kopfschmerzen, 10%chronische Pankreasinsuffizienz, 10%

Beschwerdevorentscheidung: (Anm.: richtig wäre: "Vorlageantrag").... sowohl Therapeutin/Psychologin als auch Psychiaterin haben in ihren Stellungnahmen und Befundungen dokumentiert das zahlreiche medikamentöse Therapien nicht ausreichend wirksam waren und auch die Verringerung der Therapiefrequenz, welche notwendig war, nicht von mangelnder Compliance oder mangelnder Therapie-Motivation verursacht wurde.Weiters wird der Satz aus dem Arztbrief DrK, 29.4.2024 aus dem Sachverständigengutachten gestrichen: Vorerfahrung mit Mutan, Sertralin, Venlafaxin, Quetiapin, Truxal - ohne wesentliche Besserung.....MagAA: "dass wir die Frequenz trotz unverminderter Therapiemotivation und Compliance verringern mussten ... allerdings ist eine wichtige Anmerkung, dass auch in der Zeit, in der die Therapie regelmäßig wöchentlich stattgefunden hat, der damalige Schulbesuch und die Alltagsbewältigung schwer beeinträchtigt waren "....Somit ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung aufgrund unausgeschöpftem Therapieregime und mangelnder Dauermedikation gegenstandslos. Ich habe mittlerweile in über 1 Jahrzehnt unterschiedlichste Medikamente und Therapien, Bedarfs- und Dauermedikation ausprobiert, während sich meine psychische und körperliche Verfassung insgesamt verschlechtert hat. Abgesehen davon besteht sehr wohl eine negative Wechselwirkung zwischen Leiden 1 und den untergeordneten Leiden. Die chronische (Kopf, Endometriose) Schmerzen sowie Reizdarmsymptomatik basieren auf einer Pankreasinsuffizienz stellen psychisch eine massive Zusatzbelastung dar.

Neu beigebrachte BefundeArztbrief DrK, 29.4.2024 (beim beeinspruchten Gutachten bereits vorliegend)

Psychotherapeutische Stellungnahme MagAA, 17.8.2023 (beim beeinspruchten Gutachten bereits vorliegend)

Befund DrF, FA Gynäkologie, handschriftlich, 11.7.2023 - schwer leserlich Ovarialzysten, bilateral rechts 3x3,5, links - nicht leserlich, Endometriose, nicht leserlich, seit Jahren, Meteorismus? schwer leserlich, Müdigkeit .... Anämieverdacht, Erschöpfung

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: keine Änderung dokumentiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

1 posttraumatische Belastungsstörung mit generalisierter Angst mit p.m. Sozialphobie vor dem Hintergrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ängstlich), eine Somatisierungsstörung sowie Depression - derzeit mittelgradig - wird hier mitbeurteilt. eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, bei laufender Psychotherapie und rezent wieder aufgenommener fachärztlicher Betreuung (1 Termin 29.4.2024) mit Beginn einer medikamentösen Behandlung, eine Emetophobie wird hier mitbeurteiltPos.Nr.03.05.01GdB %30
2 Kopfschmerzen unterer Rahmensatz, da ohne Dauertherapie.04.11.0110
3 chronische Pankreasinsuffizienz unterer Rahmensatz bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand07.07.0110
4 Endometriose unterer Rahmensatz, da 7/2023 diagnostiziert, keine Brückenbefunde, keine diesbezüglichen Beschwerden ärztlicherseits bestätigt07.07.0110

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:Leiden 1 wird durch Leiden 2, 3 und 4 im GdB nicht angehoben, da kein maßgeblich ungünstiges Zusammenwirken besteht bzw. wegen Geringfügigkeit

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine

Stellungnahme zu Vorgutachten:Leiden 4 wird aufgrund Befundbericht von 7/2023 neu aufgenommenLeiden 1, 2 und 3 werden gleich eingeschätzt, insbesondere Leiden 1, da nach wie vor keine durchgehende fachärztliche Betreuung dokumentiert ist (lediglich Befundbericht vom 29.4.2024)

