Bundesrecht
Bundesgesetze
Strafprozeßordnung 1975
§ 234

§ 234

Wenn der Angeklagte die Ordnung der Verhandlung durch ungeziemendes Benehmen stört und ungeachtet der Ermahnung des Vorsitzenden und der Androhung, daß er aus der Sitzung werde entfernt werden, nicht davon absteht, so kann er durch Beschluß des Schöffengerichts auf einige Zeit oder für die ganze Dauer der Verhandlung aus dieser entfernt, die Sitzung in seiner Abwesenheit fortgesetzt und ihm das Urteil durch ein Mitglied des Schöffengerichts in Gegenwart des Schriftführers verkündet werden.

Entscheidungen
33
  • Rechtssätze
    10
  • RS0124163OGH, AUSL EGMR Rechtssatz

    01. Juli 2014·3 Entscheidungen

    Da es zu den unbestrittenen Grundregeln in Österreich üblicher menschlicher Kommunikation zählt, das Gesicht unverhüllt zu lassen (selbst durchsichtige Gesichtsschleier sind auf seltene Anlassfälle außerhalb des Gerichtssaals beschränkt), wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, überzeugend zu begründen, warum die vollständige Verschleierung ihres Gesichts gegenüber Schwurgerichtshof und Geschworenen trotz ohnehin eingeräumter Möglichkeit, „bei Betreten und Verlassen des Gerichtssaals ihr Gesicht zu verschleiern und während der Verhandlung auch das Kopftuch (Bedeckung der Haare) zu tragen" und im Gerichtssaal geltendem Verbot von Fernseh-, Film- und Fotoaufnahmen, nicht bloß als politisch-weltanschaulich motivierte Demonstration, für welche ein Gerichtssaal nicht der rechte Ort ist, aufgefasst werden sollte. Denn dass der Schwurgerichtshof darin in sachverhaltsmäßiger Hinsicht eine Missachtung des Geschworenengerichts erblickt hatte, war der Angeklagten und ihrem Verteidiger eindeutig klar gemacht worden. Die Bedenken auszuräumen und so den Respekt vor der Würde des Gerichts trotz durch den Gesichtsschleier indizierter Missachtung auch für Dritte unmissverständlich klarzustellen, hat die Angeklagte nicht unternommen, weswegen die verweigerte Wiederzulassung im Ergebnis zu Recht erfolgt ist. Bleibt anzumerken, dass die Verweigerung der Erfüllung allgemeiner Bürgerpflichten nicht von Art 9 MRK erfasst wird, mit der Ausübungsform „Beachtung religiöser Bräuche" zwar neben Gebräuchen, die in Zusammenhang mit kultischen Handlungen stehen, auch solche Handlungen geschützt werden, welche in den Bereich des Alltagslebens gehören, die Ausübung eines religiösen Brauchs allerdings nicht vorliegt, wenn eine Verhaltensweise keine in der betroffenen Religionsgemeinschaft übliche Praxis darstellt, und überdies § 234 StPO als gesetzliche Eingriffsermächtigung im Sinn des Art 9 Abs 2 MRK anzusehen ist, dessen Rechtfertigungsvoraussetzungen weitestgehend denjenigen der Abs 2 der Art 8, 10 und 11 MRK entsprechen. Auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit der sitzungspolizeilichen Maßnahme sind vorliegend grundrechtliche Schranken nicht überschritten worden.