IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerden vom 22. August 2013 und 19. März 2019 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe) vom 4. Juli 2013 und 12. März 2019 betreffend Kapitalertragsteuer 2012, 2013, 2014 und 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1*** (in der Folge Bf.), wurde im Jahr 1994 von Herrn KRPL. errichtet. Der Stifter verstarb am Datum.
Im Testament vom Datum2 setzte KR ***1*** die Bf. als Alleinerbin des gesamten Nachlassvermögens ein und verfügte, dass die im Zeitpunkt seines Ablebens vorhandenen Noterben auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränkt werden, auf welchen sie sich alle vom Erblasser lebzeitig erhaltenen Vorausempfänge anrechnen lassen müssten. Die Pflichtteilsberechtigten anerkannten diese letztwillige Verfügung materiell nicht und strengten daher bei österreichischen Zivilgerichten Verfahren an, um ua die Höhe der Pflichtteilsansprüche zu bekämpfen. Der Stiftungsvorstand schloss mit den Pflichtteilsberechtigten Pflichtteilsvergleiche (teils gerichtlich, teils außergerichtlich) ab. Aufgrund dieser Pflichtteilsvergleiche wurden an die Pflichtteilsberechtigten ab dem Jahr 2009 Zuwendungen getätigt.
Verfahrensgegenständlich sind die durch die Bf. in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2016 getätigten Zuwendungen, die insbesondere zwecks Abgeltung der Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Noterben geleistet wurden.
Die Abgabenbehörde kam in ihrer Beurteilung zum Schluss, dass die damals bekannten Beträge der Kapitalertragsteuer zu unterziehen seien. Es lägen Zuwendungen iSd § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 vor. Die Bf. hatte keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt. Aus den beigebrachten Unterlagen sei hervorgegangen, dass die Bf. sich verpflichtet hatte, jeweils eine etwaig anfallende Kapitalertragsteuer zu tragen, sodass darin ebenfalls eine Zuwendung zu sehen gewesen sei.
Die Kapitalertragsteuer sei der Bf. daher iHv 25% bzw. 27,5% (2016) von den jeweiligen Bruttozuwendungen im Haftungswege gem. § 95 Abs. 1 EStG 1988 vorzuschreiben gewesen.
Bescheide 2012, 2013, 2014 und 2016:
Haftungsbescheid für den Zeitraum 1-12/2012, vom 4.7.2013 Haftungsbescheid für den Zeitraum 1-12/2013, vom 12.3.2019 Haftungsbescheid für den Zeitraum 1-12/2014, vom 12.3.2019 Haftungsbescheid für den Zeitraum 1-12/2016, vom 12.3.2019
| Zuwendungen netto | 2012 | 2013 | 2014 | 2016 |
| Summe | 49.100.000,00 | 8.200.000,00 | 8.850.000,00 | 1.250.000,00 |
| Kapitalertragsteuer lt. Bescheid | 15.950.000,00 | 2.733.333,33 | 2.950.000,00 | 474.137,50 |
In der Begründung der Bescheide hielt die Abgabenbehörde u.a. fest, dass die an die Noterben geleisteten Zuwendungen als Zuwendungen iSd gesetzlichen Bestimmung zu beurteilen und der Kapitalertragsteuer zu unterziehen seien. Die Bf. sei zum KESt-Abzug verpflichtet. Die KESt wäre im Zeitpunkt des Zuflusses einzubehalten und in dem gesetzlich vorgesehenen Zeitraum abzuführen gewesen. Die Zuwendungen seien, unabhängig davon ob damit Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche abgegolten wurden, der KESt zu unterziehen gewesen. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 umfasse dieser "Zuwendungen jeder Art". Demnach wären Zuwendungen unabhängig davon gegeben, aus welchen Gründen sie erfolgen, ob sie in offener oder verdeckter Form vorliegen oder in der jeweiligen Satzung oder Stiftungserklärung Deckung finden oder nicht. Daher liege eine Zuwendung auch dann vor, wenn von einer Privatstiftung außerhalb des in der Stiftungserklärung vorgegebenen Rahmens Vermögen unentgeltlich auf einen nicht (letzt-)begünstigten Dritten übertragen werde. Es liege eine Zuwendung iSd § 27 Abs 1 Z 7 EStG idF vor BBG 2011 auch im Fall von Vermögensübertragungen der Privatstiftungen vor, welche diesen durch eine Bedingung oder Befristung auferlegt wurde (zB Nacherbschaft). Daher würde auch die Vermögensübertragung zwecks Abgeltung von Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen eine KESt-pflichtige Zuwendung darstellen. Infolge der vertraglichen Vereinbarung, dass die Bf. eine allfällige KESt zu tragen hätte, liege auch darin eine Zuwendung vor.
Beschwerden
Gegen die angeführten Bescheide wurden rechtzeitig Bescheidbeschwerden erhoben.- Beschwerde vom 22.8.2013 gegen den Haftungsbescheid betreffend 2012 vom 4.7.2013, zugestellt am 25.7.2013; - Beschwerde vom 19.3.2019 gegen die Haftungsbescheide betreffend 2013, 2014 und 2016 jeweils vom 12.3.2019, zugestellt am 15.3.2019.
Mit den Beschwerden wurden die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide sowie die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG) in mündlicher Verhandlung durch den Senat beantragt.
Zur Begründung der Beschwerden wurde u.a. ausgeführt, dass keine Steuerpflicht für die Herausgabe von Pflichtteilen durch die Privatstiftung bestehe, da keine Vermögenswidmung durch Herrn KRPL an die Bf. aufgrund des Herausgabeanspruchs des Geschenkes vorgelegen sei.
Aufgrund der bereits zum Zeitpunkt des Todes des Stifters nach der sog. "Vermögensopfertheorie" (Rsp. des OGH) bestehenden zivilrechtlichen Herausgabeansprüche sei aus steuerlicher Sicht das schlussendlich herausgegebene Vermögen niemals der Bf. gewidmet worden. Der Bf. sei vielmehr nur das "Nettovermögen" (nach Abzug der Pflichtteile) im Sinne eines "vorbelasteten Eigentums" zugekommen. Da das herausgegebene Vermögen wirtschaftlich somit niemals Stiftungsvermögen gewesen sei, konnte es auch nachfolgend weder zivilrechtlich noch steuerlich von der Bf. zugewendet werden.
