BundesrechtArt. 15a VereinbarungenOrganisation und Finanzierung des Gesundheitswesens (Bund – Länder)Art. 6

Art. 6Planung multiprofessioneller ambulanter Versorgungsangebote

(1) Versorgungsstrukturen für die ambulante multiprofessionelle und interdisziplinäre Primärversorgung werden in Form von Primärversorgungseinheiten geplant und auf bundesgesetzlicher Grundlage umgesetzt. Eine Primärversorgungseinheit kann entsprechend den örtlichen Verhältnissen an einem Standort oder als Netzwerk an mehreren Standorten eingerichtet sein (Primärversorgungstypen).

1. Eine an einem Standort eingerichtete Primärversorgungseinheit kann nur in der Organisationsform

a) einer Gruppenpraxis oder

b) eines selbstständigen Ambulatoriums geführt werden.

2. Wird eine Primärversorgungseinheit als Netzwerk geführt, so kann diese nur aus freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzten, anderen nichtärztlichen Angehörigen von Gesundheits- und Sozialberufen oder deren Trägerorganisationen gebildet werden.

(2) Die konkreten Planungs- und Qualitätskriterien der Primärversorgungseinheiten werden festgelegt

1. hinsichtlich der bundesweit einheitlichen Grundlagen im Rahmen der integrativen Planung im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und

2. hinsichtlich der regionalen Planung auf Basis der Vorgaben des ÖSG im jeweiligen RSG durch Beschluss der Landes-Zielsteuerungskommission, insbesondere im Hinblick auf Anzahl, Versorgungsgebiet, Größe, Schwerpunkte der Leistungsangebote und den zeitlichen Umsetzungshorizont, allenfalls unter Festlegung, ob die Primärversorgungseinheit in Form eines Netzwerkes oder eines Zentrums betrieben werden soll.

(3) Die Planung von Primärversorgungseinheiten hat auf Grundlage der Ergebnisse der Analyse der bestehenden regionalen Versorgungssituation in den jeweiligen Versorgungsgebieten nach folgenden Kriterien zu erfolgen:

1. Kriterien für die Planung von Primärversorgungseinheiten:

a) Primärversorgungseinheiten sind wohnortnah – jedenfalls unter Einhaltung der ÖSG-Planungsrichtwerte für den ambulanten Bereich pro Versorgungsregion (Erreichbarkeit und Versorgungsdichte) – zu planen.

b) Primärversorgungseinheiten haben verkehrsmäßig, auch im öffentlichen Verkehr, gut erreichbar (z. B. Bezirkshauptorte, Verkehrsknotenpunkte, Standorte entlang von Verkehrsachsen) zu sein.

2. Kriterien für die Analyse der bestehenden regionalen Versorgungssituation, deren Ergebnisse in der Planung von Primärversorgungseinheiten zu berücksichtigen sind:

a) Demographische, sozioökonomische und epidemiologische Merkmale der Bevölkerung in der Region bzw. im Einzugsgebiet

b) Altersstruktur der bestehenden primär versorgenden GesundheitsdiensteanbieterInnen (insbesondere AllgemeinmedizinerInnen) mit Kassenvertrag im Einzugsgebiet

c) Inanspruchnahme und Auslastung von regional bestehenden Versorgungsangeboten, insoweit diese sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen

d) Überweisungsverhalten der primär versorgenden GesundheitsdiensteanbieterInnen (insbesondere AllgemeinmedizinerInnen) mit Kassenvertrag im Einzugsgebiet (z. B. Anteil der PatientInnen mit Überweisungen mit Ausnahme von Röntgen und Labor)

e) Anzahl der Kontakte in Spitalsambulanzen im Einzugsgebiet (z. B. in Relation zur Bevölkerung, %-Anteil an allen ambulanten Kontakten)

f) Leitlinienkonforme Versorgung chronisch Kranker (z. B. Anteil der PatientInnen in Disease-Management-Programmen)

3. Multiprofessionelle und interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten haben folgende Anforderungen zu erfüllen:

a) Die Primärversorgungseinheit hat jedenfalls aus einem Kernteam zu bestehen, das sich aus Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin und Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zusammensetzt; orts- und bedarfsabhängig können auch Fachärztinnen und Fachärzte der Kinder- und Jugendheilkunde Teil des Kernteams sein,

b) orts- und bedarfsabhängig können zur Sicherstellung der Kernkompetenzen entsprechend den Vorgaben des ÖSG Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen und Einrichtungen, in denen solche Personen beschäftigt sind, verbindlich und strukturiert eingebunden werden,

c) zur Verbesserung der zeitlichen Zugänglichkeit haben Primärversorgungseinheiten bedarfsgerechte Öffnungszeiten jedenfalls von Montag bis Freitag, einschließlich der Tagesrandzeiten aufzuweisen,

d) Organisation der Erreichbarkeit für Akutfälle außerhalb der Öffnungszeiten in Absprache und Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitseinrichtungen und gegebenenfalls unter Einbindung von Bereitschaftsdiensten,

e) Einbindung von vorhandenen telefon- und internetbasierten Diensten in das Erreichbarkeitskonzept,

f) Gewährleistung von aufsuchenden Diensten (Hausbesuche) durch verschiedene Berufsgruppen,

g) Sicherstellung der Kontinuität (Wahrnehmung einer Lotsenfunktion)

aa) in der Behandlung und Betreuung insbesondere von chronisch kranken Patientinnen und Patienten sowie Palliativpatientinnen und -patienten,

bb) der Behandlungsabläufe zwischen den Versorgungsstufen,

cc) in der Betreuung in anderen Versorgungsbereichen,

h) bedarfsgerechte Sprachdienstleistungen,

i) Vorhandensein der notwendigen (medizinisch-)technischen und apparativen Ausstattung,

j) Teilnahme an nationalen Vorsorge- und Screeningprogrammen und an integrierten Versorgungsprogrammen.