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern: ja

GdB liegt vor seit: 04/2024Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:GdB von 30 % vorliegend seit 04/2024 - Vorgutachten GdB von 20 % vorliegend seit 12/2022 - Vorgutachten

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:eine Erwerbsunfähigkeit kann trotz nochmaliger Leidensschilderung bzw. Befundvorlage Gynäkologie nach wie vor nicht ausreichend begründet werden.- DauerzustandGutachten erstellt am 09.12.2024 von DrHGutachten vidiert am 10.12.2024 von DrL …"

16. Daneben wurden vom Finanzamt noch Ermittlungen zur Mietwohnung der Bf getätigt und wurde im Ergebnis abgeklärt, dass die Mietzahlungen von der Bf selbst (nicht von deren Vater) geleistet wurden.

II. Sachverhalt:

Die Bf, geb. 10/1995, hat im Oktober 2016 das 21. Lebensjahr bzw. im Oktober 2020 das 25. Lebensjahr vollendet.

Im ersten vom Sozialministeriumservice/SMS erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 28.8.2015 wurde ua. aufgrund "Generalisierter Angststörung" ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 % ab 09/2012 sowie eine voraussichtlich dauerhafte Erwerbsunfähigkeit der Bf bescheinigt. Zugleich wurde kein "Dauerzustand" festgestellt, sondern wegen möglicher Stabilisierung eine Nachuntersuchung in 3 Jahren empfohlen. Zufolge dieser Bescheinigung war der Bf die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag zuerkannt worden.

Im September 2022 hat die Bf im Alter von 26 Jahren die Eigenanträge auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des FB-Erhöhungsbetrages wg. erheblicher Behinderung ab 09/2018 gestellt.Im daraufhin angeforderten SMS-Zweitgutachten vom 15./19.12.2022 wurde unter Berücksichtigung des Vorgutachtens sowie einer Vielzahl weiterer vorgelegter Befunde ab 2018 (siehe dortige ausführliche Darstellung der "relevanten Befunde", ua. die Bestätigung der Psychotherapeutin MagAA v. 24.5.2021) erstmals aufgrund der - verspäteten - Nachuntersuchung hinsichtlich dreier Leiden (Angststörung, Kopfschmerzen, chronische Pankreasinsuffizienz) der GdB mit gesamt 20 % ab 12/2022 sowie festgestellt, dass KEINE voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt; dies wegen fehlender umfassender fachärztlich-psychiatrischer Betreuung und Dauermedikation.

Im Drittgutachten des SMS v. 30.6./4.7.2024 wurde mit nochmaliger Untersuchung, wiederum unter Bedachtnahme auf das Vorgutachten sowie auf eine Vielzahl von "relevanten Befunden" (siehe dortige ausführliche Darstellung), darunter die Bestätigung der MagAA v. 17.8.2023 und der Arztbrief der Psychiaterin DrK v. 29.4.2024, der Gesamtgrad der Behinderung (unter Mitberücksichtigung der Emetophobie) nunmehr gestützt auf den Befund DrK mit 30 % ab 04/2024 festgestellt. Das Nichtvorliegen der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit der Bf wurde wegen offener Therapieoptionen als nicht ausreichend begründbar bestätigt.

Im Letztgutachten des SMS v. 9./10.12.2024 wurde unter Berücksichtigung der beigebrachten Befunde (Bestätigung MagAA 17.8.2023; Arztbrief DrK 29.4.2024), des Vorbringens der Bf im Vorlageantrag sowie eines weiteren Leidens (Leiden 4 Endometriose) der GdB wie bisher - 50 % ab 09/2012, 20 % ab 12/2022, 30 % ab 04/2024 - bestätigt. Ebenso wurde nochmals bestätigt, dass das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht ausreichend begründet ist.