Wenn die Behörde davon ausgehe, dass auch das herauszugebende Vermögen der Bf. gewidmet worden sei, so müsste berücksichtigt werden, dass der Begriff der Zuwendung eine unentgeltliche Vermögensübertragung der Stiftung voraussetze. Dazu müsse zwingend ein vorhergehender Beschluss des Stiftungsvorstandes vorliegen; dies im Hinblick auf die Gläubigerschutzbestimmung des § 17 Abs. 2 2. Satz PSG, wonach der Stiftungsvorstand Leistungen an Begünstigte nur dann vornehmen darf, wenn dadurch Ansprüche von Gläubigern nicht geschmälert werden.
Im Fall der Bf. mangle es aber an einem solchen Beschluss, da dieser nicht notwendig sei, wenn zwar die Vermögenswidmungen wirksam zustande gekommen seien (bzw. sein sollten), diese jedoch bereits im Widmungszeitpunkt mit gesetzlich begründeten (Herausgabe)Ansprüchen, wie zB Pflichtteils(-ergänzungs-)ansprüchen, belastet sind. In einer solchen Konstellation befreie sich die Privatstiftung nämlich lediglich von einer sie treffenden, gesetzlich begründeten und bereits bei Vermögenseinlage latenten Verpflichtung gegenüber den Pflichtteilsberechtigten, sodass eine Zuwendung der Privatstiftung iSd § 27 Abs. 5 Z 7 EStG bei einer Pflichtteilsbezahlung bzw. einer in § 951 ABGB begründeten Vermögensherausgabe ex lege nicht vorliegen könne. Gegenständlich haben die Stiftungsvorstände (siehe dazu Protokolle der Stiftungsvorstandssitzungen) keinen "Zuwendungsbeschluss" für die Auszahlungen von Pflichtteilen gemacht, sondern im Wissen, dass es sich um gesetzlich begründete Ansprüche handelt, auf der Basis des Gesetzes bzw. des gerichtlichen Vergleiches im Namen der Stiftung Zahlungen an die Pflichtteilsberechtigten (mit gleichzeitigem Hinweis auf den Rechtsgrund der Zahlung in den Überweisungsbelegen) vorgenommen.
§ 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 setze nach hA - entgegen der Ansicht der Behörde - eine Bereicherung des Empfängers des Vermögens sowie einen subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung voraus. Aufgrund des gesetzlichen Anspruches der Pflichtteilsberechtigten liege jedoch weder eine objektive Bereicherung noch eine subjektive Bereicherungsabsicht durch die Privatstiftung vor.
Nach der Literatur erscheine es sachgerecht, unentgeltliche Vermögensübertragungen, die einer Stiftung von "außen" durch ein Rechtsgeschäft außerhalb der Stiftungserklärung aufgezwungen werden, vom Zuwendungsbegriff des § 27 Abs.5 Z 7 EStG auszuklammern. So werde insbesondere die aufgrund gesetzlicher Anordnung erfolgende Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruches durch eine Privatstiftung beim Pflichtteilsberechtigten nicht als einkommensteuerpflichtige Zuwendung anzusehen sein. Es scheide auch eine objektive Bereicherung des Pflichtteilsberechtigten durch die Auszahlung des Pflichtteiles durch die Privatstiftung aus, weil der Pflichtteilsberechtigte von Gesetzes wegen (erb- und pflichtteilsrechtliche Vorschriften des ABGB) eine Forderung gegenüber der Privatstiftung habe. Deren Begleichung stelle eine reine Vermögensumschichtung dar, jedoch keine objektive Bereicherung.Zudem wäre zu prüfen gewesen, ob es sich bei den Zuwendungen um steuerneutrale Substanzauszahlungen gehandelt habe.
Im Fall der Bf. sei vor den Zivilgerichten auf der Basis der "Vermögensopfertheorie" des OGH gestritten worden, ob der Stifter im Sinne der Rsp des OGH bereits das "endgültige Vermögensopfer" erbracht habe. Er habe sich in den Stiftungsdokumenten zwar kein Widerrufsrecht, aber ein Änderungsrecht vorbehalten. Der OGH hatte bislang nur Fälle judiziert, in welchen sich der Stifter Widerrufsrechte oder Widerrufs- und Änderungsrechte vorbehalten hatte, nicht aber Sachverhalte, bei denen der Stifter sich ausschließlich ein Änderungsrecht vorbehalten hatte. Die Pflichtteilsberechtigten hätten hier vertreten, dass ein Änderungsrecht bereits ausreiche, um jegliche Zuwendung des verstorbenen Vaters in die Bf. "pflichtteilsverhangen" zu machen, während der Stiftungsvorstand darauf verwies, dass nur für den Fall des gleichzeitigen Widerrufs- und Änderungsrechts gesicherte Rechtsprechung des OGH vorliege und Expertenmeinungen vorliegen, die bei bloßen Änderungsrechten des Stifter keine Hemmung der 2-Jahres-Frist des § 785 Abs 3 ABGB verwirklicht sehen. Je nachdem, welche Position eingenommen werde, könne die Pflichtteilsbemessungsgrundlage sehr hoch (Summe aller jemals vom verstorbenen Stifter gemachten Stiftungs- und Nachstiftungsvorgänge) oder eher niedrig sein (das Minimum wäre der Wert jenes Vermögens, welcher erst durch die testamentarische Gesamtrechtsnachfolge der Bf. an diese übergegangen sei). Wegen der dargelegten rechtlichen Unsicherheit in Ermangelung einer Rsp des OGH zur Vermögensopfertheorie bei simplen Änderungsrechten des Stifters und konkreter Aussagen zum Fristenlauf des § 785 Abs. 3 ABGB war die zahlenmäßige Festlegung eines "Nettoreinvermögens" als Basis für die Berechnung der konkreten Pflichtteilsansprüche nicht möglich.Es kam daher im anhängigen Rechtsstreit zum (amtsbekannten) gerichtlichen Vergleich, auf dessen Basis die berufungsgegenständlichen Pflichtteilszahlungen an die Pflichtteilsberechtigen in Abgeltung ihrer Pflichtteilsansprüche geleistet wurden. Aufgrund des vorliegenden Interessensgegensatzes zwischen den Pflichtteilsberechtigten und der Bf., könne jedoch ausgeschlossen werden, dass letztlich Zahlungen geleistet wurden, die über oder unter die (vorhin beschriebenen) Extrempositionen reichen würden.
Infolge eines Ersuchens der Behörde vom 8.10.2014 wurde seitens der Bf. am 20.11.2014 eine Ergänzung zum Rechtsmittel vom 22.8.2013 beigebracht.
Darin wurden u.a. Klarstellungen hinsichtlich der tatsächlich erfolgten Auszahlungen an die Berechtigten getroffen und die Beträge im Detail angeführt.
Es wurde auf zwei im Jahr 2014 ergangene Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) Bezug genommen. Damit sei u.a. festgestellt worden, dass Zahlungen einer Privatstiftung an pflichtteilsberechtigte Erben des Stifters aufgrund eines Pflichtteilsvergleichs, den die Privatstiftung mit den verkürzten Erben abgeschlossen hatte, nicht der KESt unterliegen. Das BFG schließe sich damit der hA an und verwerfe die in den Stiftungsrichtlinien, vertretene Meinung, wonach jede unentgeltliche Vermögensübertragung durch eine Privatstiftung unabhängig vom Rechtsgrund der KESt unterliegen solle. Unentgeltliche Vermögensherausgaben, die einer Privatstiftung "von außen" durch ein Rechtsgeschäft außerhalb der Stiftungserklärung aufgezwungen werden, seien vom Zuwendungsbegriff des § 27 Abs 5 Z 7 EStG ausgenommen. Die Höhe der von den Pflichtteilsberechtigten in ihren zivilrechtlichen Klageschriften geltend gemachten (typischerweise mit der "Vermögensopfertheorie" des OGH argumentierten und zahlenmäßig unterlegten) Ansprüche sind ein Richt- und Anhaltewert, bis zu welcher Höhe eine kraft Gesetzes auferlegte Verpflichtung der Privatstiftung vorliegt. Auszahlungen bis zu dieser Höhe müssten daher jedenfalls KESt-frei bleiben (BFG 11.8.2014, RV/6100270/2013; 6. 6. 2014, RV/6100579/2008).Die Tatsache, dass die Pflichtteilsberechtigten sich gezwungen sahen, ihre Ansprüche im Klagswege durchzusetzen zeige, dass der Stiftungsvorstand die gestellten Ansprüche der Noterben (vorerst) nicht anerkannte und ein Bereicherungswille der Privatstiftung gegenüber den Pflichtteilsberechtigten vor diesem Hintergrund denkunmöglich sei. Die getroffene Vergleichssumme spiegle den kleinsten gemeinsamen Nenner widerstreitender Interessen, auf den sich die Kontrahenten (Kläger/Beklagter) unter Abwägung der jeweiligen Chancen und des involvierten Risikos zur Abwendung von jeweils eigenen Nachteilen (lange Verfahrensdauer, Inflationsrisiko, Vermögensverzehr infolge steigender Verfahrenskosten etc.) verständigen.
In der Beschwerde der Bf. vom 19.3.2019 wurde auf das Erkenntnis des VwGH 10.2.2016, Ra 2014/15/0021, welches zur o.a. Entscheidung des BFG vom 6.6.2014 ergangen war, Bezug genommen. Darin bestätigte der VwGH die Auffassung des BFG und damit die diesbezügliche einschlägige Literatur. KESt-pflichtige Zuwendungen setzen demnach 1. eine (tatsächliche) Bereicherung des Empfängers der Zuwendung und 2. einen subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung, der durch ihre Organe gebildet wird (= gewollte Bereicherung des Empfängers der Zuwendung), voraus. Eine solche auf Vorteilsgewährung gerichtete Zuwendung liege jedoch nicht vor, wenn die Vermögensübertragung in Abgeltung von gerichtlich durchsetzbaren Pflichtteilsergänzungsansprüchen und damit zur Tilgung gesetzlicher Ansprüche erfolgt, da sie diesfalls nämlich nicht von einem subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung getragen war. Solche Auszahlungen stellten keine Zuwendung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 dar und unterliegen insoweit nicht der Kapitalertragsteuer.
Im Fall der Bf. sei die letztwillige Verfügung des Herrn KRPL, mit der die Bf. als Alleinerbin eingesetzt wurde, durch die Pflichtteilsberechtigten bei österreichischen Zivilgerichten mittels Klagen angefochten worden, um ua die Höhe der Pflichtteilsansprüche zu bekämpfen.Im Klagsverfahren der ***7*** gab das LG St. Pölten dem-Rekurs-der Klägerin hinsichtlich der Höhe der begehrten Nachlassseparation statt und bestimmte mit Beschluss vom Datum3 für deren Pflichtteilsanspruch eine Sicherheitsleistung der Bf. in Höhe von EUR 15.000.000,- zur Abwendung der diesbezüglichen Verlassenschaftsseparation. Das LG St. Pölten stützte seine Entscheidung u.a. auf das Gutachten von Univ. Prof. Dr. Johannes Zollner, wonach die unentgeltlichen Zuwendungen des Stifters an die Bf. - mangels Eintritts des Vermögensopfers aufgrund der umfassenden Stifterrechte - bei der Berechnung der Pflichtteile zu berücksichtigen seien.Somit seien im Fall der Bf. die Pflichtteilsansprüche betraglich nicht nur im Wege der einzelnen gerichtlichen Klagen, sondern auch durch ein Gerichtsurteil 2. Instanz festgestellt worden.
Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 4.6.2019, zugestellt am 12.6.2019, wurde den Beschwerden vom 22.8.2013 gegen den Haftungsbescheid Kapitalertragsteuer 2012 sowie vom 19.3.2019 gegen die Haftungsbescheide Kapitalertragsteuer 2013 und 2014 teilweise stattgegeben. Die Beschwerde vom 19.3.2019 betreffend Haftungsbescheid Kapitalertragsteuer 2016 wurde abgewiesen.
Die Behörde hielt als unstrittig die Höhe der an die Pflichtteilsberechtigten aufgrund der geschlossenen Vergleiche seit dem Jahr 2009 erfolgten Zahlungen von insgesamt 60.327.942,91 fest. Der Reinnachlass war mit Euro 40.122.399,13 festgestellt worden und der davon zu 50% den Erben als Pflichtteil zustehende Betrag belief sich auf insgesamt Euro 20.061.199,57. Demnach wurden die in den Jahren 2009 - 2011 erfolgten Zahlungen (ges. 11.777.943,00) den nicht steuerpflichtigen Pflichtteilszahlungen zugeordnet. Den Beschwerden gegen die Haftungsbescheide 2009 bis 2011 war daher in einem früheren Verfahren stattgegeben worden.
Nach Abzug des noch für das Jahr 2012 verbliebenen Pflichtteils war ein Betrag von Euro 40.295.765,54, der in den Jahren 2012 bis 2016 aufgrund der Pflichtteilsergänzungsansprüche geflossen war, weiter hinsichtlich der Steuerpflicht zu beurteilen.Der Unternehmenswert, der im Besitz der Bf. stehenden Geschäftsanteile, wurde iHv Euro 125,5 Mio (= gemeiner Wert) außer Streit gestellt.
Die Behörde hielt u.a. fest, dass mit Notariatsakten vom Datum4 die Stiftungsurkunde bzw. vom Datum2 die Stiftungszusatzurkunde neu gefasst wurden. Der Stifter hatte darin auf den Widerruf der Stiftung verzichtet, sich jedoch ausdrücklich Änderungsrechte vorbehalten. Infolge des Ablebens des Stifters am Datum sei die 2-Jahresfrist gem. § 785 Abs. 3 ABGB vom Datum4 gerechnet abgelaufen gewesen.
Zur Frage, ob aufgrund der vorbehaltenen Änderungsrechte das "Vermögensopfer" durch den Stifter als erbracht anzusehen war oder nicht, führte die Behörde umfassend aus.Die zum Thema insgesamt sechs aus den Gerichtsverfahren vorliegenden Gutachten namhafter Stiftungsexperten und Universitätsprofessoren aus den Jahren 2011 und 2012 führten zu keinem eindeutigen Ergebnis. In drei Gutachten wurde das Vermögensopfer infolge des Verzichts auf das Widerrufsrecht als erbracht beurteilt. Drei Gutachten beurteilten das Vermögensopfer aufgrund der bestehenden Änderungsvorbehalte als noch nicht eingetreten und hätte die 2-Jahres-Frist nicht am Datum4 zu Lebzeiten des Stifters zu laufen begonnen.
Die Behörde nahm weiters Bezug auf die Entscheidungen des OGH 22.3.2018, 2 Ob 98/17a und 23.2.2016, 6 Ob 237/15v. Der OGH traf darin Aussagen zum Eintritt des Vermögensopfers. Demnach könne ein Änderungsrecht dem Eintritt des Vermögensopfers nicht entgegenstehen, da "bloße" Änderungsrechte keine widerrufsgleiche Wirkung haben können.
In Anlehnung an diese OGH-Rechtsprechung kam die Behörde zum Schluss, dass der Stifter durch den Verzicht auf sein Widerrufsrecht am Datum4 den Beginn der 2-Jahresfrist ausgelöst habe und zum Zeitpunkt des Ablebens des Stifters am Datum die Frist jedenfalls abgelaufen gewesen sei. Das Änderungsrecht habe den Eintritt des Vermögensopfers nicht verhindern können. Die Zahlungen an die Noterben seien daher grundsätzlich als Zuwendungen iSd § 27 Abs. 5 Z 7 zu beurteilen. Nach den dem § 27 Abs. 5 Z 8 EStG entsprechenden Berechnungen (Berücksichtigung des Evidenzkontos der Bf.) war ein als Substanzauszahlung zu beurteilender Betrag von Euro 20.061.199,57 nicht der Kapitalertragsteuer zu unterziehen.Die sodann noch verbliebenen Zuwendungen der Jahre 2012, 2013, 2014 und 2016 seien der Kapitalertragsteuer zu unterziehen gewesen. Die neuen Bemessungsgrundlagen, die festzusetzende Steuer und die sich ergebenden Gutschriften waren in der BVE im Detail angeführt.
Der Vorlageantrag wurde am 5. Juli 2019 eingebracht.Es wurde gleich wie im bisherigen Verfahren ausgeführt und die ersatzlose Aufhebung der Haftungsbescheide beantragt.
Das Rechtsmittel wurde dem BFG mit Vorlagebericht vom 30. September 2019 vorgelegt. Die Bf. wurde gleichzeitig über die Vorlage in Kenntnis gesetzt.
In der Beschwerdeergänzung vom 14. Februar 2024 wurde die jeweilige Höhe der insgesamt getätigten Zahlungen der Bf., des Reinnachlasses, des zustehenden Pflichtteils sowie des gemeinen Werts des Unternehmens als unstrittig bestätigt.
Strittig sei jedoch weiterhin die Frage, ob ein umfassendes Änderungsrecht des Stifters dem Eintritt des Vermögensopfers entgegensteht oder nicht. Die Steuerpflicht der Zuwendungen aus den Pflichtteilsergänzungsansprüchen habe die Behörde damit begründet, dass das Vermögensopfer bereits erbracht worden sei.
Die Bf. hielt fest, dass die Frage des Vermögensopfers bis dato nicht abschließend höchstgerichtlich geklärt sei. Es sei auch nach der Entscheidung des OGH 22.3.2018, 2 Ob 98/17a, offen, ob das vorbehaltene Änderungsrecht des Erblassers der Annahme des Vermögensopfers entgegenstand. Das Vermögensopfer sei jedenfalls dann erbracht, wenn der Änderungsberechtigte nicht (mehr) allein auf das Stiftungsvermögen zugreifen könne. Aus dieser Aussage lasse sich im Umkehrschluss ableiten, dass nicht jedes Änderungsrecht für den Eintritt des Vermögensopfers unbeachtlich sei.Maßgeblich sei die Frage, ob der Geschenkgeber in Ausübung eines vorbehaltenen Änderungsrechts die Möglichkeit habe, gewidmetes Vermögen durch einseitige Rechtshandlungen wiederzuerlangen. Ein vorbehaltenes Änderungsrecht gem. § 33 Abs. 2 Satz 1 PSG darf zwar nach der vom OGH zitierten Rechtsprechung keine widerrufsgleiche Wirkung entfalten, es kann aber zulässigerweise die Möglichkeit einräumen, den Stiftungszweck zu ändern, den Stifter als Begünstigen festzustellen und diesem sogar einen klagbaren Anspruch auf Leistung von Zuwendungen zu verschaffen. Bei einer derartigen Gestaltung müsse der Eintritt des Vermögensopfers wohl verhindert sein, da der Geschenkgeber durch die Ausübung des Änderungsrechts die Schenkung rückgängig machen könne. Auch wenn ein Änderungsrecht eine schwächere Position als das Widerrufsrecht habe, müsse geprüft werden, ob ein konkretes Änderungsrecht dem Geschenkgeber die Möglichkeit des Zugriffs auf die Substanz verschaffe.
Das dem Stifter der Bf. vorbehaltene Änderungsrecht habe diesem jedenfalls die Möglichkeit verschafft, das gewidmete Vermögen wiederzuerlangen. Eine entsprechende Einschränkung des Änderungsrechts sei nicht vorgesehen, sodass, nach der Literaturmeinung, auch trotz der Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2018 die besseren Argumente dafür sprechen, dass bei einem uneingeschränkten Änderungsrecht das Vermögensopfer noch nicht eingetreten sei.
In dem im Jahr 2023 zu einem fast identen Sachverhalt (aus dem Jahr 2011) ergangenen stattgebenden Erkenntnis des BFG (BFG 11.1.2023, RV/6100231/2018 - in Rechtskraft) war im Zusammenhang mit einem bestehenden umfassenden Änderungsrecht des Stifters das Vermögensopfer als noch nicht erbracht beurteilt worden. Die auf Vergleichen beruhenden Pflichtteilsergänzungsansprüche stellten sich als Auszahlungen kraft Gesetzes dar, denen keine autonome Entscheidung des Stiftungsvorstandes zugrunde gelegen war. Die Vermögensherausgabe war nicht auf Vorteilsgewährung gerichtet und lag kein subjektiver Bereicherungswille, keine Freigebigkeit, vor. Es war daher keine KESt-Pflicht hinsichtlich der erfolgten Auszahlungen gegeben.
Das für den Fall der Bf. für die Jahre 2012 - 2016 herangezogene Urteil des OGH aus dem Jahr 2018, welches zur Thematik Eintritt des Vermögensopfers und Vorbehalt eines umfassenden Änderungsrechts ergangen war, hatte die Frage nicht abschließend geklärt. Der seitens der Behörde gezogene Schluss, dass infolge des vorliegenden "bloßen" Änderungsrechts des Stifters das Vermögensopfer trotzdem bereits eingetreten sei und die Zahlungen der Bf. an die Noterben als verdeckte Zuwendungen zu beurteilen seien, finde weder in der zivilrechtlichen noch in der abgabenrechtlichen Judikatur Deckung.Aufgrund des bestehenden Spannungsverhältnisses zwischen den Noterben und dem Stiftungsvorstand der Bf. sowie den damals anhängigen Gerichtsverfahren sei ein subjektiver Bereicherungswille des Stiftungsvorstandes de facto auszuschließen gewesen. Auch könne nach der Judikatur kein subjektiver Bereicherungswille unterstellt werden, wenn selbst die namhaftesten Gutachter und Stiftungsexperten im Fall der Bf. zu keinem klaren Ergebnis, sondern zu einer Patt-Stellung, bei der Beurteilung des Vorliegens des Vermögensopfers gekommen seien. Aufgrund dieser rechtsunsicheren Situation sei die Vorgangsweise der Bf. als geboten erschienen. Die Feststellung der Behörde, dass die Bf. eine wirtschaftliche Last auf sich genommen habe, die sie mangels gesetzlicher Verpflichtung nicht hätte tragen müssen, entbehre der rechtlichen Grundlage.
In der zum Schriftsatz der Bf. ergangenen Stellungnahme der Behörde vom 24.6.2024 wurde u.a. auf die BVE sowie auf die Entscheidung des OGH vom 22.3.2018 Bezug genommen. Der OGH habe darin den Eintritt des Vermögensopfers trotz eines umfassenden Änderungsrechts des Stifters bejaht. Die Behörde sehe darin einen klaren Widerspruch zu jenem Teil der Literatur, nach dem ein umfassendes Änderungsrecht des Stifters, ebenso wie ein Widerrufsrecht, den Eintritt des Vermögensopfers hemme.
In der weiteren zum ErbRÄG 2015 ergangenen Entscheidung des OGH vom 15.10.2024, 2 Ob 66/24f, kam der OGH zum Ergebnis, dass ein umfassender, vom Erblasser allein auszuübender Änderungsvorbehalt der Erbringung des "Vermögensopfers" zur Gänze entgegensteht. Die zweijährige Frist (§ 782 Abs. 1 ABGB idF ErbRÄG 2015 bzw. § 785 Abs. 3 Satz 2 ABGB aF) beginnt erst mit dem Tod des Erblassers. Diese Entscheidung wurde der Behörde im gegenständlichen Verfahren zur Kenntnis gebracht. Nach Ansicht der Behörde überzeuge die Ansicht des OGH auch für Fälle vor dem ErbRÄG 2015 und wäre im Fall der Bf. der Beschwerde stattzugeben.