4. Zur Sicherstellung der in Z 3 genannten Anforderungen bzw. des Leistungsumfanges ist im Innenverhältnis der Primärversorgungseinheit in einem Versorgungskonzept im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsgebiet insbesondere Folgendes zu vereinbaren:

a) Betreffend Leistungen:

aa) Versorgungsziele des Primärversorgungsteams,

bb) Beschreibung des verbindlich zu erbringenden Leistungsspektrums,

cc) Regelungen zur Sicherstellung der Kontinuität der Betreuung von chronisch und multimorbid Erkrankten,

b) Betreffend Organisation:

aa) Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation im Primärversorgungsteam und in der Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsbereichen,

bb) zur Arbeits- und Aufgabenverteilung und zur Zusammenarbeit im Primärversorgungsteam,

cc) zur aufeinander zeitlich abgestimmten Verfügbarkeit (Anwesenheit, Rufbereitschaft, Vertretungsregeln) und örtlichen Erreichbarkeit, insbesondere bei mehreren Standorten,

dd) zum gemeinsamen Auftritt nach außen.

(4) Versorgungsstrukturen für die multiprofessionelle und/oder interdisziplinäre ambulante Fachversorgung werden in Form von ambulanten Zentren oder Netzwerken im extramuralen Bereich (niedergelassener Bereich, selbstständige Ambulatorien) und/oder im spitalsambulanten Bereich geplant und umgesetzt.

(5) Die Bedarfsfeststellung und regionale Planung von Kapazitäten für die multiprofessionelle und/oder interdisziplinäre ambulante Fachversorgung hat auf Basis von im ÖSG festgelegten Kriterien zu erfolgen. Diese Kriterien fokussieren auf Kriterien für die Standortplanung und auf Anforderungen an die multiprofessionelle und/oder interdisziplinäre ambulante Fachversorgung vor dem Hintergrund der bestehenden Versorgungssituation in der jeweiligen Region:

1. Kriterien für die Standortplanung:

a) Standorte von Versorgungsangeboten sind flächendeckend und regional gleichmäßig verteilt – jedenfalls unter Einhaltung der ÖSG-Planungsrichtwerte für den ambulanten Bereich pro Versorgungsregion (Erreichbarkeit und Versorgungsdichte) – zu planen.

b) Standorte von Versorgungsangeboten sind verkehrsmäßig, auch im öffentlichen Verkehr, gut erreichbar (z. B. Bezirkshauptorte, Verkehrsknotenpunkte, Standorte entlang von Verkehrsachsen).

2. Kriterien für die Analyse der bestehenden regionalen Versorgungssituation:

a) Demographische, sozioökonomische und epidemiologische Merkmale der Bevölkerung in der Region bzw. im Einzugsgebiet

b) Altersstruktur der bestehenden jeweiligen GesundheitsdiensteanbieterInnen (insbesondere FachärztInnen) mit Kassenvertrag im Einzugsgebiet

c) Inanspruchnahme und Auslastung von regional bestehenden Versorgungsangeboten, insoweit diese sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen

d) Anzahl der Besuche und Kontakte in Spitalsambulanzen der jeweiligen Fachbereiche im Einzugsgebiet (z. B. in Relation zur Bevölkerung, %-Anteil an allen ambulanten Kontakten)

3. Anforderungen an die multiprofessionelle und/oder interdisziplinäre ambulante Fachversorgung, die bei Anträgen auf neu einzurichtende Versorgungsangebote hinsichtlich der geplanten Umsetzung entsprechend darzustellen sind:

a) Verbesserung der Zugänglichkeit durch längere Öffnungszeiten, auch an Tagesrandzeiten und gegebenenfalls an Wochenenden, entsprechend dem regionalen Bedarf

b) Umfang des Leistungsangebots entsprechend „ambulanter Leistungsmatrix, Aufgabenprofil und Ausstattung“ für den jeweiligen Fachbereich gemäß ÖSG mit besonderer Berücksichtigung der Beseitigung regionaler Defizite bezüglich kontinuierlicher und koordinierter Versorgung, insbesondere von chronisch kranken und multimorbiden PatientInnen sowie bezüglich Prävention und Gesundheitsförderung

c) Geregelte Arbeits- und Kompetenzverteilung im Team (z. B. im Organisationskonzept festgelegt)

d) Standardisierter strukturierter Informationsaustausch (z. B. geplante Fallbesprechungen) und standardisierte elektronische Kommunikation und Dokumentation (z. B. elektronische PatientInnenakte mit Zugriffsberechtigungen für das Team)

e) Standardisierter und strukturierter Informationstransfer zwischen allen an der Behandlung beteiligten Personen/Institutionen; Teilnahme an ELGA

(6) Die gemäß Abs. 3 und 5 festgelegten Kriterien sind insbesondere in Abhängigkeit von der jeweiligen Datenlage weiterzuentwickeln und zu ergänzen.

Entscheidungen
0

Keine verknüpften Entscheidungen zu diesem Paragrafen

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen