JudikaturBFG

RV/2100668/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
30. September 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom 17. Juli 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 12. Mai 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Steuernummer ***Bf-StNr*** den Beschluss:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht rechtzeitig eingebracht zurückgewiesen.

{
  "type": "ul",
  "attributes": {
    "class": "ListeAufzhlung"
  }
}

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Bisheriger Verfahrensgang

Frau ***Bf*** (im Folgenden: Beschwerdeführerin) beantragte in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 am 30. März 2022 insgesamt 6.761,82 Euro an Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 12. Mai 2022 wurden Werbungskosten in Höhe von 5.180,22 Euro berücksichtigt und es kam zu einer Gutschrift in Höhe von 2.259 Euro. Das Finanzamt berücksichtigte Tagesgelder für die Dauer von fünf Tagen als Fortbildungskosten, weil es bei Fahrten, die über einen längeren Zeitraum zum Schulungsort erfolgen, zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeiten käme. Der Bescheid wurde am 12. Mai 2022 auf elektronischem Wege in die Databox der Beschwerdeführerin zugestellt.

Am 5. Februar 2024 beantragte die Beschwerdeführerin die Neuberechnung der Einkommensteuer für 2021 (und 2022), weil ihrer Beschwerde betreffend den Einkommensteuerbescheid 2020 stattgegeben worden sei (GZ. RV/2100586/2022 vom 18. Jänner 2024) und auch in diesen Jahren sämtliche Aufwendungen, die ihre Umschulung betroffen hätten, nicht in erforderlichem Ausmaß berücksichtigt worden wären. Dieser Antrag wurde als Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2021 vom 12. Mai 2022 abgeschlossenen Verfahrens gewertet und vom Finanzamt mangels Neuhervorkommens von Tatsachen abgewiesen.

Mit Eingabe vom 17. Juli 2024 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 vom 12. Mai 2022 Beschwerde, weil die Fahrtkosten und Taggelder der Umschulung nicht vollständig, sondern nur im Ausmaß von fünf Tagen anerkannt worden wären und sie bezog sich erneut auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. Oktober 2024 wies das Finanzamt die Beschwerde vom 17. Juli 2024 gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 gemäß § 260 BAO zurück, weil die Beschwerdefrist bereits abgelaufen sei.

Am 21. Oktober 2024 beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am 21. August 2025 vorgelegt.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen

1. Sachverhalt

Das Finanzamt erließ den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 am 12. Mai 2022 (BFG-Akt ON 2). Der Bescheid wurde am selben Tag in die elektronische Databox der Beschwerdeführerin zugestellt (BFG-Akt ON 3). Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingebracht. Die Beschwerdefrist ist am 13. Juni 2022 (der 12. Juni 2022 war ein Sonntag) abgelaufen und der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Erst mit Eingabe vom 17. Juli 2024 erhob die Beschwerdeführerin dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde (BFG-Akt ON 4).

Strittig ist, ob die Beschwerde vom 17. Juli 2024 gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, welcher am 12. Mai 2022 auf elektronischem Wege in die Databox der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, einer inhaltlichen Erledigung zugänglich ist.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen und der Einsicht in den elektronischen Veranlagungsakt und Abfragesysteme der Finanzverwaltung.

Die Zustellung des Einkommensteuerbescheides (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 am 12. Mai 2022 und die Einbringung der Beschwerde vom 17. Juli 2024 (Datum der Beschwerde) spätestens am 19. Juli 2024 (Eingangsstempel Finanzamt - ohne Kuvert) sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

Gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden "Erledigungen…dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen…durch Zustellung".

"Die Finanzämter haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer an FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen" ( § 98 Abs. 1a BAO).

Elektronisch zugestellte Dokumente gelten gemäß § 98 Abs. 2 BAO als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der die Empfängerin Zugang hat (siehe Ritz/Koran, BAO8 § 98 Rz 4, mit zahlreichen Nachweisen auf die Judikatur).

Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 245 BAO einen Monat.

Nach § 108 Abs. 2 BAO enden "nach…Monaten…bestimmte Fristen…mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht…".

"Fällt das Ende einer Frist auf einen…Sonntag,…so ist der nächste Tag…als letzter Tag der Frist anzusehen" ( § 108 Abs. 3 BAO).

Eine Bescheidbeschwerde ist vom Bundesfinanzgericht gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss ( § 278 Abs. 1 lit. a BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht rechtzeitig eingebracht wurde.

Der beschwerdegegenständliche Einkommensteuerbescheid 2021 vom 12. Mai 2022 wurde nachweislich und unstrittig am selben Tag in die Databox zugestellt und die einmonatige Beschwerdefrist endete am 13. Juni 2022. Das von der Beschwerdeführerin eingebrachte Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde, datiert mit 17. Juli 2024, ist verspätet. Der Einkommensteuerbescheid 2021 ist rechtskräftig.

Die Beschwerde kann daher mangels rechtzeitiger Einbringung nicht inhaltlich erledigt und auf das Begehren der Beschwerdeführerin kann nicht eingegangen werden.

Da die Beschwerdefrist im gegenständlichen Fall längst abgelaufen war, war die Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss - als nicht rechtzeitig eingebracht - zurückzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht weist zur besseren Nachvollziehbarkeit darauf hin, dass ein rechtskräftiger Bescheid grundsätzlich Rechtssicherheit und Rechtsfrieden schafft. Formelle Rechtskraft tritt ein, wenn ein Bescheid durch ein ordentliches Rechtsmittel (Bescheidbeschwerde) nicht mehr anfechtbar ist, weil zum Beispiel die einmonatige Rechtsmittelfrist ungenutzt abgelaufen ist (siehe dazu Ritz/Koran, BAO8 § 92 Rz 5).

Mit § 299 Abs. 1 BAO schuf der Gesetzgeber ein Mittel, wonach die materielle Richtigkeit eines Bescheides über die Rechtssicherheit gestellt wird. Es ermöglicht die Aufhebung eines Bescheides wegen jeglicher Unrichtigkeit seines Spruches. Eine solche Antragsmöglichkeit besteht aber nur innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Bescheides und erstreckt die Beschwerdefrist praktisch auf ein Jahr. Eine Aufhebung liegt - im Gegensatz zur Beschwerde - aber im Ermessen des Finanzamtes und ist auf die im Antrag genannten Gründe begrenzt (siehe dazu Fiala in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar - Digital First § 299 Rz 1-3, Stand: Jänner 2023).

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO, wie auch der Antrag der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2024 gewertet wurde, setzt - der Argumentation des Finanzamtes folgend - voraus, dass Tatsachen und Beweismittel "neu hervorgekommen" sind, somit im abgeschlossenen Verfahren bereits vorhanden waren, aber nicht berücksichtigt wurden. Wesentlich ist, dass diese Sachverhaltselemente erst danach hervorgekommen sind, im abgeschlossenen Verfahren aber zu berücksichtigen gewesen wären. Der Neuerungstatbestand dient keinesfalls dazu, die Folgen einer rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen. Die nachteiligen Folgen einer früheren rechtlichen Würdigung des offengelegten Sachverhaltes lassen sich daher bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege einer Wiederaufnahme beseitigen (siehe Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar - Digital First § 303 Rz 15-18, Stand: Jänner 2023).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig erhoben wurde, ist eine Sachverhaltsfrage, die nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu lösen ist. Sachverhaltsfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde und die Rechtsfolgen bei Versäumung dieser Frist ergeben sich unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen, daher liegt auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am 30. September 2025