Mit Schreiben der steuerlichen Vertretung vom 8. September 2025 wurden die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Die gegenständlichen, rechtzeitig eingebrachte, Beschwerden richteten sich gegen die in den Entscheidungsgründen angeführten, an die Bf. ergangenen Haftungsbescheide womit für die Jahre 2012 - 2016 Kapitalertragsteuer vorgeschrieben worden war.
Strittig war im Fall der ***Bf1***, der Bf., ob der bestehende Vorbehalt eines Änderungsrechts des Stifters der Erbringung des Vermögensopfers durch den Stifter entgegenstand oder nicht.
Dementsprechend war die Frage zu klären, ob hinsichtlich der nach dem Ableben des Stifters an die Berechtigten erfolgten Zuwendungen aus Pflichtteils(-ergänzungs)-ansprüchen in den Jahren 2012 - 2016 Steuerpflicht gegeben war.
1. Sachverhalt und rechtliche Würdigung
Der durch das Bundesfinanzgericht (BFG) der Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt wurde aufgrund der Unterlagen der Behörde, der ergangenen BVE, des Vorbringens der Bf. im Rechtsmittelverfahren, der Schriftsätze und beigebrachten Unterlagen (siehe dazu auch in den Entscheidungsgründen) festgestellt.
Die Bf. war am 7.12.1994 durch den Stifter, KRPL., errichtet worden. Dieser übertrug der Bf. in der Folge die Anteile an der ***1***-Gruppe.
Mit Notariatsakt vom Datum4 wurde die Stiftungsurkunde abgeändert bzw. aus Übersichtlichkeitsgründen neu gefasst. Der Stifter behielt sich darin umfassende Änderungsrechte vor.Punkt 13 "Änderungen der Stiftungserklärung durch den Stifter" - Der Stifter behält sich Änderungen der Stiftungserklärung (nämlich der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde) auch nach Eintragung der Stiftung in das Firmenbuch ausdrücklich vor.Punkt 14 "Widerruf der Stiftung" - Der Stifter verzichtet auf den Widerruf der Stiftung.
Mit Notariatsakt vom Datum2 wurde durch den Stifter infolge des bestehenden Änderungsrechts die Stiftungszusatzurkunde abgeändert bzw. aus Übersichtlichkeitsgründen neu gefasst.Punkt 4 - "Nähere Bestimmungen der Begünstigten" - Erstbegünstigter der Stiftung ist der Stifter. Nach dem Ableben des Erstbegünstigten treten als Zweitbegünstigte an dessen Stelle die konkret benannten *** Kinder des Stifters sowie eine weitere genannte Begünstigte. Nach dem Ableben der genannten Kinder geht deren Anspruch aus der Stiftung auf die jeweiligen Nachkommen über.Punkt 5 - Letztbegünstigte - Dies sind jeweils die Kinder der genannten Kinder zu gleichen Teilen.Punkt 6 - "Richtlinien für die Zuwendungen an Begünstigte" - Darin war konkret geregelt, welche Zuwendungen an wen zu Lebzeiten des Stifters und nach dessen Ableben erfolgen sollen.Mit Notariatsakt vom Datum5 wurde die Stiftungszusatzurkunde neuerlich geändert.Damit wurden Punkt 4 - "Nähere Bestimmungen der Begünstigten" und Punkt 6 - "Richtlinien für die Zuwendungen an Begünstigte" geändert und neu gefasst.
Der Stifter verstarb am Datum und hinterließ ***9***, ***10***, ***11***, sowie ***12***.
Mit dem Testament vom Datum2, setzte KR ***1*** die Bf. als Alleinerbin des gesamten Nachlassvermögens ein und verfügte, dass die im Zeitpunkt seines Ablebens vorhandenen Noterben auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränkt werden, auf welchen sie sich alle vom Erblasser lebzeitig erhaltenen Vorausempfänge anrechnen lassen müssten.
Die Pflichtteilsberechtigten anerkannten diese letztwillige Verfügung materiell nicht und strengten daher bei österreichischen Zivilgerichten Verfahren an, um ua die Höhe der Pflichtteilsansprüche zu bekämpfen. Der Stiftungsvorstand schloss mit den Pflichtteilsberechtigten Pflichtteilsvergleiche (teils gerichtlich, teils außergerichtlich) ab. Aufgrund dieser Pflichtteilsvergleiche wurden an die Pflichtteilsberechtigten ab dem Jahr 2009 Zuwendungen getätigt. Insgesamt waren seit dem Jahr 2009 bis zum Jahr 2016 an die Pflichtteilsberechtigten aufgrund der geschlossenen Vergleiche Zahlungen iHv Euro 60.327.942,91 geleistet worden.
Als im vorliegenden Verfahren unstrittig waren die folgenden Werte und Beträge festzuhalten:Außer Streit stand die Höhe des Unternehmenswerts, der im Besitz der Bf. stehenden Geschäftsanteile, mit Euro 125,5 Mio (= gemeiner Wert).
Der Reinnachlass betrug Euro 40.122.399,13 und der davon zu 50% den Erben als Pflichtteil zustehende Betrag belief sich auf Euro 20.061.199,57.
Die in den Jahren 2009 - 2011 erfolgten Zahlungen fanden gänzlich im unstrittig bestehenden o.a. Pflichtteilsanspruch Deckung und waren demnach nicht steuerpflichtig. Den gegen die ursprünglichen Haftungsbescheide der Jahre 2009 - 2011 eingebrachten Beschwerden wurde in einem früheren Verfahren stattgegeben.
Steuerpflicht der ab dem Jahr 2012 erfolgten ZuwendungenAufgrund der unstrittig festgestellten Höhe der Pflichtteile, waren die im Jahr 2012 geleisteten Zahlungen jedenfalls bis zur Höhe des festgestellten Pflichtteils zu vermindern.
Der nun noch hinsichtlich einer etwaigen Steuerhängigkeit zu beurteilende, hinsichtlich der Höhe außer Streit stehende, Betrag von Euro 40.295.765,54, der auf den in den Jahren 2012 bis 2016 geflossenen Zuwendungen beruhte, war dahingehend zu prüfen, ob steuerpflichtige Zahlungen vorlagen und demzufolge Kapitalertragsteuer vorzuschreiben war.