Die Bf hat ab dem Schuljahr 2018/19 (ab dem Alter von 23 Jahren) die HTL für Elektronik und technische Informatik (Abendschule) besucht und diese Ausbildung im Juli 2021 positiv abgeschlossen (siehe Bestätigung der Abendschule; Reife- und Diplomprüfungszeugnis v. 1.7.2021). Sie hat im Zeitraum 2018 bis 2024 Mindestsicherung bezogen und war für einen Monat, im April 2022, als Angestellte berufstätig (siehe ua. Bescheide des Stadtmagistrats Ort1; FA-Auskunftsverfahren).

III. Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere anhand der beigebrachten, oben näher genannten Unterlagen und aus den eingangs ausführlich dargestellten SMS-Sachverständigengutachten.

IV. Rechtslage:

A) FB-Eigenanspruch:

Betreffend den "Eigenanspruch auf Familienbeihilfe" wird in § 6 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., bestimmt: (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist. (2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraus-setzungen des Abs. 1 lit a bis c zutreffen und wenn sie ... d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder - und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt .... (5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder - und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

Nach § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsaus-bildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

B) Erhebliche Behinderung, Erhöhungsbetrag:

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren (FLAG 1967 idF BGBl I 2022/226, in Geltung ab 1.3.2023: "mehr als sechs Monaten"). Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren (ab 1.3.2023: "alle fünf Jahre") neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (ab 1.3.2023: "wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist").

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 idgF ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Gemäß § 8 Abs. 7 FLAG gelten die Abs. 4 bis 6 sinngemäß für Ansprüche nach § 6 FLAG.

Festzuhalten gilt, dass nach Obigem ein "Eigenanspruch" der Bf dann in Betracht käme, wenn nach § 6 Abs. 2 lit d und Abs. 5 iVm § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 bei ihr vor Vollendung des 21. Lebensjahres bzw. spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres aufgrund einer Behinderung eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten wäre. Dem Ausmaß des GdB kommt in diesem Zusammenhalt dagegen keine Relevanz zu.Besteht keine vor dem 21. bzw. spätestens dem 25. Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

C) Judikatur:

Zum Nachweis der Voraussetzung der dauernden Erwerbsunfähigkeit (sowie auch des Grades der Behinderung) ist eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice iSd § 8 Abs. 6 FLAG zwingend erforderlich.

Die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde sind ua. bei Sachverhalten, die teils länger zurückliegen, stark eingeschränkt. Auch der Sachverständige beim SMS kann nur den aktuellen Gesundheitszustand beurteilen. Hinsichtlich der Feststellung, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, kann er daher nur aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden oä., Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt eine erhebliche Behinderung eingetreten ist. Aus diesen Gründen liegt es deshalb vorrangig am jeweiligen Antragsteller bzw. Beschwerdeführer, den behaupteten Sachverhalt zweifelsfrei nachzuweisen (siehe zB UFS 15.6.2005, RV/0687-W/05).

Die Abgabenbehörden sowie der UFS, nunmehr das Bundesfinanzgericht/BFG, sind an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes (nun Sozialministeriumservice/SMS) erstellten Gutachten gebunden (vgl. VwGH 18.11.2008, 2007/15/0019 ua.). Gleichzeitig hat das BFG die Beweiskraft - insbesondere Nachvollziehbarkeit bzw. Schlüssigkeit - der Gutachten zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. VwGH 13.12.2012, 2009/16/0325).(vgl. zu vor auch: Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., Rz. 29 f. zu § 8 FLAG).

Beispielsweise im BFG-Erkenntnis vom 5.5.2020, RV/7100591/2020, wird in diesem Zusammenhalt begründend ua. ausgeführt:

"Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen SachverständigengutachtensNach § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. VwGH 20.09.1995, 95/13/0134, VwGH 27.04.2005, 2003/14/0105, VwGH 20.12.2006, 2003/13/0123, VwGH 30.05.2017, Ro 2017/16/0009).Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer begründeter Weise zu enthalten und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen und das/die Gutachten nicht unschlüssig sind (vgl. VwGH 31.05.1994, 94/14/0013, VwGH 30.06.1994, 92/15/0215, VwGH 21.02.2001, 96/14/0139, VwGH 03.11.2005, 2002/15/0168).Wird für eine volljährige Person die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag beantragt bzw. stellt eine volljährige Person einen Eigenantrag auf die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag, so hat sich das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren darauf zu erstrecken, ob diese Person wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder - für den Beschwerdefall nicht relevant - während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl etwa VwGH 18.11.2008, 2007/15/0019, vgl. auch VfGH 10.12.2007, B 700/07).

Bindung an die Gutachten des Sozialministeriumservice - keine andere Form der BeweisführungNach § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. VwGH 18.11.2008, 2007/15/0019). Gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10.12.2007, B 700/07, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen (vgl. VwGH 22.12.2011, 2009/16/0307).Die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht dürfen die Gutachten nur insoweit prüfen, ob diese schlüssig und vollständig sind und im Fall mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. VwGH 29.09.2011, 2011/16/0063, VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068, Beschluss VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0053, Erkenntnisse VwGH jeweils vom 22.12.2011, 2009/16/0307 und 2009/16/0310, vgl. auch die von Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 zitierte Rechtsprechung).…..

Beibringung eigener BeweismittelDer Antragsteller hat die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. VwGH 04.07.2016, Ra 2016/04/0057). …..

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bei volljährigen "Kindern"Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, Rz 5 zu § 8). Dies bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (vgl VwGH 30.05.2017, Ro 2017/16/0009, vgl. weiters Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 Rz 5 und 19 ff). ….§ 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 regelt weiters, unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen der Grundbetrag an FB gewährt werden kann: Dieser steht für volljährige Kinder zu, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Hierbei ist auch eine Behinderung im psychischen Bereich als geistige Behinderung iSd obigen Bestimmungen anzusehen (VwGH 30.5.2017, Ro 2017/16/0009). …"

V. Erwägungen:

Als maßgebend ist im Gegenstandsfall - nach oben dargelegten gesetzlichen Bestimmungen samt bezughabender Rechtsprechung - zu erachten, ob unabhängig vom GdB selbst dann, wenn dieser 100 % betragen sollte, bei der Bf vor vollendetem 21. Lebensjahr (10/2016) bzw. wie hier während der nachfolgenden Berufsausbildung an der HTL-Abendschule spätestens vor vollendetem 25. Lebensjahr (10/2020) eine dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten war.Aus diesem Grund kann auch dem nach eingehender Leidensschilderung vorgebrachten Beschwerdebegehren, es sei eine "Neuevaluierung des GdB im Hinblick auf die tatsächlichen Einschränkungen" dahin vorzunehmen, dass der GdB mit zumindest 60 % bis 70 % als angemessen anzusetzen sei, verfehlt bzw. muss ins Leere gehen, da dem Ausmaß des GdB im Gegenstandsfall keine rechtliche Bedeutung beizumessen ist.

Wie oben dargelegt, sind die Abgabenbehörden wie auch das Bundesfinanzgericht an die Feststellungen der vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden (vgl. VwGH 18.11.2008, 2007/15/0019 u.a.). Es obliegt dem BFG lediglich, die Vollständigkeit sowie die Nachvollziehbarkeit bzw. Schlüssigkeit der Gutachten zu überprüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. VwGH 13.12.2012, 2009/16/0325).