Dazu war auch das Vorliegen etwaiger steuerneutraler Substanzzahlungen zu prüfen.Gemäß § 27 Abs. 5 Z 8 EStG 1988 stellen Zuwendungen von nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988 fallenden Privatstiftungen und vergleichbaren ausländischen Stiftungen sowie sonstigen Vermögensmassen, die nach dem 31.7.2008 getätigt werden, keine Einkünfte aus Kapitalvermögen dar, soweit sie als Substanzauszahlungen gelten. Steuerneutrale Substanzauszahlungen liegen vor, als sie den definierten "maßgeblichen "Wert" übersteigen und im Evidenzkonto Deckung finden.
Wie im Verfahren unstrittig festgestellt wurde, wurde der sich auf dem Evidenzkonto der Bf. befindliche Betrag von Euro 20.061.199,57 (Reinnachlass abzüglich der aus den Pflichteilansprüchen resultierenden Verbindlichkeiten) im Jahr 2012 gänzlich aufgebraucht. Bis zu dieser Höhe lagen demzufolge steuerneutrale Substanzauszahlungen vor und war bis zu dieser Höhe keine KESt-Pflicht gegeben.
Strittig blieb die Frage der Steuerpflicht hinsichtlich der noch verbliebenen, darüber hinausgehenden aufgrund der Pflichtteilsvereinbarungen geleisteten Zuwendungen in den Jahren 2012 - 2016.
| Jahr/ Zuwendung netto | 2012 | 2013 | 2014 | 2016 | Gesamt |
| Summe | 2.992.610,32 | 7.120.977,83 | 8.820.977,83 | 1.250.000,00 | 20.234.565,98 |
Gemäß § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 zählen zu Einkünften aus Kapitalvermögen Zuwendungen jeder Art von nicht unter § 5 Z 6 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Privatstiftungen. Eine Definition der Zuwendung findet sich im Gesetz nicht. Grundsätzlich sind Zuwendungen einer Privatstiftung unentgeltliche Vermögensübertragungen an Begünstigte oder Letztbegünstigte. Sie können in offener oder in verdeckter Form erfolgen und als Geld- bzw. Sachleistungen gewährt werden. Sie setzen eine objektive Bereicherung des Empfängers der Zuwendung und den subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung voraus. Werden jedoch Zahlungen geleistet, die in Abgeltung gerichtlich durchsetzbarer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche und damit zur Tilgung gesetzlicher Ansprüche erfolgen, fehlt es jedenfalls am subjektiven Bereicherungswillen der Stiftung und liegen keine der Kapitalertragsteuer zu unterziehende Zuwendungen vor.
Hinsichtlich der oben dargestellten Zuwendungen der Jahre 2012 - 2016 war zu klären, ob in diesen aufgrund der gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleiche geleisteten Beträge der Bf. Zuwendungen zu verstehen waren, die unter dem Aspekt der "Vermögensopfertheorie" als steuerhängig zu beurteilen waren.
Nach § 951 Abs. 1 ABGB kann der "Noterbe" vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen, wenn bei Bestimmung des Pflichtteiles Schenkungen gem. § 785 in Anschlag gebracht werden.
Nach § 785 Abs. 1 ABGB sind auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten Schenkungen des Erblasser in Anschlag zu bringen. Der Gegenstand der Schenkung ist dem Nachlass mit dem Wert hinzuzurechnen, der für die Anrechnung nach § 794 ABGB maßgebend ist.
Gem. § 785 Abs 3 ABGB (aF) bleiben Schenkungen bei der Bemessung des Pflichtteils unberücksichtigt, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht worden sind.
Unter § 785 ABGB sind auch Vermögenswidmungen an Stiftungen zu subsumieren.
Zur Vermögensopfertheorie nach der Rsp des OGHIn Anlehnung an die Vermögensopfertheorie kommt es nach der Rsp des OGH für den Beginn der o.a. Zwei-Jahres-Frist darauf an, wann die Schenkung, die Zuwendung, tatsächlich erbracht worden ist. Maßgeblich war daher, wann der Verstorbene das Vermögensopfer im Bezug auf die Zuwendung an die Bf. endgültig erbracht hatte. Es ist dabei die Frage wesentlich, ob der Geschenkgeber, hier der Stifter, in Ausübung eines vorbehaltenen Änderungsrechts die Möglichkeit hatte, bereits gewidmetes Vermögen durch einseitige Rechtshandlungen wiederzuerlangen.
Nach der zum Zeitpunkt des Ergehens der angefochtenen Entscheidung vorliegenden Rechtsprechung des OGH, 22.3.2018, 2 Ob 98/17 hatte dieser in einer nur obiter getätigten Aussage festgehalten, dass der Vorbehalt eines umfassenden Änderungsrechts für sich allein die Erbringung des Vermögensopfers nicht hindern könne. Nach der angeführten Entscheidung des OGH dürfe ein vorbehaltenes Änderungsrecht gem. § 33 PSG keine widerrufsähnliche Wirkung entfalten. Es könne aber die Möglichkeit schaffen, den Stiftungszweck zu ändern, die Begünstigten festzustellen und so die Widmung des Vermögens rückgängig zu machen. Die Behörde folgte gegenständlich dieser in der Literatur strittigen Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2018 und ging davon aus, dass der Stifter durch den Verzicht auf sein Widerrufsrecht das Vermögensopfer bereits zu diesem Zeitpunkt erbracht hatte. Die erfolgten unentgeltlichen Zuwendungen waren nach Ansicht der Behörde nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt und waren diese daher der Kapitalertragsteuer unterzogen worden.
Dieser Rechtsansicht war infolge der nunmehr vorliegenden Entscheidung des OGH zur Frage, ob ein umfassender Änderungsvorbehalt der Erbringung des Vermögensopfers im Anwendungsbereich des ErbRÄG 2015 entgegensteht oder nicht (OGH 15.10.2024, 2 Ob 66/24f), nicht mehr zu folgen. Der OGH kam in seiner Entscheidung nach ausführlicher Beurteilung der in der Literatur vorherrschenden Meinung zum Schluss, dass ein umfassender, vom Erblasser allein auszuübender Änderungsvorbehalt der Erbringung des Vermögensopfers entgegenstand. Durch die umfassenden Änderungsvorbehalte war, wenn auch nicht uno actu, ein dem Widerruf wirtschaftlich annähernd gleichzuhaltendes Ergebnis erzielbar. Die vom Höchstgericht zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 getätigte Aussage, wurde daher im Anwendungsbereich des ErbRÄG 2015 durch den OGH nicht aufrechtzuerhalten.
Im Lichte dieser Judikatur war die Frage, ob ein umfassendes Änderungsrecht des Stifters dem Eintritt des Vermögensopfers entgegensteht unter dem Aspekt des ErbRÄG 2015 als geklärt zu beurteilen. Für den gegenständlichen Sachverhalt, der sich auf Vorgänge vor dem ErbRÄG 2015 bezog, war aber auch der Schluss zu ziehen, dass infolge der Einbeziehung der damals vorliegenden Literatur und Judikatur in die nun aktuelle Entscheidung durch den OGH die Überlegungen zur Erbringung des Vermögensopfers übernommen werden konnten. Die frühere Entscheidung des OGH, (2 Ob 98/17) wonach bei Vorbehalt eines umfassenden Änderungsrechts das Vermögensopfer bereits erbracht wäre, wurde in der Literatur kritisch beurteilt. U. a. wurde dazu vorgebracht, dass die als obiter getätigte Aussage des OGH zu weit gegriffen sei. Dem Stifter werde durch das vorbehaltene Änderungsrecht durch die Änderung der Stiftungserklärung eine Verfügung über das der Stiftung gewidmete Vermögen jedenfalls ermöglicht. Das Änderungsrecht verschaffe dem Stifter weitreichende Einflussmöglichkeiten. Durch die Möglichkeit das gewidmete Vermögen wiederzuerlangen, werde die Erbringung des Vermögensopfers gehindert.
Der Stifter KR ***1*** hatte mit der Neufassung der Stiftungsurkunde am Datum4 auf den Widerruf der Stiftung verzichtet. Er behielt sich jedoch umfassende Änderungen der Stiftungserklärung (Punkt 13 der Neufassung) ausdrücklich vor. Die Ausübung des Änderungsvorbehalts war weder an eine Zustimmung noch an eine Mitwirkungspflicht anderer Personen gebunden. Grundsätzlich war durch den Änderungsvorbehalt in der Stiftungserklärung jede Änderung der Stiftungsurkunde zulässig. Durch das vorbehaltene Änderungsrecht stand es dem Stifter, in Ausübung des Änderungsrechts, frei das gewidmete Vermögen, wenn auch nicht uno actu, wiederzuerlangen.
Der Stifter verstarb am Datum. In dem zu Lebzeiten vorliegenden umfassenden Änderungsvorbehalt war eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit zu sehen, mit dem der Stifter nach wie vor seine Eigentümerstellung wahren konnte. Demzufolge war das Vermögensopfer des Stifters bis zu dessen Ableben nicht erbracht worden.
Mit dem Testament vom Datum2 setzte der Stifter die Bf. als Alleinerbin des gesamten Nachlassvermögens ein und verfügte, dass im Zeitpunkt seines Ablebens die Noterben auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränkt werden. Aufgrund der durch die Erben materiell nicht ankannten letztwilligen Verfügung, kam es zum Abschluss der genannten gerichtlichen und außergerichtlichen Pflichtteilsvergleiche, die den o.a. angeführten Zuwendungen an die Pflichtteilsberechtigten in den Jahren 2012 bis 2016 zugrunde lagen.
Auch wenn ein umfassender Änderungsvorbehalt keine widerrufsgleichen Wirkungen erzeugen kann, hinderte der Änderungsvorbehalt die Erbringung des Vermögensopfers. Das Vermögensopfer des Stifters und Erblassers war daher erst mit dessen Tod eingetreten. Es lagen daher Vermögensübertragungen vor, die innerhalb der Zwei-Jahres-Frist iSd zivilrechtlichen Bestimmung erfolgt waren.
Die aufgrund der geführten Gerichtsverfahren vereinbarten Pflichtteile bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche, deren Höhe außer Streit gestellt worden waren, waren somit als Auszahlungen kraft Gesetzes zu beurteilen. Die Tatsache, dass durch die geschlossenen Vergleiche zwischen dem vertretungsbefugten Organ der Bf. (dem Stiftungsvorstand) und den Noterben die Beendigung des Rechtsstreits erreicht wurde, ließ nicht auf das Vorliegen eines subjektiven Bereicherungswillens der Bf. schließen. Die Abgeltung der gerichtlich durchsetzbaren Pflichtteilsergänzungsansprüche beruhten auf der Verpflichtung der Bf. die gesetzlichen Ansprüche abzugelten (vgl. VwGH 10.2.2016, Ra 2014/15/0021).Die unentgeltlichen Zuwendungen des Stifters an die Bf. waren aufgrund der umfassenden Stifterrechte des Stifters und infolge Fehlens des Eintritts des Vermögensopfers bei Berechnung der Pflichtteile zu berücksichtigen.
In den o.a. Beträgen lagen somit keine der Kapitalertragsteuer zu unterziehenden Auszahlungen bzw. Zuwendungen iSd § 27 Abs. 5 Z 7 EStG vor.
Den Beschwerden gegen die angefochtenen Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragssteuer für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2016 war daher stattzugeben. Die angefochtenen Bescheide waren ersatzlos aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.Zur gegenständlichen Rechtsfrage wird auf die Rechtsprechung des VwGH (VwGH 10.2.2016, Ra 2014/15/0021; 3.4.2019, Ra 2018/15/0060) sowie des OGH (OGH 15.10.2024, 2 Ob 66/24f) verwiesen.Da sich die gegenständliche Entscheidung auf diese Rechtspechung stützt, war keine Revision zuzulassen.
Wien, am 6. Oktober 2025