Eine Unvollständigkeit ist für das Bundesfinanzgericht insofern in keiner Weise erkennbar, da - nach näherer Überprüfung durch das BFG - sämtliche vorliegenden, von der Bf beigebrachten und auch im Zuge des Beschwerdeverfahrens nachgereichten Befunde, Arztbriefe, psychiatrischen Bestätigungen etc., also sämtliche vorhandenen ärztlichen und sonstigen Unterlagen von den Gutachtern als "relevante Befunde" vollständig berücksichtigt, teils auch ausführlich zitiert wurden. Insbesondere wurden auch die psychotherapeutische Stellungnahme der MagAA vom 17.8.2023 und der Arztbrief der OÄin DrK vom 29.4.2024, worauf die Bf ausdrücklich verweist, wie auch nochmals eine ausführliche Leidensschilderung (siehe im Viertgutachten) und das Vorbringen im Vorlageantrag in die Begutachtung miteinbezogen. Zudem wurden - wie von der Bf moniert - die Beeinträchtigung durch Emetophobie (Phobie vor Erbrechen) im Dritt- und Viertgutachten sowie auch das gynäkologische Leiden Endometriose im Viertgutachten, sohin letztlich insgesamt vier Leiden festgestellt. Dennoch sind die ärztlichen Sachverständigen, jeweils Fachärzte für Neurologie bzw. für Neurologie und Psychiatrie, in den Gutachten v. 15.12.2022, 30.6.2024 und 9.12.2024 übereinstimmend zum Ergebnis gelangt, dass a) der Gesamtgrad der Behinderung ab 12/2022 20 % und ab 04/2024, dies unter Bedachtnahme auf den Arztbrief DrK, 30 % beträgt undb) voraussichtlich KEINE DAUERNDE Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Die diesbezüglich übereinstimmenden und damit nicht widersprüchlichen Begründungen, eine Erwerbsunfähigkeit sei aufgrund noch offener Therapieoptionen bzw. mangels Dauermedikation und laufender fachärztlich-psychiatrischer Betreuung nicht ausreichend begründbar, wird vom BFG nicht als unschlüssig erachtet. Für das BFG erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass erst dann, wenn eine umfassende Behandlung mit möglichen anderweitigen Medikamenten/Psychopharmaka, die seitens der Bf verträglich sind, sowie unter ständiger fachärztlicher und therapeutischer Begleitung erfolgt, überhaupt beurteilt und festgestellt werden könnte, ob sich der Gesundheitszustand der Bf aufgrunddessen allenfalls verbessert oder ob die Bf dennoch und damit auf Dauer arbeitsunfähig ist.

Der einzige Widerspruch ist für das BFG im Erstgutachten v. 28.8.2015 erkennbar:Hierin wird nämlich zum Einen eine vorliegende dauernde Erwerbsunfähigkeit zunächst bejaht, zugleich aber nicht von einem "Dauerzustand" (= nicht angekreuzt) ausgegangen, sondern ist vielmehr von einer Nachuntersuchung in 3 Jahren wegen "möglicher Stabilisierung" die Rede. Nach dem Dafürhalten des BFG stellt dies wohl einen Widerspruch in sich selbst dar. Da die damalige Sachverständige keinen Dauerzustand, sondern eine mögliche Besserung des Gesundheitszustandes angenommen hat, war die bescheinigte dauerhafte Erwerbsunfähigkeit der Bf offensichtlich verfehlt.

VI. Ergebnis:

Fest steht, dass laut mehrfachen SMS-Bescheinigungen die hier (allein) maßgebliche voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit der Bf übereinstimmend verneint wurde. Wie oben ausgeführt, ist das Bundesfinanzgericht an die Feststellungen der im Wege des Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden. Eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit der Gutachten ist für das BFG nicht erkennbar, insofern es auch keiner Ergänzung bedarf.

Besteht keine vor dem 21./spätestens 25. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Da aufgrund des widersprüchlichen Erstgutachtens aus 2015 nach Ansicht des BFG auch bereits in vorhergehenden Zeiträumen keine "dauernde" Erwerbsunfähigkeit vorgelegen war, war die Beschwerde - entgegen dem Antrag des Finanzamtes im Vorlagebericht - zur Gänze abzuweisen.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen der Grundbetrag an Familienbeihilfe bei Geltendmachung eines Eigenanspruches zusteht, ergibt sich bereits aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Hinsichtlich der Frage, ob noch vor dem 21./25. Lj. eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" eingetreten war, ist das BFG an die Bescheinigungen (gutachterlichen Feststellungen) des Sozialministeriumservice gebunden. Eine Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" liegt daher nicht vor, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am 24. Oktober 2025